Lohengrin in Barcelona. Lohengrin, Klaus Florian Vogt, und Elsa, Elisabeth Teige.

Lohengrin, der Verlierer

Fünf Jahre musste Katharina Wagners Lohengrin auf seine Premiere warten – jetzt feierte die Inszenierung in Barcelona einen umjubelten Einstand. Ein starker Abend für die Sänger, ein überraschend anderer Blick auf die Geschichte – mit einem Helden, der gar keiner ist. Und mittendrin: ein schwarzer Schwan als gnadenloser Zeuge.

Lohengrin in der Inszenierung von Katharina Wagner hat mit fünf Jahren Verspätung das Licht der Opernwelt erblickt. Am Gran Teatre del Liceu fand am 17. März 2025 die lange erwartete Premiere statt. Ein großer Erfolg für die Sängerinnen und Sänger – allen voran für Klaus Florian Vogt in seiner Paradepartie. Das Regieteam um Katharina Wagner musste sich allerdings einige Buhs gefallen lassen. Dabei ist diese Inszenierung keine Provokation, die das Stück gegen den Strich bürstet. Der Fokus liegt nur eben nicht auf dem Helden, der bloß an der Geschwätzigkeit seiner Frau scheitert. Aber der Reihe nach.

Fokus liegt auf Ortrud

Katharina Wagner kennt Partitur und Libretto bis ins letzte Komma und wird sich hüten, Wagners Musik zu beschädigen. Sie ist ihr heilig, die Sängerinnen und Sänger dürfen nicht behindert werden. Aber genau aus diesem tiefen Werkverständnis zieht sie ihre eigene, aktuelle Lesart. In ihrer Inszenierung steht Ortrud im Mittelpunkt – stark genug, um nach der Macht zu greifen. Doch am Ende setzt sie sich zwar nicht die Krone auf, stellt sich aber triumphierend dem König entgegen. Sie hat den „Fall“ gelöst – den wahren Skandal ans Licht gebracht: Lohengrin selbst hat den rechtmäßigen Schützer von Brabant, Gottfried, getötet – oder besser: ertränkt.

Der Schwan weist Ortrud (Miina-Liisa Värelä) und Telramund den Weg zu den Beweisen gegen Lohengrin.
Der Schwan hat alles gesehen und weist Ortrud (Miina-Liisa Värelä) und Telramund (Olafur Sigurdarson) den Weg zu den Indizien. © David Ruano.

Ein Zeuge bleibt: der Schwan. Ein schwarzer Schwan – ein Meisterstück der Werkstätten des Liceu – als mechanisches Objekt, das immer dann auftaucht, wenn Lohengrin den Schwan am wenigsten gebrauchen kann. Sehr witzig: Lohengrin dankt ihm beim Einzug nur scheinbar – „Nun sei gedankt, mein lieber Schwan“ – und kickt ihn beiläufig zur Seite.

Wichtige Details gehen verloren

An dieser Stelle zeigt sich ein Problem der Inszenierung: Das Teatro del Liceu ist ein klassisches Haus, beeindruckend hoch, mit fünf Rängen und langen Seitenreihen. Doch aus diesen Perspektiven gehen wichtige Details verloren. Rechts sieht man nicht, wie der Schwan von der Bühne verschwindet, links bleiben wesentliche Teile aus dem Schlafgemach unsichtbar.

Bayreuths Festspielhaus wäre für so eine Inszenierung ideal – mit seiner breiten Bühne und der einzigartigen Sicht aufs Geschehen. Doch Katharina Wagner schließt eine Wiederaufnahme dort aus: Eine Produktion hat in Bayreuth Premiere, und nirgendwo anders. Bayreuth first sozusagen.

Das Brautgemach in der Inszenierung von Lohengrin von Katharina Wagner. Bühne: Marc Löhrer
Jeder kämpft für sich allein: Bühnenbildner Marc Löhrer hat für das Brautgemach drei Räume geschaffen. © David Ruano.

Die Sängerriege, die Katharina Wagner nach Barcelona mitgebracht hat, ist freilich Bayreuth-erfahren. Allen voran Klaus Florian Vogt – auch hier ein Publikumsliebling und unangefochtener Held des Abends. Vogt gelingt auch die neue Deutung – nicht mehr strahlender Retter, sondern ein Macho mit Machtanspruch – unglaublich gut. Und seiner stimmlichen Strahlkraft tut das ohnehin keinen Abbruch. Im Gegenteil: Bewundernswert, wie Vogt nach unzähligen Lohengrinen noch immer mit spürbarer Freude in dieser Partie glänzt – selbst Siegfried und Tristan haben seiner lyrischen Stimme nichts anhaben können.

Besonders clever: Der Schwan bekommt bei Katharina Wagner endlich eine Bedeutung. Normalerweise nur Transportmittel des Helden, wird er hier zum Zeugen. Zum schlechten Gewissen Lohengrins: „Ich weiß, was du getan hast …“

Elsa wird indes erdrückt von der Last, für das Verschwinden ihres Bruders verantwortlich zu sein. Elisabeth Teige spielt diese traumatisierte Elsa großartig – mit viel Wärme und Trauer in der Stimme. Sie hat nie vom Ritter geträumt. Aber immerhin: Er rettet ihr das Leben. Also heiratet sie ihn. Mit Romantik hat das so viel zu tun wie ein Metallica-Konzert im Bayreuther Festspielhaus.

Keine Traumhochzeit bei Lohengrin in Barcelona. Regie: Katharina Wagner
Hier wird keine Traumhochzeit gefeiert. Ortrud will Elsa Retten. Lohengrin geht unbeeindruckt weiter. © David Ruano.

Katharina Wagner provoziert nicht mit schrillen Thesen, sondern stellt berechtigte Fragen: Was ist das für eine Beziehung, wenn der Mann seiner Frau ein Sprechverbot auferlegt („Nie sollst du mich befragen …“) und dann sülzt: „Ich liebe dich“? Wer heiratet bitte einen völlig Fremden? Als Märchen funktioniert das. Aber selbst Richard Wagner ließ Elsa Zweifel an der Seriosität des Brautwerbers. Umso zeitgemäßer, diese Konstellation 2025 zu hinterfragen.

Das Sängerensemble glänzt durchwegs. Miina-Liisa Värelä überzeugt als starke Ortrud – sie wird nach der Premiere von Irene Theorin abgelöst. Theorin war zuletzt in Bayreuth weniger positiv aufgefallen, als sie 2021 nach einer durchwachsenen „Götterdämmerung“-Leistung dem buhenden Publikum den Mittelfinger zeigte.

Elisabeth Teige gestaltet Elsa als traumatisiertes Geschöpf mit warmer Stimme. Mit Olafur Sigurdarson steht ein kämpferischer, streitlustiger Telramund auf der Bühne. Und Günther Groissböck verleiht dem König Heinrich einen überforderten, aus der Zeit gefallenen Charakter.

Lust auf Krieg bei Lohengrin in Barcelona.
Der König, Günther Groissböck, mit seinem Heer. © David Ruano.

Marc Löhrer – ebenfalls Bayreuther Stammbesetzung – hat eine beeindruckende Bühnenlandschaft entworfen. Das dreiteilige Brautgemach, das von oben hereingefahren wird, ist schlicht und steril  – und jeder Raum ein Schauplatz der inneren Kämpfe. Große Liebe findet hier nirgends statt. Leider gehen auch hier manche Schlüsselszenen an den Rändern des Sichtfelds unter. Kostümbildner Thomas Kaiser hat den Chor in strenge Uniformen gesteckt und für Elsa und Ortrud sehr elegante Roben entworfen.

Chor und Orchester des Teatro del Liceu stemmen den Abend würdig. Dirigent Josep Pons reißt das Orchester manchmal fast zu sehr mit bzw. fordert mit innig-langsamen Tempi die Sänger sehr. Dennoch: Das „Heimteam“ aus Barcelona mit Pons und Chordirektor Pablo Assante wird groß gefeiert.

Lohengrin, Schlusszene, Gran Teatre del Liceu, Barcelona, 2025, © David Ruano.
Das Ende: Lohengrin ist tot, die Leiche Gottfrieds gefunden. © David Ruano.

 

In eigener Sache: Die Autorin ist hauptberuflich als Journalistin tätig, ist aber auch den Bayreuther Festspielen verbunden und ist seit 2022 Vorsitzende von TAff, dem Team aktiver Festspielförderer

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