Siegfried Szene, Bayreuther Festspiele 2023

Siegfried mit Schwert und Krücke

Wer leere Plätze im Bayreuther Festspielhaus sehen möchte, ist bei „Siegfried“ richtig. Das Stück ist einfach nicht der Kassenschlager im „Ring des Nibelungen“. Grundsätzlich nicht. Die Menschen, die sich den „Ring“ wie immer komplett gekauft haben – also alle vier Abende – sind freilich versammelt. Bei den Einzelkarten-Interessenten ist „Siegfried“ eher etwas für Freaks. Und davon gibt es beim zweiten Ring nicht zu viele. So gibt es leere Plätze – aber sehr vereinzelt und das in den teuren und sehr teuren Sitzreihen im Parkett (ca. 300 Euro).  Der Vorteil: Der Blick auf die Bühne wird von den hinteren Reihen aus etwas besser. 

Ob’s was bringt? Denn so richtig viel passiert ja nicht. Siegfried will das Früchten lernen, schmiedet das Schwert, tötet den Drachen – und den ungeliebten Ziehvater gleich mit -, findet den Ring, den Hort und später die schlafende Brünnhilde. Happy End.

Schwächelnde Höhepunkte

Musikalisch ist Siegfried indes voller Höhepunkte: der raunende Auftritt des Wanderer, die Schmiedeszene – alleine zwei Knüller im ersten Aufzug. Doch beide schwächeln. Der Wanderer ist anfangs nicht so ganz die Sache von Tomasz Konienczny, der die Wotan-Partien zuvor bravourös gemeistert hatte. Der Auftritt in Mimes Höhle hört sich eher gezwungen und schwer verständlich an. Gut, dass sich das später wieder sehr zum Positiven wendet. 

Siegfried hat Notung geschmiedet. Andreas Schager in "Siegfried" bei den Bayreuther Festspielen 2023.
Notung, das Schwert, ist fertig. Geburtstagskind Siegfried – Andreas Schager – haut damit erst einmal die Gäste kurz und klein. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Mangels Inhalts fällt auch der Regie außer einigen optischen Gags wenig ein. In Mimes Höhle wird Kindergeburtstag gefeiert. Ein „Happy Birthday“-Band ist  für den Knaben Siegfried über der Tür drapiert, es gibt ein Kasperletheater und einige Freunde sind da. Alles Attrappen. Dabei darf der „Bub“ froh sein, dass die Gruselfiguren nicht echt sind. Solche Freunde möchte man nicht haben.

Beim Schweißen des Schwertes

Arnold Bezuyen als Mime gelingt es immerhin sehr gut, Siegfried zu umgarnen. Sehr positiv ist, das Bezuyen seine Partie nicht übetrieben kreischend gestaltet, sondern verständlichen Gesang pflegt. Siegfried „schmiedet“ dann immerhin Notung, das Schwert. Eine Szene, die ins Beiläufige abrutscht, weil Andreas Schager irgendwo im hinteren Bühnenteil beim Schweißen die Funken sprühen lassen muss und dann eine Krücke zeigt, die Waffe zugleich ist. In diesem Durcheinander geht die Schmiedeszene mehr oder weniger unter.  Mit dem Schwert schlägt Siegfried schließlich die „Gäste“ kurz und klein. Dann geht es auf zur Höhle des Drachen. 

Wotan und Mime in "Siegfried" bei den Bayreuther Festspielen 2023.
Der „Wanderer“, Tomasz Konieczny, bei Mime, Arnold Bezuyen. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Drache Fafner haust in einem wieder einmal coolen Wohnzimmer – die Couchen in der gesamten Inszenierung sind wirklich formidabel -, in dem Gäste ihre Aufwartung machen: Alberich, Olafur Sigurdarson, tritt ein mit einem Blumenstrauß ein, es folgt der Wanderer mit einem noch viel größeren Bouquet. Die Brüder wollen offensichtlich Fafner umgarnen – einen Greis im Pflegebett. Die Sippschaft kommt zum Erben, während der geraubte „Ring“, ein junger Mann im gelben T-Shirt – ah, das ist Hagen! – der Einzige zu sein scheint, der sich echt Sorgen um den Patienten macht. Der ist ein altes Ekel, der die Altenpflegerin betatscht. Das ist, wie sich später herausstellt: der Waldvogel. Hinreißend klar von Alexandra Steiner gesungen. 

Notung, die Krücke

Dieser Fafner muss nicht mehr besiegt werden. Das hat die Zeit für ihn erledigt. Hinfällig erhebt er sich aus dem Pflegebett und tappst auf seinen mit Wollsocken bekleideten dürren Beinen auf Siegfried zu. Mit Notung, der Krücke, schlägt der dem Alten den Rollator weg. Der stürzt zu Boden. Ein Bild des Jammers. Immerhin kann Tobias Kehrer als sterbender Fafner noch mit seiner prachtvollen Bass-Stimme erfreuen. 

Der Ring zum Schlagen

Siegfried  ist der Star des Abends: Andreas Schager wirbelt durch die Szene, gut gelaunt und bester Stimme. In Fafners Jackentasche entdeckt er den Ring – ein Schlagring, den er dem jungen Hagen – sehr glaubhaft von Branko Buchberger verkörpert – überlässt. Der weiß zunächst nicht, was er damit anfangen soll, wird das aber später noch lernen: es handelt sich um einen funkelnden Schlagring…

Große Freude hat und macht Daniela Köhler. Die junge Sopranistin ist die Siegfried-Brünnhilde und macht als verunsicherte Erweckte großen Eindruck, in jeder Hinsicht. Während ihr „Heil dir Sonne!“ noch etwas verhalten klingt, steigert sich Köhler schließlich sicher in schönste Höhen. Ihr stummer Begleiter Grane, Igor Schwab, betrachtet misstrauisch den Helden, der seine Herrin umgarnt. Eine schöne Szene.

Optisch ist dennoch relativ wenig passiert. Ein netter Einfall ist die Greisen-Geschichte von Fafner, allerdings, wenn der Wanderer vor ihm steht und „Öffne“ ruft, rutscht das Bild ins Komische.

Es geht zum Happy-End: Daniela Köhler als Brünnhilde und Andreas Schager als Siegfried in "Siegfried" bei den Bayreuther Festspielen 2023.
Gefunden: Daniela Köhler bezaubert als Siegfried-Brünnhilde, Andreas Schager erntet Jubelstürme in die Titelpartie „Siegfried“. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Aus dem Orchestergraben kommen manch schöne Momente, die Dirigent Pietari Inkinen aber allzu schnell herunterdimmt. Ein durchgehender Wumms fehlt noch.

Hier geht’s zur Betrachtung von Rheingold II und hier zu Walküre II 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.