Andris Nelsons beim Konzert Bayreuther Festspiele 2022

Bayreuther Festspiele enden mit Wagner-Rausch

Was für ein Abschluss: Wagner pur im Festspielhaus Bayreuth. Das Publikum ist hingerissen von dem Konzert, davon, die Musiker des Orchesters der Bayreuther Festspiele auf der Bühne zu sehen – und sich dem Rausch der Musik zu ergeben. Andris Nelsons (Bild: © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele) zeigt, dass er zu den Großen im Wagner-Kosmos zählt.

Andris Nelsons dirigiert im zweiten Jahr die beiden Abschlusskonzerte. Es sah einmal so aus, als würde er zur „Stammbesetzung“ bei den Bayreuther Festspielen zählen, begeisterte bei „Lohengrin“ in der Inszenierung von Hans Neuenfels, sollte anschließend „Parsifal“ dirigieren. Dazu kam es doch nicht. Das war 2016. Und das war’s eigentlich. 

Festspiele auf einem gemeinsamen Nenner

Letztes Jahr folgte die Annäherung mit einer Rückkehr für zwei Konzerte. Während die Veranstaltung 2021 eine Corona-Festspielsaison auf geregelter Betriebstemperatur zu Ende brachte, zeigten Andris Nelsons,  das Orchester und die beiden Solisten – Catherine Foster und noch mehr Klaus Florian Vogt – in diesem Jahr mit einer Art Kurzzusammenfassung, was Festspielniveau ist. Das können nicht viele. Nelsons kann. Zumindest bei diesem Konzert verlieh er der Musik den Kick mehr und damit teils unfassbare Spannung. Damit ist eine derartige Veranstaltung eine ausgezeichnete Möglichkeit, neues Publikum anzulocken – Musik auf höchstem Niveau macht Lust auf mehr. Und auch den Stammgästen gefällt’s. Das ist doch mal ein gemeinsamer Nenner zum Schluss.

Für ein „Best of Wagner“ lässt sich aus dem Vollen schöpfen. Im Vorjahr mochte unter anderem mit dem  ersten Akt „Walküre“ indes nur mäßige Stimmung aufkommen. Diesmal wurden Auszüge von „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“ und „Tristan und Isolde“ gewählt. Werke, die auch aktuell auf dem Spielplan standen und durchaus gefeiert wurden. An diesem Konzert-Abend zeigte sich, dass schon noch ein bisschen mehr geht.

Das Vorspiel von „Der fliegende Holländer“ startete mit scharf aufbrausendem Streicherklang, wobei Nelsons die Streicher schnell herunterdimmte, um Holz und Blech Raum zu geben. Er veranstaltete dabei keinen Klangrausch, sondern schälte die einzelnen Passagen penibel heraus. Der Rausch kommt dann von ganz alleine. Wobei sich gerade beim „Holländer“ zeigte, dass es ein heikles Stück für den überdeckten Orchestergraben des Festspielhauses, dass sich der Klang auf der Bühne klarer gestalten lässt.  

Auch das Vorspiel von Tannhäuser hat man so sicherlich bei den vorangegangenen hervorragenden Vorstellungen der Bayreuther Festspielsaison 2022 hervorragend erlebt. Aber sicherlich nicht so dramatisch und packend langsam getragen. Freilich: In der vollständigen Oper handelt es sich um ein  Vorspiel, quasi zum Warmlaufen für alle. Beim Konzert ist es ein Höhepunkt. Aber auch hier zeigt sich mehr als solide Dirigentenleistung. 

Vogt und Foster – ein Glücksgriff

Als wahrer Glücksgriff erweisen sich Catherine Foster und Klaus Florian Vogt, die Sänger des Abends. Freilich: Catherine Foster ist der unbeschwerten Senta längst entwachsen, doch ihre Ballade singt sie höchst hingebungsvoll. Im Duett zwischen Elisabeth und Tannhäuser aus dem zweiten Akt harmonieren Foster und Vogt ganz wunderbar. Beide sind mittlerweile gesetzte Größen bei den Bayreuther Festspielen. Vogt ist seit 2007 ununterbrochen Teil der Besetzung, im nächsten Jahr wieder als „Siegmund“ (Walküre), Catherine Foster wuppt 2023, wie der gerade veröffentlichten Spielfolge 2023 zu entnehmen ist, zweimal Isolde (musikalische Leitung: Markus Poschner) und kommt zudem als Brünnhilde im „Ring des Nibelungen“ zurück (außer „Siegfried“). In dieser großen Partie glänzte Foster bereits im Castorf-Ring (2013 bis 2017) von Anfang bis Ende. 

Klaus Florian Vogt begeistert sich zwar nach wie vor für seine Paradepartien wie Walther von Stolzing („Meistersinger von Nürnberg“) oder in diesem Jahr wieder als „Lohengrin“. Doch er geht Schritt für Schritt weiter in der Wagner Welt für Tenöre  – und das ist keine schlechte Entscheidung. Seine Rom-Erzählung (Tannhäuser) gelingt eindrucksvoll. Vogt gelingt es, sämtliche Gefühlslagen in seine Stimme zu legen (und textverständlich!) und wankt zwischen Verzagtheit, höchstem Frust, um sich freudig „Frau Venus“ zuzuwenden. 

Wonne bei „Tristan und Isolde“

Zwischenapplaus ist bei Wagner ja höchst verpönt – zurecht. Insofern ist es ein wenig befremdlich, nach einem rauschhaften „O sink hernieder, Nacht der Liebe“ in Jubel auszubrechen. Das Festspielhaus tut es dennoch und ausgiebig, es ist ja ein Konzert. Und wir befinden uns im zweiten Teil, der mit einem schon lange nicht mehr so intensiv gehörten Tristan-Vorspiel beginnt und mutig überleitet, Catherine Foster und Klaus Florian Vogt geben sich dem gesungenen Liebesrausch hin. Die Musik trägt sie auf Händen.  Dazu passt das wundervolle Englisch-Horn-Solo, der herzzerreißend einsame Ruf des Hirten, das mit einsetzendem Orchester in den „Liebestod“ mündet.

Für Vogt ist es der erste Tristan-Ausflug, weshalb er sich noch die Noten geben lässt, aber schon Lust auf mehr Tristan macht, während Catherine Foster die Isolde längst für sich erobert hat – wie in diesem Jahr auch bei den Bayreuther Festspielen bewiesen. Das Vier-Stunden-Stück ist für dieses Konzert mutig auf seine „Gassenhauer“ reduziert. Tristan für Eilige. Die Sängerin ist in ihrem Element. Nach dem Liebestod und dem Tristan-Ende bleiben zwei Sekunden der bewegten Stille, ehe der Jubel losbricht.

Abschluss Bayreuther Festspiele 2022, Konzert
Freuen sich über den riesigen Applaus im Festspielhaus: Klaus Florian Vogt, Andris Nelsons, Catherine Foster und das Orchester der Bayreuther Festspiele. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Das Konzert ist ein krönender Abschluss der Festspielsaison, wenngleich es im nächsten Jahr  nicht wieder auf dem Spielplan steht. 2023 enden die Festspiele traditionsgemäß am 28. August (Parsifal). Dafür wird es ein Park-Konzert vor dem Auftakt geben.

Ob Nelsons wieder kommt?  Bereits bekannt ist, dass Semyon Bychkov 2024 die Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ dirigieren wird, und ein Jahr später Daniele Gatti „Die Meistersinger von Nürnberg“. Der neue „Ring des Nibelungen“ kommt definitiv 2026 – ein Jubiläums-Ring, 150 Jahre nach dessen Uraufführung. Wer dirigiert ist offen, ebenso wie über die Regie bislang nur spekuliert wird.

Schade allerdings, dass es die Konzerte im Festspielhaus im nächsten Jahr nicht geben soll. Das Publikum war jedenfalls begeistert, klatschte, trampelte, holte Solisten  und den Dirigenten immer wieder auf die Bühne. Auch die Orchester-Musikerinnen und -Musiker bekamen einen schönen Abschied von den Bayreuther Festspielen 2022. Ein insgesamt gelungener Abschluss der zweiten Festspielsaison unter Corona-Bedingungen – es war hoffentlich die letzte…

Ein Ausblick auf 2023 folgt demnächst an dieser Stelle.

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