„Wo ist Gottfried?“ – diese Frage stellt sich in der Kinderoper der Bayreuther Festspiele. Es ist eine Institution geworden, die vor über zehn Jahren erstmals zu erleben war. Wer diese Produktion sieht, weiß einmal mehr, warum die „Kinderoper“ so beliebt ist und Karten schwer zu haben sind. In diesem Jahr steht „Lohengrin“ auf dem Spielplan von Probebühne IV. Regisseurin Lea Willeke hat zusammen mit Marlene Schleicher (Dramaturgie) und Zoe Leutnant (Bühnenbild) sowie Christiaan Harris (Kostüme) ein wundervolles Stück auf die Bühne gestellt – einen Krimi mit Musik.
Für die musikalische Fassung ist Festspielleiterin Katharina Wagner verantwortlich, was allein zeigt, welche Bedeutung sie diesem Projekt der Bayreuther Festspiele beimisst. Ein Team Studierender der Hochschule Hanns Eisler Berlin wird jedes Jahr in einem Workshop ausgewählt, ihre Idee zum Stück bei den Bayreuther Festspielen umzusetzen. Die Kostüme entwerfen eigentlich Schul-Kinder, was aber wegen der Pandemie in diesem Jahr noch nicht möglich war, weshalb die Aufgabe nun in den Werkstätten des Festspielhauses gelöst wurde. Immerhin konnte die „Kinderoper“ nach dem pandemiebedingten Umzug 2021 in den „Reichshof“ im Zentrum Bayreuths wieder an seinen angestammten Platz am Fuße des Festspielhauses zurückkehren.
Lohengrin in einer Stunde
Hier ist eine brillante Wagner-Oper zu erleben (10 Vorstellungen), die nicht nur die Jüngsten im Publikum hinreißt und am Ende begeistert trampeln lässt, sondern auch die Großen, die nach einer Stunde vielleicht mehr vom Stück verstanden haben, als nach drei Akten im Festspielhaus.
Der Clou ist, dass Lea Willeke und ihre Dramaturgin Marlene Schleicher die Geschichte nicht uminterpretieren, sondern sich ganz logisch der Krimi entwickelt. Glückliche Fügung: Manni Laudenbach, der „Oskar“ im Tannhäuser bei den Bayreuther Festspielen (Regie: Tobias Kratzer) wurde als Mitwirkender entdeckt und ist nun der Liebling der Kinder, wie man am Ende an der langen Schlange der Autogrammjägerinnen und -jäger nicht übersehen kann. Laudenbach, von Beruf Schauspieler und auf der großen Bühne stummer Begleiter, ist der Heerrufer, also der Herr Rufer, der zusammen mit König Heinrich, gesungen und gespielt von Oleksandr Pushniak, im Sherlock-Holmes-Anzug auf die Suche nach dem verschwundenen Gottfried geht, dem Bruder Elsas. Sie finden vieles „seltsam“, diverse Verdächtige und am Ende die Täterin: Die Gärtnerin war’s, Ortrud. Ihr Zauberstrahl ließ Elsa einschlafen und Gottfried verschwinden.
Der grandiose Schwan
Gottfried wird zum Schwan. Und zu was für einem Schwan: Großartig und frech hat Lukas Wind eine Zeichentrick-Figur animiert, die zunächst entsetzt ist über ihr Aussehen, später mit Helm mitkämpft, verliebt ist – und schließlich wieder zu Gottfried wird. Die Umsetzung ist einfach umwerfend witzig. Und sie ist ein weiteres Stück Professionalität der Kinderoper. Das junge Publikum zahlt keinen Eintritt. Und wenn es zum ersten Mal auf diese Weise mit Oper in Kontakt kommt, wird es sicherlich später eine gute Erinnerung an klassische Musik und speziell an Wagner haben. Das ist Nachwuchsförderung vom par excellence.
Professionell ist ebenso die Sängerriege, die zum Großteil auch auf der „großen Bühne“ des Festspielhauses zu erleben ist: „Lohengrin“ Daniel Kirch wird am selben Abend dieser Vorstellung (31. Juli) in das Kostüm des „Loge“ im „Rheingold“ schlüpfen. Brit-Tone Müllertz als Elsa ist eine der Walküren; Stéphanie Müther, die Gärtnerin Ortrud, ist 2. Norn in Götterdämmerung und Waltraute in Walküre. Michael Kupfer-Radecky gibt sonst den grimmigen Telramund. In der Götterdämmerung singt er die Partie des Gunther. Nachdem am Vorabend Generalprobe war, wird er von Aris Argiris vertreten.
Beim Detektivspiel sind auch Statisten auf der Bühne, die bei „Treulich geführt“ sogar mit in den Chor der Mitwirkenden einstimmen. Während Manni Laudenbach zusätzlich ein singender Heerrufer wird, als er einen Streiter für Elsa zum Hervortreten auffordert.
Rundum gelungene Inszenierung
Das alles muss natürlich auch musikalisch bestens begleitet werden. Dafür sorgt Azis Sadikovic, der am Pult die knapp 40 Musikerinnen und Musiker des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt/Oder gekonnt und für Kinderohren einfühlsam durch die gekürzte Partitur führt.
Es ist eine rundum gelungene Inszenierung, mit einer unfassbaren Liebe zum Detail, mit fahrbaren Kaminen, mit einem gemalten Familienbild, mit Wintergarten und traumschönen Kostümen in hübschem Türkis, das auch die Frau Bischof gut kleidet, die dem Paar ihren Segen gibt.
Aber der Ehemann bleibt nicht. Er muss gehen. Wobei er sich eh schnell als Langweiler entpuppt hat, der sich’s auf dem Sofa mit Popcorn gemütlich gemacht hat. Dann doch lieber der Bruder, den Elsa glücklich in die Arme schließt.
Großer Applaus!
Ein ausführlicher Bericht über das Regieteam sowie ein Interview mit Manni Laudenbach findet sich im TAFF-Festspielmagazin „Hojotoho“, das im Festspielhaus, in der Buchhandlung Kairos und vielen weiteren Einrichtungen in Bayreuth gratis zu haben ist. Es steht gratis zum Download zur Verfügung. Hier der Link zum Heft: https://www.taff-ev.org/hojotoho-magazin/