Mit einem ambitionierten Programm starten die Bayreuther Festspiele in die Saison. Zurzeit laufen die Generalproben – und Festspielintendantin Katharina Wagner zeigte sich sehr angetan darüber, was sie bisher von den Neuproduktionen „Der Ring des Nibelungen“ und „Tristan und Isolde“ auf der Bühne gesehen hat. Bei der Pressekonferenz am Samstag (23. Juli), also zwei Tage vor der Premiere, gab es einen umfassenden Überblick, auch über das Festspieljahr 2023 – und über die aktuelle Lage zu Corona.
Eine Überraschung: „Tristan und Isolde“ kam dieses Jahr quasi als Notinszenierung (Roland Schwab) auf den Spielplan, um im Corona-Notfall ein Stück ohne große Chorszenen auf die Bühne zu bringen. Aber dieses Werk in dieser Inszenierung bekommt eine Zusatzrunde: Auch für 2023 kündigte die Festspielleiterin den „Tristan“ im Spielplan an.
Außerdem neu: Mit Nathalie Stutzmann kommt eine weitere Dirigentin zu den Bayreuther Festspielen. Oksana Lyniv gab 2021 ihr Debüt und wird wohl nach diesem auch im nächsten Jahr wieder „Der fliegende Holländer“ dirigieren.
Neue Namen
Nathalie Stutzmann löst Axel Kober ab, der zwei Jahre lang „Tannhäuser“ in Bayreuth dirigiert hatte (Inszenierung: Tobias Kratzer). Die mit Spannung erwartete Neuproduktion von „Parsifal“ wird vom Spanier Pablo Heras-Casado dirigiert, der ebenso wie Joseph Calleja, er stammt aus Malta, sein Debüt in Bayreuth gibt. Während Heras-Casado aber bereits unter anderem mit dem „Ring“ in Madrid auf diesem Feld auf sich aufmerksam gemacht hat, betritt Celleja in der Titelpartie des Parsifal erstmals den Wagner-Cosmos. Kundry wird von Ekaterina Semenchuk gesungen, ebenfalls neu auf dem Hügel. Georg Zeppenfeld wird wie in der Vorproduktion erneut die Partie des Gurnemanz übernehmen.
Nathalie Stutzmann war der Pressekonferenz, die online abgehalten wurde, zugeschaltet. Sie ist Sängerin und jetzt auch Dirigentin, kennt Bayreuth bereits, wie sie berichtete. In den 90ern hatte sie zum Beispiel mit Gerhard Oppitz am Flügel Wagner-Lieder in Haus Wahnfried eingespielt, „das war phantastisch“, erklärte sie begeistert. Jetzt freut sie sich darauf, nächstes Jahr als Dirigentin in Bayreuth „in die Musik von Wagner eintauchen zu können“.
Die Neuinszenierung 2023: Parsifal
Hier schon einmal der Überblick über die Besetzung:
Musikalische Leitung: Pablo Heras-Casado
Inszenierung: Jay Scheib
Bühne: Mimi Lien, Kostüme: Meentja Nielsen; Video: Joshua Higgason.
Amfortas: Derek Welton
Titurel: Tobias Kehrer
Gurnemanz: Georg Zeppenfeld
Parsifal: Joseph Calleja
Klingsor: Jordan Shanahan
Kundry: Ekaterina Semenchuk
Pablo Heras-Casdo war zwar ebenfalls zugeschaltet – aber er befindet sich bereits in Bayreuth, wo er sich bereits auf die Generalprobe „Lohengrin“ mit Christian Thielemann am Pult sehr freute, wie er sagte. Mit Wagner hat sich der Spanier für seine eigene Arbeit Zeit gelassen: 2016 gab er sein Debüt mit dem „Holländer“, dann kam der „Ring“. Wagner habe sein Leben verändert, betonte er. Mit „seinem“ Parsifal Celleja hat er übrigens bislang nicht zusammengearbeitet, beschrieb ihn aber als „unglaublich großartigen Tenor“.
Die Bayreuther Festspiele 2022
Jetzt zu den Bayreuther Festspielen 2022. Die Eröffnungspremiere ist diesmal „Tristan und Isolde“. Hier war in den vergangenen Tagen und Wochen viel Flexibilität auf dem Grünen Hügel gefordert. Nachdem Dirigent Pietari Inkinen nach drei Jahren in Warteposition und viel Arbeit im Vorfeld in der Probenzeit schwer von Corona getroffen wurde, musste er für dieses Jahr seinen Einsatz in Bayreuth absagen. Es übernimmt Cornelius Meister, der wiederum eigentlich „Tristan“ dirigieren sollte und bereits die Ring-Proben übernahm. Jetzt wird er im Premierenjahr den gesamten „Ring-Zyklus“ dirigieren, der übrigens von der Deutschen Grammophon als Gesamtwerk aufgenommen und gestreamt wird.
Wegen des Ring-Wechsels wurde kurzerhand aus dem oberösterreichischen Linz der dortige Chef des Anton-Bruckner-Orchesters, Markus Poschner angeworben. Er stand dem Vernehmen nach schon im letzten Jahr für „Notfälle“ parat. Dieses Jahr wurde es also ernst. Im Schlussspurt der Proben war Poschner eingesprungen, am Freitag (22. Juli) war mit der Generalprobe die erste Feuertaufe zu bestehen. Sie ist geglückt, wie Katharina Wagner lobte: Poschner habe „eine tolle Vorstellung“ gegeben. „Man kann sich auf Montag freuen“, versprach die Festspielleiterin im Hinblick auf die Eröffnungspremiere.
Der Ring des Nibelungen
Obwohl die Premiere des Ring erst 2022 stattfindet, so läuft er doch offiziell als „Ring“, der 2020 als Neuinszenierung auf den Spielplan kam. Es war für alle Beteiligten eine lange Wartezeit. Umso größer war das Kompliment, das Katharina Wagner dem jungen Regisseur Valentin Schwarz aussprach, dafür, dass er über diese lange Zeit „die Spannung aufrechterhalten hat“. Auch die Regiearbeit wurde als „äußerst detailreich“ beschrieben. Der Festspielleiterin, selbst Regisseurin, gefiel dabei unter anderem besonders, dass Schwarz alle, auch scheinbar weniger bedeutsame Figuren im Ring „ausinszeniert“ hat.
Valentin Schwarz zeigte sich bestens gelaunt bei der Pressekonferenz, erzählte, dass er, nachdem er in diversen Interviews von einer Netflix-Serie gesprochen hatte, „keine TV-Schow auf die Bühne“ bringen werde, sondern eine „Seherfahrung“, eine Familienerzählung in vier Teilen.
Corona bei den Bayreuther Festspielen
Eigentlich hätte Ulrich Jagels, kaufmännischer Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, eine gute Bilanz vorlegen können. 29 Vorstellungen stehen auf dem Spielplan, 51 000 Besucher werden in diesem Jahr erwartet, womit sich ein „sportlich hoher Betrag“ von 13,8 Millionen Euro selbst erwirtschaften lässt. 12 Millionen schießen die Gesellschafter – der Bund, der Freistaat Bayern, die Stadt Bayreuth und die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth – zu: „Ohne diese Unterstützung könnten wir diese Festspiele nicht ausführen“, sagt Jagels.
Auch der Kartenvorverkauf gestaltet sich positiv. Die Nachfrage nach den Plätzen – in diesem Jahr auf 1771 von 1944 wegen Umbaumaßnahmen reduziert – sei höher als das Ticketangebot. Es werden unter anderem aus Krankheitsgründen immer wieder Tickets zurückgegeben, die in den Verkauf gehen, weshalb Jagels Interessierten riet, immer wieder im Online-Shop vorbeizuschauen. Aber man weiß eben nicht, wie sich die Corona-Lage weiter entwickelt.
Trotz Vorsichtsmaßnahmen wie freiwilliger Schnelltests bei den Mitwirkenden und Maskenpflicht im Haus: 80 Frauen und Männer waren bislang von der tückischen Krankheit betroffen. Der Großteil sei wieder genesen, zeigte sich Jagels erleichtert, 15 seien noch erkrankt. Aber die Zeiten werden bei einer Inzidenz von über 1300 in Bayreuth nicht leichter. Dennoch gibt es – im Gegensatz zum Vorjahr – keinerlei Beschränkungen für das Publikum. So gilt es, sagt Jagels „mit der Diskrepanz umzugehen“, also hohe Gefahr für die Mitwirkenden einerseits und keine Beschränkungen fürs Publikum. Die Festspielleitung empfiehlt während der Aufführungen das Tragen einer FFP2-Maske. Doch gezwungen wird niemand.
Staatsempfang passt „gar nicht“
Und während manche Mitwirkenden gerade genesen wieder auf oder hinter der Bühne erscheinen und andere Angst davor haben, selbst niedergestreckt zu werden, findet am Eröffnungstag wie in früheren Zeiten der „Staatsempfang“ statt. Der Ministerpräsident lädt anlässlich der Bayreuther Festspiele die Künstlerinnen und Künstler sowie ehrenamtlich Tätige zum gemütlichen Beisammensein nach der Vorstellung ein. Ein Termin, bei dem es eine Ehre ist, eine Einladung zu bekommen. Rund 2000 Menschen drängten sich früher im „Neuen Schloss“ zu Häppchen und Getränken. Aber in diesen Zeiten? Wie passt das zusammen? Für Festspielleiterin Katharina Wagner „gar nicht“, wie sie auf eine entsprechende Frage antwortete. Die Gefahr einer Infektion sei groß, weshalb die Festspiele ihren Mitwirkenden vom Besuch eigentlich abraten. Sie selbst, Ulrich Jagels sowie Markus Poschner und Roland Schwab, Dirigent bzw. Regisseur von Tristan, werden kurz durch den Hintereingang kommen, aber nicht durchs Gedränge schieben. Man will sich offiziell für die Unterstützung bedanken, aber nur kurz und mit FFP3-Maske, kündigte die Intendantin an. Infektionsschutz geht vor.
Die Sanierung des Festspielhauses
Unübersehbar: Es wird gebaut. Ein Turm des Hauses ist noch eingerüstet. Darum fehlen in diesem Jahr rund 170 Plätze im Zuschauerraum des Festspielhauses. Es wird ein Aufzug eingebaut, um einen weiteren Schritt Richtung Barrierefreiheit zu erreichen. Außerdem wird die Sprinkleranlage erneuert. Die Frage, ob der Zuschauerraum selbst saniert wird, ist offen. Zu sehr wird eine Auswirkung auf die Akustik durch eine Klimaanlage befürchtet. Auch besteht die Gefahr, dass nicht mehr so viele Zuschauerplätze genehmigt würden, das weiß man seit Jahren. Insofern ließ Ulrich Jagels die Frage offen, ob dieses Großprojekt in Angriff genommen wird.
So ist man trotz, abgesehen von den Schlagzeilen der letzten Tage, mit dem künstlerischen Betrieb zufrieden. Katharina Wagner sprach ein großes Kompliment allen aus, die bei allen spontan erforderlichen Aktionen, die Corona erfordert hatten, mitgemacht und nicht blockiert haben. Nur so sei eine Krise zu bewältigen: Einerseits durch eine hohe Professionalität, andererseits, „dass wir alle zusammenhelfen und künstlerisch auch diese Festspiele gemeinsam gestalten.“