Nein, liebe Kinder – auch diesmal wird‘s nichts mit einem Happyend bei Tristan und Isolde. Tristan muss sterben, denn die Bayreuther Festspiele lassen auch beim Projekt „Wagner für Kinder“ den von Wagner geschriebenen Dingen grundsätzlich ihren Lauf. Das heißt: Es darf geulkt werden, Isolde darf König Marke als Zeichen ihrer Ablehnung die Zunge rausstrecken. Aber insgesamt wird „Tristan und Isolde“ halt einfach nicht lustig. Das gibt die Musik nicht her. Immerhin: Onkel Marke ist versöhnt, auch Melot und Kurwanal sind gemeinsam am Ende bestürzt. Tristan und Isolde heiraten sogar am Ende – aber halt im Schattenreich.
Erste Premiere der Bayreuther Festspiele 2021
Es war die erste Premiere der Bayreuther Festspiele 2021 – und sie fand am Vormittag des 25. Juli statt. Nicht am Festspielgelände von Bayreuth, sondern mitten in der Stadt, auf der Kulturbühne Reichshof, ein entsprechend großes Refugium, das große Corona-Abstände ermöglicht, das aber auch erstmals zeigt, wie Publikumsjubel untergehen kann, weil halt sehr viele Plätze leer bleiben müssen. Ein Luxusproblem, natürlich.
Denn andererseits hat der „Reichshof“ den großen Vorteil, dass dort Orchester und große Stimmen – allen voran die von Stephen Gould – das junge Publikum nicht überfordern. Die Gefahr besteht im „kleinen Festspielhaus“ durchaus. Die Probebühne auf dem „grünen Hügel“ hat den Vorteil, dass die jungen Zuhörer sehr nahe am Geschehen sind, und den Nachteil, dass es laut wird. Denn die Sänger verfügen nun einmal über stattliches Stimmvolumen, groß genug, das Bayreuther Festspielhaus zu erfüllen. Das lässt sich schwer herunterdimmen. Ebenso wie ein ganzes Orchester – wieder ist es das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt/Oder unter der Leitung von Azis Sadikovic — das nun gegenüber der Bühne auf dem Rang platziert ist. Schwer zu sagen, wie es den Beteiligten damit geht, so weit getrennt voneinander zu agieren. Mögliche Probleme hat man jedenfalls nicht gehört, aber diese Größe war ideal für den Klang.
Stephen Gould – der Luxus-Tristan
Apropos Luxus: Wenn die Kinder jemals wieder einen anderen Tristan hören werden, wird der es schwer haben diesen jemals erst gehörten Tristan zu übertrumpfen: Denn Stephen Gould, der gemeinhin als der Tristan schlechthin gehandelt wird, hat sich verpflichten lassen, auch dem Nachwuchs sein Können zu zeigen. Das macht er – wie die ganze Besetzung – mit großem Spaß und ohne Einschränkung der eigenen Stimmmöglichkeiten. Eine tolle Leistung von Festspielleiterin Katharina Wagner, dass sie der Zielgruppe von morgen nur das Beste bietet, damit diese früh Oper und speziell die Musik von Urgroßvater Richard Wagner entdeckt und großartig findet.
Wandelbare Bühne, witzige Gags
In Szene gesetzt wurde auf der Bühne des Reichshofs von Dennis Krauß als Regisseur und Johanna Meyer, die ein wandelbares Bühnenbild geschaffen hat. Die Bühenbauten lassen sich drehen, sind Schiff oder Burg, das große Tuch ist Segel, Zelt oder Leichentuch.
Und trotz aller Traurigkeit des Stücks gibt es witzige Gags und gute Ideen. So wird das berühmte Vorspiel unterteilt und König Marke – großartig gesungen von Jens-Erik Aasbo – erzählt zwischendurch, worum es eigentlich geht: Dass er eine Prinzessin erwartet, die er „morgen heiraten“ wird, und sie sei zwar hübsch aber wohl „etwas komisch“.
Zumindest zickig ist sie, die Isolde von Kelly God, die bei der Überfahrt zu Marke von der Mannschaft augenscheinlich genervt ist, schließlich aber Brangäne gesteht, dass sie sich in den Tristan verliebt habe, obwohl der zuvor ihren Verlobten gemeuchelt hatte. „Das kann passieren“, quittiert die weise Freundin das Geständnis, bevor sie dann dem Schicksal ihren Lauf gibt. Und, auch auf Anraten des Publikums, statt des giftgrünen Todestranks aus der gut gemischten Bordbar doch lieber das pinkfarbene Fläschchen nimmt – den Liebestrank.
Und dann macht es bäng
Und dann macht es im wahrsten Sinne des Wortes bäng: rosa Flitter fliegen, Tristan und Isolde sind nach dem ersten Schluck einander verfallen. Bis zum bitteren Ende.
„Tristan und Isolde“ ist in der Kinder-Version gut 60 Minuten lang und enthält die großen „Hits“ wie „Sink hernieder Nacht der Liebe“ und am Ende natürlich den Liebestod, so anrührend gesungen, dass selbst die Erwachsenen schlucken müssen – mindestens.
Und so gibt es Jubel für alle – und sicherlich Bedauern von vielen, die nicht in den Genuss dieser gelungen Aufführung kommen. Und das sind vornehmlich Erwachsende. Es gibt „nur“ zehn Vorstellungen, alle sind ausgebucht und nur für Kinder, die erwachsene Begleitung mitbringen dürfen.
Im Reichshof hätten die Interessenten älteren Jahrgangs sicherlich Platz. Doch „Wagner für Kinder“ soll nächstes Jahr wieder an seinen Stammplatz auf dem Festspielgelände zurückkehren. Dann steht, weil auch dort der Kanon gilt, nächstes Jahr Lohengrin auf dem Programm.