Am letzten Tag wird Bilanz über die Bayreuther Festspiele 2016 gezogen: Holger von Berg, Katharina Wagner und Uwe-Eric Laufenberg. © Jörg Schulze/Bayreuther Festspiele

Bayreuther Festspiele: Was war, was kommt

„Unser Konzept ist noch so aktuell, dass die Bayereuther Festspiele sich schon Sorgen machen, ob sie das Ding gesichert kriegen“ — ein  Satz, „flapsig formuliert“,  wie Uwe Eric Laufenberg eineinhalb Jahre später einräumt. Der Satz stand in einem Interview, das festspieleblog.de mit dem Regisseur im Februar 2015 in Linz führte, wo Laufenberg den „Ring“ inszenierte. Es stand dann auch lange Zeit so nachzulesen. Bis die Geschichte heiß wurde. Anfang 2016, ein Jahr später also, bat Laufenberg, diesen Satz zu entfernen, er hatte plötzlich eine Sicherheitsrelevanz bekommen, „diese Dimension war nicht absehbar“, räumte Laufenberg nun, am letzten Festspieltag, bei der Pressekonferenz ein. (Im Bild oben: Festspielleiterin Katharina Wagner mit Geschäftsführer Holger von Berg (l.) und Regisseur Uwe-Eric Laufenberg. © Jörg Schulze/Bayreuther Festspiele)

„Bayreuther Festspiele ausverkauft!“

Dass die Presse erst am Ende der Festspielsaison zum Gespräch geladen wurde, hing ebenfalls mit dem Parsifal bei den Bayreuther Festspielen zusammen: „Ein halbes Jahr vorher ist über die angebliche Islamkritik spekuliert worden“, sagt Festspielleiterin Katharina Wagner. Darum sollte sich die Öffentlichkeit erst einmal selbst ein Bild von der Arbeit Uwe Eric Laufenbergs machen. Und darum gab es eben in diesem Jahr erstmals keine Vorschau, sondern einen Rückblick auf die Bayreuther Festspiele. Diese waren übrigens „ausverkauft!“, betont Holger von Berg, denn auch hier hatten entsprechende Meldungen für Irritationen gesorgt. Letztlich waren es „28 oder 30 Karten“, die nicht abgeholt wurden, darunter auch Pressekarten oder Dienstkarten für Mitwirkende. Von insgesamt rund 55 000. Das sind 0,07 Prozent, hat Pressesprecher Peter Emmerich ausgerechnet, „das ist ausverkauft“, betont Holger von Berg bei dieser Gelegenheit.

Dass Uwe Eric Laufenberg am 28. August nochmal frisch erholt vom Urlaub zurück mit Frau und Hund nach Bayreuth gekommen war, lag nun nicht an der Pressekonferenz, sondern „weil ich mir die Produktion anschauen will“, wie er gut gelaunt erzählt. Ausführlich verteidigt er bei dieser Gelegenheit aber seinen offenen Brief, in der er die Kritik an seiner Parsifal-Inszenierung  auseinandernimmt (den Link dorthin finden Sie am Ende dieses Artikels). Unter anderem die Kritikerrunde im Anschluss an die Premiere hatte seine Regiearbeit ziemlich zerpflückt. Laufenberg steht zu seinem Parsifal, den er  eng „an der Musik Richard Wagners entlang“ inszeniert habe. „Der Parsifal ist nich passiert, er ist so gewollt“, betont er. Ob er den Werkstattgedanken Bayreuths nächstes Jahr in Anspruch nimmt? „Ich werde mit der Festspielleitung reden, ob sie etwas geändert haben möchte“, antwortet Laufenberg auf die Frage, wobei Katharina Wagner sofort betont, dass die Festspielleitung nicht in künstlerische Konzepte eingreifen will, „aber sie ist ein guter Berater“, findet Laufenberg.

Plötzlich Besetzungsliste 2017 online

Zunächst ein Überblick über die nähere Zukunft bei den Bayreuther Festspielen, wenngleich Katharina Wagner beinahe gebetsmühlenartig gegen Gerüchte angeht und keinerlei Namen bestätigt, „solange es keinen Vertrag gibt“. Fix ist erst, wenn es die Festspielleitung verkündet.

Dabei war über die Homepage am 27. August die Gerüchteküche nochmal richtig angeheizt worden: Über Umwege konnte man am Abend zu einer eigentlich noch in Arbeit befindlichen  Besetzungsliste gelangen. Und so las man zum Beispiel beim Tristan-Dirigenten ein NN. Die Wagner-Community im Netz witterte den Skandal. Doch den gibt es nicht: „Natürlich wird Christian Thielemann auch nächstes Jahr Tristan und Isolde dirigieren“, beruhigte Katharina Wagner schließlich am letzten Festspieltag.

Besetzung der „Meistersinger“

Premiere haben am 25. Juli „Die Meistersinger von Nürnberg“ in der Regie von Berrie Kosky. Über das Konzept verrät Katharina Wagner, dass es „sehr interessant ist“ und „intellektuell unterfüttert“, kurz:  „Ich freue mich darauf“. Die Kostüme entwirft Klaus Bruns, die Bühne Rebecca Ringst.

Die Sängerriege:  Michael Volle wird Hans Sachs; Klaus Florian Vogt Stolzing,  Günther Groissböck Veit Pogner, als Beckmesser ist Johannes Martin Kränzle vorgesehen, Daniel Behle wird David, Wiebke Lehmkuhl singt Magdalene und Anne Schwanewilms ist Eva.  Es dirigiert Philippe Jordan.

Die Bayreuther Dirigenten 2017

Ansonsten kein Wechsel im Graben: Hartmut Haenchen kommt wieder für Parsifal; Marek Janowski dirigiert den „Ring des Nibelungen“ im letzten Jahr, Christian Thielemann den Tristan.

Andris Nelsons hatte, erzählt Katharina Wagner, einen Vertrag für Parsifal für die Jahre 2016 und 2017, „das stand von vornherein fest, 2018 hatte er gar keine Zeit“. Im gegenseitigen Einvernehmen sei der Vertrag bis 2017 nun beendet worden. Hartmut Haenchen, der ja kurzfristig die Premiere gerettet hatte, kommt nächstes Jahr wieder und wird den Parsifal dirigieren – und außerdem ein Sonderkonzert für Wieland Wagner.

Ansonsten gibt es zurzeit keine vertraglichen Bindungen mit Andris Nelsons, dessen Name mehrfach für den Bayreuther Ring 2020 genannt wurde. Katharina Wagner mag nicht dementieren und nicht bestätigen, sondern betont, erst zu reden, wenn Verträge unterschrieben sind. Punkt. „Dieses Namedropping schadet beiden Seiten“, lehnt sie darum auch kategorisch ab, über einen Ring-Regisseur 2020 zu reden.

Sie bestätigt allerdings, dass Tobias Kratzer den „Tannhäuser“ 2019 inszenieren wird.

Festspiele ehren Wieland Wagner zum 100. Geburtstag

Wieland Wagner  (*5.10.1917 / ✝ 17.10.1966), der Onkel von Festspielleiterin Katharina Wagner, der an der Ausrichtung von Neu-Bayreuth wesentlich mitwirkte, wird nächstes Jahr in besonderer Weise geehrt, wie die Festspielleiterin bekannt gab. Anlässlich des 100. Geburtstags veranstalten die Bayreuther Festspiele ein Konzert im Festspielhaus. Ein Ereignis, das es nur zu besonderen Anlässen gibt, zuletzt zum 200. Geburtstag von Richard Wagner am 22. Mai 2013.

Konzerttermin: 24. Juli 2017; das Programm steht noch nicht fest, „natürlich wird es auch Wagner enthalten“, sagt Katharina Wagner. Es dirigiert Hartmut Haenchen. Auch für ihn ist es eine besondere Ehre, sollte er doch schon in den 70er Jahren bei den Bayreuther Festspielen mitwirken. Doch die DDR-Führung sorgte dafür, dass die  Einladung von Wolfgang Wagner nie bei dem Dirigenten ankam.

Neu: „Diskurs Bayreuth“

Am Programm im Festspielhaus wird nicht gerüttelt. Doch mit einer neuen Reihe namens „Diskurs“ will Katharina Wagner eine weitere Auseinandersetzung mit Richard Wagner und Bayreuth erreichen. Bayreuth solle ein Ort des Gesprächs, der Konfrontation, der Einblicke sein, als Fortsetzung der Arbeit im szenisch-musikalischen Bereich, anknüpfend an das kontroverse „Phänomen Wagner“. Mit diesen Themenkreisen sollen sich Wissenschaftler, Komponisten, Theaterpraktiker und Journalisten im Hinblick auf künstlerische Standpunkte, historische Dimensionen und politische Implikationen auseinandersetzen.

Die Festspiele erweitern somit ihre Programmperspektive bis in die Gegenwart und Zukunft. Richard Wagner ist Kristallisationspunkt für das Programm und zwar als Visionär einer Kunst der Zukunft und als kontroverses Phänomen.

2017 startet der „Diskurs Bayreuth“ mit einem zweitägigen Symposium, das voraussichtlich in der Premierenwoche stattfindet. Themen sind: Wagner im Nationalsozialismus – Zur Frage des Sündenfalls in der Kunst sowie Oper ohne Wagner? – Die Situation der Künste nach der „Stunde Null“ und in der Neuorientierung der 1950er Jahre.

Ergänzt wird der „Diskurs Bayreuth“ 2017 um vier Konzerte, deren Spektrum Musik von verfolgten und verfemten Komponisten bis zur Nachkriegsavantgarde umfasst. Geplant ist, dass diese Konzerte in der Villa Wahnfried stattfinden. Zurzeit, betonte Geschäftsführer Holger von Berg, laufen diesbezüglich aber noch die Gespräch mit der Stadt Bayreuth.

Überhaupt, so kündigt Katharina Wagner an, wollen die Bayreuther Festspiele künftig mit Veranstaltungen auch im Markgräflichen Opernhaus oder später in der Stadthalle präsent sein.

Karten für Neuproduktion teurer

Wer ab nächstem Jahr die Premierenproduktion sehen will, muss tiefer in die Tasche greifen. Die Kartenpreise steigen, allerdings nur für die jeweilige Neuproduktion, 2017 „Die Meistersinger von Nürnberg“. Wer das gleich im ersten Jahr erleben will, zahlt für die Premiere  25 Prozent mehr, das heißt zwischen 13 und 400 Euro, die weiteren fünf Vorstellungen kosten zwischen 12 und 368 Euro in der teuersten Kategorie, das sind 15 Prozent mehr als die anderen Vorstellungen.

Die anderen Preise, also für Ring, Tristan und Parsifal, bleiben unverändert: 10 Euro für den günstigsten Platz auf der Galerie und 320 für die Kategorie A1, Reihe 1-6.

Kartenbestellung ab Herbst

Die Bestellungen für die Saison 2017 werden ab 15. Oktober bearbeitet. Wie in den früheren Jahren, kann per Post oder im Internet bestellt (nicht gekauft!) werden. Die Zuteilungen sind dann in der Regel bis Weihnachten abgeschlossen.

Der Online-Shop, in dem die Tickets sofort gekauft und bezahlt werden können, öffnet voraussichtlich am Sonntag, 12. Februar 2017. Wie viele Karten hier zur Verfügung gestellt werden können, ist noch unklar, zunächst wird erst einmal abgewartet, wie groß der Andrang im Herbst ist.

Kino und Fernsehen

„Die Meistersinger von Nürnberg“ werden am 25. Juli in die Kinos übertragen. Der Termin habe sich bewährt, sagt Katharina Wagner, „am Premierentag ist die Neugier am größten“. Bei den DVD-Produktionen wird die Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon fortgesetzt, nächstes Jahr kommt Parsifal in den Handel.

Education-Projekte der Festspiele

Das Kinderopernprojekt „Wagner für Kinder“ wird es auch 2017 geben. Auf dem Spieplan: Tannhäuser. Fortgesetzt wird auch die Meisterklasse Gesang; geplant ist, dieses Projekt auch für junge Dirigenten auszuweiten, vorausgesetzt, das Projekt lässt sich finanzieren, sagt Katharina Wagner.

Das Sicherheitskonzept

Es war nicht alles schlecht, was in diesem Jahr alles sicherheitstechnisch passiert ist, betont Geschäftsführer Holger von Berg. Die Sperrung der Siegfried-Wagner-Allee hat sich bewährt, die Zuschauer genossen die Ruhe auf dem Grünen Hügel. Auch die Ausfahrt nach Vorstellungsschluss lief wider Erwartens reibungslos, sogar viel besser als in den früheren Jahren, als nach Vorstellungsschluss eine Stunde lang Verkehrschaos herrschte. Insofern ist eine Fortsetzung im nächsten Jahr nicht ausgeschlossen, wenngleich für gehbehinderte Menschen, die eben nicht mehr vors Festspielhaus fahren können, „eine Lösung gefunden werden muss“, so von Berg. Die Polizeisperren am Festspielhaus waren übrigens eine Reaktion auf die Terrorfahrt von Nizza und dienten der Abschreckung.

Das Großaufgebot von Polizei hatte keine negativen Auswirkungen auf die Festspiele - im Gegenteil. Es war ruhiger am Festspielhaus; und das Publikum hatte Verständnis. © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de
Das Großaufgebot von Polizei hatte keine negativen Auswirkungen auf die Festspiele – im Gegenteil. Es war ruhiger am Festspielhaus; und das Publikum hatte Verständnis. © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de

Die Kosten für den Sicherheitsaufwand mag der Geschäftsleiter derzeit nicht beziffern, er sprach von einem „niedrigen siebenstelligen Betrag“, abgerechnet werde im Oktober. Die bislang genannten 2,5 bis 2,7 Millionen Euro wollte er nicht bestätigen.

Holger von Berg berichtet, dass es vonseiten der Zuschauer lediglich eine schriftliche Beschwerde gegeben habe. Allerdings: Die Mitwirkenden waren alles andere als glücklich: Häufig wurden sie kontrolliert, fühlten sich zum Teil schikaniert, zum Beispiel, wenn Musiker jedes Mal wieder ihre Instrumente auspacken und vorführen mussten oder Sänger und Dirigenten nicht erkannt wurden. Das alles ging auch der Festspielleitung zu weit, zumal viel Sicherheitspersonal im Haus auch viel Geld kostet. Darum betont von Berg: „Hier muss nachjustiert werden.“

Letzter Tag der Bayreuther Festspiele 2016

Am Abend gehen die Bayreuther Festspiele 2016 mit „Parsifal“ zu Ende. Sind die Künstler weg, kommen die Bauarbeiter. Die Sanierung des Festspielhauses geht weiter. Davon berichten wir demnächst.


Hier geht es zum Offenen Brief von Uwe Eric Laufenberg im Online-Magazin Nachtkritik: Antwort auf die Schnellvernichter

Das Interview mit Uwe Eric Laufenberg vom Februar 2015 

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