Warteschlange am Festspielhaus Bayreuth vor der Premiere. Viele hatten darauf gehofft, noch kurzfristig an eine Karte für "Parsifal" zu gelangen. Vergeblich. © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de

Warum die Stadt die Politiker-Karten behielt

Während der erste Akt des Premieren-„Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen am Montagabend über die Bühne ging, berichtete festspieleblog.de exklusiv, dass rund 60 Plätze in Loge und Parkett frei sind. Ein Novum bei einer Premiere. Der Grund: Die Stadt Bayreuth wollte die Politiker-Karten, die nach den Absagen von Ministerpräsident Seehofer und dem Kabinett ungenutzt blieben, nicht in den Verkauf geben, „aus Anstand und Respekt gegenüber den Opfern“, kommt nun die Antwort. So verzichtete die Stadt auf gut 10 000 Euro Einnahmen. Denn immerhin werden die Gästekarten aus Steuermitteln gekauft.

Auch andere Medien hatten nach der Premiere darüber berichtet, dass 60 Plätze im Festspielhaus Bayreuth unbesetzt geblieben waren, nachdem Ministerpräsident Horst Seehofer samt Kabinett der Eröffnung der Bayreuther Festspiele nach den Anschlägen in Würzburg, München und Ansbach fern geblieben waren. Die Festspiele hätten die begehrten Tickets für die Premiere mit Handkuss verkaufen können.

„Zeichen der Anteilnahme und des Mitgefühls“

Stadt-Pressesprecher Joachim Oppold schickt heute (26. Juli) im Namen von Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe eine Mitteilung an festspieleblog.de zur Erklärung. Hier die Mitteilung im Wortlaut:

„Unter dem Eindruck des Amoklaufs vom vergangenen Freitag in der Landeshauptstadt München haben Ministerpräsident Horst Seehofer und das gesamte Kabinett der Bayerischen Staatsregierung ihren Besuch der Bayreuther Festspiele abgesagt. Die Stadt hat sehr großes Verständnis für diese Entscheidung. Sie ist ein Zeichen der Anteilnahme und des Mitgefühls mit den Angehörigen der Opfer des Attentats von München. In gleichem Sinne hat die Stadt den sogenannten ‚Roten Teppich‘ abgesagt.  

Anstand und Respekt sowohl den Opfern und ihren Angehörigen wie auch den Eingeladen gegenüber verbieten es zu versuchen, die Karten für die frei gewordenen Plätze im Festspielhaus zu verkaufen. Ein solches Vorgehen hätte außerdem große sicherheitstechnische Probleme verursacht.

Den Bayreuther Festspielen ist hierdurch keinerlei wirtschaftlicher Schaden entstanden. Nach Kenntnis der Stadt führen die Bayreuther Festspiele keine Warteliste.

Die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele in Person ihres Pressesprechers wurde über diese Entscheidung im Grundsatz am gestrigen Nachmittag informiert. Dabei äußerte Pressesprecher Peter Emmerich hierfür Verständnis.“

Auf Nachfrage erklärt Peter Emmerich, Pressesprecher der Bayreuther Festspiele, dass er auf die Entscheidung mit einem „Aha“ reagiert habe, „wenn man das als Verständnis ausdrücken möchte…“, sagte am Abend Emmerich auf unsere Nachfrage.

Schutzwürdige Personen in der Loge

festspieleblog.de fragte nochmal nach, was sicherheitstechnische Probleme seien, wenn andere Wagnerianer die Promi-Plätze bekommen hätten, schließlich kann man ja nicht alle knapp 2000 Besucher im Festspielhaus kennen. Die Antwort auf die Nachfrage: „In der Mittelloge befanden sich schutzwürdige Personen.“

Mit großem Polizeiaufgebot waren die Festspiele am Montagnachmittag eröffnet worden. Wer sich in die Nähe des Festspielhauses begeben wollte, kam dorthin nicht ohne Taschen- und Jackenkontrolle. Übrigens durch höchst freundliche Polizeibeamte. Für die strengen Regeln auf dem Grünen Hügel gab es überall größtes Verständnis, weshalb auch davon ausgegangen werden dürfte, dass „schutzwürdige Personen“ in der Mittelloge nicht durch neue Besucher in Gefahr gewesen wären.

Hoffen auf Politiker-Karten

Dass keine hochoffizielle Warteliste bei den Festspielen geführt wird, bestätigt Pressesprecher Emmerich. Doch es habe noch Anfragen für die Premiere gegeben, die nicht erfüllt werden konnten. Emmerich sprach bereits am Montagabend von 200 Namen auf einer Liste im Kartenbüro. Und letztlich: Ein Besuch am Kartenbüro zwei Stunden vor dem Beginn hätte eine sehr reelle „Warteliste“ gezeigt (sh. Beitragsbild oben). Nach den  Absagen der Politiker hatten sich viele Bayreuther und Besucher noch auf den Weg zum Festspielhaus gemacht, in der Hoffnung, ein gutes Ticket für die Premiere zu ergattern. Sie mussten enttäuscht abziehen. Eine Dame erzählte uns, lediglich ein einziges Ticket sei kurz vor Schluss noch in den Verkauf gekommen, sodass immerhin der Erste in der Warteschlange doch zu „Parsifal“ kam.

Es darf wohl nicht unterstellt werden, dass die Karteninteressenten keine Anteilnahme oder Mitgefühl hätten. Gerade diese Themen behandelt ja der „Parsifal“. Sie hätten ihn gern gesehen. Der Verkauf  hätte am allgemeinen Entsetzen für die Taten von Würzburg, Ansbach und München nichts geändert, hätte andererseits aber der Stadt immerhin noch gut 10 000 Euro eingebracht.

Hier geht es zum Bericht über die Karten.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Uli Herden
    27. Juli 2016 20:31

    Da wäre halt schnelles und unkonventionelles Handeln gefragt gewesen . Aber da erwartet man wohl zuviel von den Verantwortlichen. Typisches rumeiern und um Gotteswillen keinen Fehler riskieren

    Antworten

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