2,5 Millionen Euro für die Sicherheit
Es ist 24 Stunden bewacht. Niemand kommt ohne persönlichen Ausweis mit Lichtbild hinein. Die Sicherheit ist gerade sichtbar betoniert am Festspielhaus Bayreuth. Zäune stehen, Wachpersonal ist unübersehbar. Nicht, dass in früheren Jahren jedermann nach Belieben ein- und ausgehen konnte. Doch die Sicherheitsauflagen wurden in diesem Jahr so drastisch verschärft, dass bereits die Stimmung leidet. Und die Kasse obendrein.
Denn 2,5 Millionen Euro kosten Erarbeitung und Umsetzung eines Sicherheitskonzepts. Ein Betrag, den niemand offiziell bestätigen mag, aber dementiert wird er auch nicht. Wir hören sogar „wenn nicht sogar noch mehr“. Geld, das der Kunst bei den Bayreuther Festspielen fehlen wird, denn im Budget war dieser Aufwand nicht vorgesehen.
Nach Rücksprache mit dem Polizeipräsidium Oberfranken seien Auflagen erlassen worden, die einem „Festival internationaler Ausrichtung“ angemessen seien, erklärt Joachim Oppold, Pressesprecher der Stadt Bayreuth, auf unsere Anfrage. „Wie diese im Einzelnen erfüllt werden, ist Sache der Festspiele“, gibt er die Karte weiter. Aber die Auflagen kamen von der Stadt und die forderte ein Sicherheitskonzept, das bei einem Büro in Auftrag gegeben wurde. Schon das kostete einen ordentlich sechsstelligen Betrag, ist zu erfahren. Jetzt wird das Ganze umgesetzt, wovon vor allem die Mitwirkenden betroffen sind. Selbst die, die seit Jahren und Jahrzehnten den Sommer in Bayreuth verbringen.
Sicherheits-Check für alle 800 Mitarbeiter
Doch mit dem heiteren Idyll früherer Jahre ist’s vorbei. Die Mitwirkenden fühlen sich zum Teil wie im Hochsicherheitstrakt.
- Seit 24. Mai patrouilliert der Sicherheitsdienst im Haus und drumherum. 27 Leute ingesamt, rund um die Uhr.
- Im Festspielhaus ist die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Rein kommt ausschließlich, wer den Hausausweis trägt.
- Und selbst der schützt nicht vor Nachfragen. Es kann schon passieren, dass sich selbst die Geschäftsführung erklären muss, wenn sie abends noch mal ins Büro will.
- Den Hausausweis bekommt nur, wer sich schriftlich einverstanden erklärte, dass er polizeilich gecheckt wird. Jeder beantragte Ausweis kostet natürlich Geld.
- Damit ist ein Bayreuther Engagement auch kein Familienerlebnis mehr. Denn Mama oder Papa bei den Festspielen besuchen oder in der Kantine warten, bis Probe oder Vorstellung vorbei sind: gestrichen. Zutritt grundsätzlich erst ab 18 Jahren.
- Lediglich eine Begleitperson darf jeder Mitwirkende noch mitbringen. Das hat die Geschäftsführung der Bayreuther Festspiele bereits im Vorfeld der Proben per Mail erklärt. Der Grund: Jeder zusätzliche Hausausweis kostet Geld. 600 000 Euro sind es angeblich, damit jeder Mitwirkende wenigstens ein Familienmitglied benennen kann. Darum gilt: keine Ausnahme.
- Auch für die Sponsoren, die für ihre finanzielle Unterstützung im Gegenzug die Silver- oder der Gold-Lounge des Festspielhauses für Empfänge nutzen konnten, muss adäquater Ersatz gefunden werden. In Bayreuth ist das nicht leicht zu machen.
- Wo das Sicherheitskonzept das Publikum betrifft: Der beliebte Gang rund ums Festspielhaus ist abgeschnitten. Wie in jedem anderen Opernhaus auch, bekommen die Besucher noch die schöne Front zu sehen. Der Hintereingang von der Tannhäuser Straße ist versperrt; ebenso der Weg entlang der Festspielhaus-Rückseite, wo man manchmal sogar einen Blick auf die Bühne erhaschen konnte.
An diesem Punkt ist Peter Emmerich, Pressesprecher der Bayreuther Festspiele, nicht ganz unglücklich über das Konzept. Denn die Bühnentechniker, die die großen Aufbauten vor und nach jeder Vorstellung hin und her transportieren, hätten oft über Neugierige geklagt, die im Wege standen, was ja auch nicht ungefährlich ist.
Niederlage vor Gericht
Spannend wird, wie die Journalisten aus aller Welt reagieren, wenn ihre gewohnte Tür zum Pressebüro nicht mehr erreichbar ist. Sie führte auf der Rückseite des Festspielhauses über eine Treppe ausschließlich und direkt in die Pressestelle. Der Wachmann weist nun den Weg zum offiziellen Hauseingang, wo man sich anmelden, ein Formular mit Meldeadresse und Personalausweisnummer ausfüllen und auf Abholung warten muss. Bislang, sagt Emmerich, habe es Verständnis gegeben. Bleibt abzuwarten, ob das am Premierentag auch so sein wird, wenn die Zeit drängt.
Die Geschäftsleitung der Festspiele hat, wie zu erfahren ist, versucht, die Knebel gerichtlich lockern zu lassen — und unterlag. Kein Richter geht in Zeiten des Terrors das Risiko ein, Sicherheitsauflagen zu schmälern und am Ende Verantwortung übernehmen zu müssen.
Das Publikum soll — außer, dass der Gang um das Festspielhaus nicht mehr möglich ist — von alledem wenig mitbekommen, so Pressesprecher Peter Emmerich. Taschenkontrollen könnten stichprobenartig durchgeführt werden, das Mitnehmen sperriger Gegenstände sei verboten, Sicherheitsschleusen gibt es nicht. Warum die Sicherheit schon im Vorfeld so groß geschrieben wird und sich eben vor allem auf die Mitwirkenden beschränkt, kann niemand recht beantworten; auch international tätige Sänger und Musiker mit Vergleichsmöglichkeiten sind verwundert. Ist das ein Ergebnis des eisigen Klimas zwischen Stadt- und Festspielspitze? Peter Emmerich verneint vehement: „So eine Kinderei kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“
Salzburg stolz auf Risikomanagement
Wir fragen in Salzburg nach, auch das Heimstatt von Festspielen internationalen Ranges. Hier ist man richtig stolz auf seine Sicherheitsvorkehrungen und verweist auf sein „ISO 31000 zertifiziertes Risikomanagement“. Die Frage, ob die Sicherheitsauflagen in diesem Jahr massiv erhöht wurden, wird hingegen nicht direkt beantwortet, auch die Nachfrage nach eventuellen Mehrkosten bleibt unbeantwortet, wenngleich die Pressestelle die Anfrage „sehr interessant“ findet. Die Antwort: „Die Salzburger Festspiele setzen sich seit Jahren mit dem Thema Sicherheit für Besucher, Mitarbeiter und Künstler auseinander und wenden ein normgerechtes Risikomanagement an.“ Rund-um-die Uhr-Bewachung gibt es, „an 365 Tagen und 24 Stunden durch einen ÖZS (österreichische Zertifizierungsstelle Sicherheit) zertifizierten Wachdienst“. Eine technische und personelle Zutrittskontrolle, teilt Pressesprecherin Ulla Kalchmair mit, werde schon seit 1997 angewandt und gelte „für jeden, der ins Festspielhaus gelangen will“. Polizeiliches Führungszeugnis — auch in Salzburg ein Muss „für jeden neu angestellten Mitarbeiter“. Und: „Die Veranstaltungsbehörde führt vor jeder Vorstellung in allen unseren 14 Veranstaltungsstätten einen Sicherheitsrundgang durch, bei dem alle Sicherheitseinrichtungen genauestens kontrolliert werden, und erst dann die jeweilige Veranstaltungsstätte von dieser freigegeben wird“.
In Bayreuth geht die Sicherheitslage vielen Beteiligten mittlerweile ordentlich auf die Nerven: „Man hat den Eindruck, jedes Jahr soll hier eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden“, sagt ein Mitwirkender frustriert, „jetzt ist es die Sicherheit. Was künstlerisch geschieht, interessiert scheinbar niemanden.“
Fotos: © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich halte dieses Sicherheitskonzept für reichlich überflüssig, weil meines Erachtens dadurch niemand der wirklich einen Terroranschlag plant abgehalten werden kann.
Ich kann Ihnen nur vorbehaltlos zustimmen! Dieses „Sicherheitskonzept“ ist der reinste Schwachsinn – und in dieser Ausprägung völlig überzogen und überflüssig. Erst einmal befindet sich Bayreuth nicht im Fadenkreuz des internationalen Terrors. Zum anderen ist die Abgrenzung ausgerechnet des Bühnenumfeldes absolut deplaciert. Wenn ein Terrorist einen Anschlag plante, würde er sich doch auf den Zuschauerraum konzentrieren, wo mit einem Schlag 2000 Menschen betroffen wären – und nicht die paar Hanseln, die gerade im Bereich der Hinterbühne Kulissen herumschieben! Ich frage mich, wer das bezahlt? Dem Vernehmen nach wurden die Gelder aus den Rücklagen für den „Ring“ 2020 abgezweigt. Hoffentlich bildet sich die Festspielleitung nicht auch noch ein, die öffentliche Hand oder – noch schlimmer – die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth kommt für die entstandene Finanzierungslücke auf. Sozusagen als „Dankeschön“ dafür, dass ihre Mitglieder, die jährlich Wahnsinnsbeträge für die Festspiele locker machen, jetzt nicht mal mehrs ums Haus herumflanieren können.