Am Ende wünschen sich alle — die auf der Bühne, die im Orchestergraben und die knapp 2000 davor — nur noch eines: raus hier! Wir Zuschauer müssen ja nur dasitzen und zuschauen und vor allem zuhören. Und das ist — Hitze hin oder her — ein wahres Vergnügen, ja, ein Genuss. „Rheingold“, der Vorabend in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ ist bei diesen Temperaturen jedoch so etwas wie Höchststrafe. Zweieinhalb Stunden eingezwängt, triefend bei gefühlten 50 Grad. Das kann sich ziehen.
Doch das Bühnengeschehen sorgt in vielen Momenten dafür, die Qual zu vergessen. Und in kurzen Momenten fragt man sich, was wäre, wenn wir hier eine langweilige Inszenierung, eine schwache Besetzung und einen uninspirierten Dirigenten hätten — um die berühmte Monaco-Franze-Kritik zu zitieren.
Nicht ablenken lassen
Das Gegenteil ist indes der Fall. Auch im dritten Ring-Jahr macht „Rheingold“ in der Regie von Frank Castorf Spaß, zumal man mittlerweile ja seine Intention kennt: er will von der Musik ablenken, Wagner-Schwelgen verhindern. Dazu bietet er allerhand auf, schickt seinen Assistenten Patric Seibert auf der Bühne, am ersten Abend als Barmann, dessen Getränke gerne vom Tablett genommen werden; dazu verfolgt ein Kameramann die Akteure auf Schritt und Tritt, die Nahaufnahmen sehen wir auf Großleinwand. Dort soll das Publikum hinschauen, hier spielt die Musik, will Castorf damit erreichen. Sich dem zu entziehen, funktioniert nur mit gutem Willen. Und wenn nicht: die Rheingold-Show ist wirklich klasse.
Auf der Drehbühne sehen wir Swimmingpool – glücklich, wer sich da hineinstürzen darf -, Tankstelle, an dem ein schwarzes Mercedes Cabrio aus dem Museum vorfährt, und das enge Motel-Zimmer für Vergnügen und Dramen aller Art. Doch was wäre die Kulisse ohne die Sängerinnen und Sänger? Das Team ist einerseits merklich eingespielt, angeführt durch Mafia-Wotan Wolfgang Koch, und wer neu ist, tut der Produktion gut, allen voran Albert Dohmen, der als Alberich eindrucksvoll erinnert, dass er hier schon den Wotan gegeben hat. Auch Wotans Kumpel Loge, John Daszak, war ein guter Griff für die Rheingold-Besetzung.
Große Leistung
Natürlich, es handelt sich um Profis auf der Bühne. Es sind aber trotzdem Menschen. Und wenn schon das Sitzen so anstrengend ist, grenzt es doch an ein Wunder, dass man hier noch schauspielern und großartig singen kann. Zum Beispiel die wundervolle Erda von Nadine Weissmann, die im Pelzmantel huldvoll einherschreitet. Wie sie das schafft, ist ein Rätsel. Ihr ist nicht einmal die Anstrengung anzusehen, geschweige denn anzuhören. Oder Allison Oakes im Latex-Overall, da tut schon das Hinschauen weh.
Alle halten wacker durch. Eine Meisterleistung. Niemand hört sich angestrengt an, nur die Großaufnahme verrät manchmal, dass auch auf der Bühne der Schweiß in Strömen fließt. Gut, dass mittlerweile LED-Lampen erfunden sind, die die Bühne samt Zuschauerraum nicht noch mehr aufheizen.
Drei Aufzüge
Als die letzten Takte aus dem Orchestergraben verklungen sind, kommen wieder die üblichen Buhs — für die Regie, später kommen keine mehr — dann folgt durchwegs großer Applaus für alle, die sich auf der Bühne verbeugen. Riesengetrampel als der Meister des Abends, Kirill Petrenko, vor den Vorhang kommt. Den Jubel haben alle verdient. Nach drei Aufzügen ist’s dann aber gut. Jetzt wirklich raus.
(Besucht wurde Rheingold II am 9. August im Festspielhaus Bayreuth)
Ein Einblick in die Ring-Regie, hier