„So schlimm ist der Castorf gar nicht“. Mit dieser Ansicht verlässt der Zuschauer die Walküre, den ersten Tag des Bühnenfestspiels. Doch es kommt anders, darauf hatte Dr. Sven Friedrich ja schon hingewiesen. Bei „Siegfried ist wirklich Schluss mit lustig“, warnt Friedrich nun vor.
Zur Szene: Auf der Drehbühne gibt es zwei Schauplätze: Den sozialistischen Mount Rushmore mit den vier Köpfen von Marx, Lenin, Stalin und Mao, „für mich das Spiel der sozialistischen Idee und Ideologie, der Überbau“, und den Alexanderplatz in Berlin, „die Kehrseite der Medaille, nämlich der real existierende Sozialismus“, sagt der Fachmann.
Bewusst habe Frank Castorf natürlich den Alexanderplatz in Berlin ausgesucht, „der exponierte Ort, an dem die DDR immer gezeigt hat: Wir sind eigentlich genauso wie der Westen – nur besser“, beschreibt es Friedrich. Am Alex habe sich so etwas wie „sozialistischer Kapitalismus entfalten können“. Hier findet ein erotisches Rendezvous von „Siegfried“ mit dem Waldvogel statt. Hier treten auch die Krokodile auf.
Es gibt in „Siegfried“ diese beiden Gegenwelten, zwischen denen die Figuren hin- und herwechseln. „Das macht auch Sinn, weil der Siegfried von Wagner ursprünglich als sozialistische Revoluzzerfigur konzipiert war. Hier greift Castorf klar den Vormärz-Wagner auf und exploriert ihn dann in die deutsche Geschichte“, erläutert Sven Friedrich.
Der „Farbklecks Öl“ tritt in „Siegfried“ zurück: Nach Texas (Rheingold) und Baku (Walküre) mündet „Siegfried“ in der deutschen Geschichte. Klar deshalb, dass der Siegfriedwald im „Großstadtschungel“ spielt.
Eine Gesamtbetrachtung auf den Ring: https://www.festspieleblog.de/2014/08/reden-wir-ueber-regie/