Es gibt zwei Traumpaare im „Ring des Nibelungen“ bei den Bayreuther Festspielen: Vida Miknevičiūtė und Michael Spyres (Beitragsbild oben) reißen als Sieglinde und Siegmund das Publikum geradezu von den Sitzen. Wenn dann im ersten Akt von „Walküre“ noch Georg Zeppenfeld als Hunding auftritt, ist ein perfekter erster Akt garantiert. Entsprechend tobt das Festspielhaus vor Begeisterung am Ende dieses Aufzugs.
Traumpaar Nummer zwei: Siegfried und Brünnhilde
Das zweite Traumpaar ist am nächsten Ring-Abend zu erleben: Catherine Foster und Klaus Florian Vogt als Brünnhilde und Siegfried. Catherine Foster findet nach dem langen „Schönheitsschlaf“, in den sie die Regie versetzt hat, schnell zu unglaublicher Energie. Ihre Sing- und Spielfreude sind geradezu grandios.
Von vorne, zum ersten Abend, „Walküre“. So sehr man Valentin Schwarz‘ üppig ausgestattete Deutung des Rings positiv betrachten mag. Die Geschichte mit der schwangeren Sieglinde geht nicht auf. Denn Wotan braucht doch jemanden, der mit seiner ganzen Ring-Diebes-Tour nichts zu tun hat. Den furchtlosen Helden kann er somit keinesfalls selbst zeugen. Hinzu kommt, dass der Geschwister-Inzest ja ohnehin schon Tabu genug ist. Das hätte eigentlich gereicht. Mit anderen Worten: Das ergibt keinen Sinn. Darüber hinaus beschert diese seltsame Geschichte der wunderbaren Sängerin als Einziger ein wirklich unvorteilhaftes Kostüm von Ausstatter Andy Besuch.
Der Rest der Sängerinnen und Sänger bzw. der Statisten auf der Bühne ist durchaus schmuck ausgestattet. Bewundernd betrachtet man zum Beispiel Fricka (Christa Mayer), die in einem elegant-glitzernden Zweiteiler ihren Gemahl zur Ordnung mahnt. Christa Mayer sieht nicht nur top als Götterchefin aus, sie singt auch diese Partie prachtvoll.
Wotan und Wanderer
Tomasz Konieczny macht als Wotan im sandfarbenen Freizeitanzug eine eher einstudierte als überzeugende Figur. Alles in allem wirkt sein Gesang zumindest in „Walküre“ überzogen. Obwohl er diese Mammutpartie stimmlich mühelos bewältigt, klingen seine Wut und sein Abschied nicht ehrlich. Auch in seiner Rolle wirkt er gestelzt, man vermisst eine persönliche Note. Schade eigentlich, denn am nächsten Abend, als Wanderer, ist das Bild ein völlig anderes: Konieczny lässt seinen samtigen Bass vor allem im wunderschönen Wanderermotiv strömen, verzichtet auf alles Künstliche und erhält am Ende zurecht den einstimmigen, großen Applaus.
Überhaupt baut sich die Spannung von Abend zu Abend mehr auf, auch im Orchestergraben. Während Simone Young in der „Walküre“ noch sehr auf Nummer sicher zu gehen scheint und das Orchester an der kurzen – und ruhigen – Leine hält, kommt bei „Siegfried“ deutlich mehr Schwung ins Spiel.
Höhepunkte bei Siegfried
„Siegfried“ gilt im „Ring“ beim Publikum oft als notwendiges Übel. In „Walküre“ kann man schwelgen, in „Rheingold“ ein kurzes Stück Wagner genießen, und die „Götterdämmerung“ ist ein spektakulärer Höhepunkt mit sensationellem Finale. Dazwischen liegt aber „Siegfried“. Doch auch dieses Stück ist musikalisch hochinteressant, mit vielen großartigen Szenen: Siegfrieds Schmiedelied zum Schwert Nothung, bei dem Klaus Florian Vogt nicht nur im Funkenflug steht, sondern diesen auch stimmlich veranstaltet; dann der erwähnte eindrucksvolle Auftritt des Wanderers. Auch Fafner ist eine grimmige Wucht, die Tobias Kehrer vom Pflegebett aus überzeugend hinausschmettert – in dieser Inszenierung ist der Drache ein gebrechlicher Greis, dem Siegfried nur den Rollator wegstößt, der Rest erledigt das schwache Herz. Weitere Höhepunkte: der Auftritt des Waldvogels – wundervoll klar „geträllert“ von Alexandra Steiner; oder die Erscheinung von Erda, der Okka von der Damerau mahnende Tiefe gibt. Und dann natürlich das Erwachen Brünnhildes: „Heil dir, Sonne…“.
Es ist eigentlich kaum zu fassen, warum „Siegfried“ zu den scheinbar am wenigsten geliebten Ring-Stück gehört. Aber obwohl der „Ring“ in diesem Jahr erstmals auch in einzelnen Teilen verkauft wurde, blieb kaum ein Platz leer.
Viele junge Leute im Publikum
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hätte übrigens ihre wahre Freude gehabt, hätte sie sich in der Pause umgeschaut: Der Anteil junger Leute im Publikum bei „Siegfried II“ war auffallend hoch, sicherlich auch wegen der Stipendiaten des Richard-Wagner-Verbands, die derzeit in der Stadt sind und die Gelegenheit nutzen, sich die Aufführungen anzusehen. Aber auch insgesamt fällt auf, dass nach der Premierenwoche viele junge Leute da sind. Hier zahlt sich sicherlich die Festspiel-Aktion „Wagner for Starters“ mit erheblich vergünstigten Ticketpreisen aus. Denn am Ende muss man ja auch bedenken, dass man sich ein reguläres Ticket für eine Oper und speziell die Bayreuther Festspiele auch leisten können muss…
Zurück ins Festspielhaus und zum „Ring des Nibelungen“. Die Geschichte, die Valentin Schwarz hier entwirft, ist wirklich nicht uninteressant und visuell sehr ansprechend. Man erkennt auch aus der 26. Reihe, dass diese noble Götterfamilie den Luxus nicht nur erträumt, sondern darin schwelgt.
Dasselbe gilt auch für die Besetzung. Das Publikum feiert zurecht alle Solisten von Walküre und Siegfried (21. und 23. August 2024), darunter auch den Neuling Ya-Chung Huang, der als Mime eine sehr gute Figur macht.
Nun steuert alles auf den Untergang zu – die „Götterdämmerung“.