Brünnhilde, Catherine Foster, in Götterdämmerung, Bayreuther Festspiele 2024

Götterdämmerung – das große Finale

Ein kluger Wagnerianer stellte einmal die These auf, dass man sich den schönen Schluss der „Götterdämmerung“ verdienen müsse – also vor diesen wunderbaren Klängen das ganze lange Stück erlebt haben muss. Und er hat Recht. Mehr noch: Eigentlich sollte auch eine „Götterdämmerung“ nicht alleine stehen. Sie entfaltet ihre wahre Größe erst als Abschluss des gesamten „Ring des Nibelungen“,  hier natürlich bei den Bayreuther Festspielen.

Wird der Ring noch Kult?

Ob der „Ring des Nibelungen“ in der Inszenierung von Valentin Schwarz bei den Bayreuther Festspielen jemals Kultstatus erlangen wird, bleibt offen. Aber oft ist es ja so, dass eine Inszenierung im ersten Jahr auf Buhs und Empörung stößt, das Publikum jedoch im Laufe der Zeit seine Liebe zu ihr entdeckt. So war es beispielsweise bei Frank Castorfs  „Ring“-Inszenierung (2013), die am Ende (2017) als großer Wurf gefeiert wurde. Bei Schwarz mögen manche Fäden vielleicht ins Leere laufen oder keinen stimmigen Abschluss finden – doch die Bilder und Geschichten kann man in weiten Teilen aber wirklich großartig finden, zumal Schwarz in den letzten Jahren immer noch ein bisschen nachgearbeitet hat.

Krönender Abschluss ist die „Götterdämmerung“. Besonders der erste Akt, der sich eben hier nicht  zu einer gut zweistündigen Qual entwickelt, sondern in Spannung und Tempo seinesgleichen sucht.  Das beginnt schon beim Auftritt der Nornen (Noa Beinart, Alexandra Ionis, Christina Nilsson) als Albtraum im Kinderzimmer, setzt sich im Ehekonflikt zwischen Brünnhilde und Siegfried fort, führt zum Auftritt einer Waltraute (Christa Mayer) am Rande des Irrsinns und mündet in einer  beeindruckenden Brutalität am Hof der Gibichungen. Der englischsprachige Nachbar quittiert das Ende des ersten Akts mit einem spontanen  „Wow“ und fügt ein „amazing“ hinzu. Die Inszenierung hat also durchaus ihre Freunde.

Formidable Besetzung

Dafür sorgt freilich vor allem die formidable Besetzung, allen voran die Bayreuther Brünnhilde Catherine Foster. Sie begeisterte bereits in der Castorf-Inszenierung in Bayreuth, das heißt, sie ist extrem Brünnhilden-erfahren. Doch nun scheint sie in der Form ihres Lebens zu sein.  Sie lebt und liebt diese Rolle. Ihr Schlussgesang gerät zu einer fesselnden One-Woman-Show. Da ist plötzlich jegliches Husten, Niesen oder Schniefen im Saal verstummt  – so sehr hat Foster das Publikum im Griff. Dass sie den größten Applaus des Abends erhält und dabei lachend auf ihr durchnässtes Kostüm hinweist, weil sie sich zum Ende  mit „Benzin“ übergossen hatte“, macht sie umso sympathischer. Besonders rührend ist auch ihr herzlicher Umgang mit der Kinderstatistin, die den „Ring“ am letzten Abend mit bewundernswerter Leidenschaft spielt.

Szene Götterdämmerung, zweiter Aufzug, Bayreuther Festspiele 2024.
Scheinbarer Erfolg von Gunther (Michael Kupfer-Radecky) feiert die „Eroberung“ von Brünnhilde, Catherine Foster. Dahinter der Chor der Bayreuther Festspiele. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

 

Auch Klaus Florian Vogt hat die nächste Hürde genommen: Obwohl der Tenor längst eine Institution auf dem Grünen Hügel ist und hier als Lohengrin und Stolzing gefeiert wird, wagte er sich in diesem Jahr in die anspruchsvollen Titelrolle des Siegfried vor – und glänzte auch hier mit heldenhafter Stimme.

Hagen, zart und brutal

Die spannendste Charakterzeichnung bietet in Schwarz‘ Inszenierung zweifellos Hagen, der von Mika Kares eindrucksvoll gesungen und gespielt wird. Hagen symbolisiert den geraubten „Ring“ (erkennbar am gelben T-Shirt) und sucht nun als Erwachsener nach seinem Platz im Leben. Zu den Gibichungen gehört er nicht, zu den Göttern auch nicht. Und eigentlich will er nur lieb gehabt werden. Aber damit wird es nichts. Zwar zeigt er Interesse an Gutrune – die ebenfalls nicht abgeneigt zu sein scheint, jedoch letztlich Aufregenderes sucht.  Und für Gunther ist Hagen so etwas wie ein großer Bruder oder ein besserer Bediensteter. Jedenfalls verspricht er ihm im  nahenden Siegfried  neue Unterhaltung.  Schwarz verzichtet darauf, Siegfried einen „Vergessens-Trank“ zu verabreichen, um sein bigamistisches Verhalten zu rechtfertigen. Stattdessen entscheidet sich der Held sehr freiwillig für die bezaubernde Gutrune – großartig gesungen von Gabriela Scherer, die zudem einen glamourösen Auftritt hinlegt.

Szene aus Götterdämmerung, Bayreuther Festspiele 2024
Da stimmt etwas nicht mit dem Helden: Klaus Florian Vogt als Siegfried und Gabriela Scherer als Gutrune. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

 

Siegfried lässt  angesichts dieser Reize schnell seinen treuen Begleiter „Grane“ (eine stumme Rolle, bewegend von Igor Schwab gespielt) links liegen und überlässt ihn der brutalen Obhut Hagens, der es jedoch dann auch nicht übers Herz bringt, das „Ross“ zu töten. Diese schmutzige Arbeit überlässt er dem Dienstvolk in der Gibichungen-Villa.

Auch in der Begegnung mit Alberich – über alle drei Abende hinweg hervorragend von Olafur Sigurdarson verkörpert – zeigt Hagen seine innere Zerrissenheit. Obwohl Alberich ihn einst entführte, hat Hagen eine Art Emotion zu ihm entwickelt. Doch freilich ist das keine stabile Vater-Sohn-Beziehung. Trotz großer Aggressivität zeigt Hagen auch Empathie, vor allem bei der Kleinen von Siegfried und Brünnhilde. Liebevoll tröstet er sie, obwohl er ihren Vater gerade im heruntergekommenen Schwimmbad ermordet hat. Der Beschluss, dass Siegfried sterben muss,  also am Ende des zweiten Aufzugs, zählt zu den weiteren Höhepunkten dieser Aufführung. Das Zusammenspiel von Hagen, Gunther – etwas zu aufgeregt dargestellt von Michael Kupfer-Radecky – und Brünnhilde als verschwörerisches Trio entlässt das Publikum nicht unberührt in die Pause.

Auch musikalisch kommt das Werk unter der Leitung von Simone Young in Fahrt, besonders bei den großen Orchesterstücken wie Siegfrieds Rheinfahrt und natürlich dem Trauermarsch, Der Jubel ist entsprechend groß, als sich am Ende der Vorhang öffnet und das gesamte Orchester auf der Bühne erscheint, um mit seiner Dirigentin den Schlussapplaus entgegenzunehmen.

Nach drei Abenden und einem Vorabend heißt es Abschied nehmen vom „Ring“ – mit einem sensationellen Ende, das sich das Publikum nun wirklich redlich verdient hat.

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