Festspieleblog.de berichtet wieder von den Vorstellungen der Bayreuther Festspiele 2024. Von der Neuproduktion abgesehen, schauen wir uns allerdings Vorstellungen jenseits der Premiere an. So wie „Der Fliegende Holländer“ am Sonntag, 11. August. Hier musste – wie auch bei der zweiten Vorstellung – Michael Volle die Titelpartie krankheitsbedingt abgeben. Er wurde von Tomasz Konieczny vertreten, der bei den Bayreuther Festspielen die anspruchsvolle Partie von Wotan/Wanderer in „Der Ring des Nibelungen“ singt. Hier der Eindruck von der Vorstellung.
Regie kommt an, Musik glänzt
Der fliegende Holländer in der Regie von Dmitri Tcherniakov ist wieder so ein Beispiel dafür, wie sich ein Stück weiterentwickelt, in diesem Fall sogar ohne massive Veränderungen, der Regisseur war nicht vor Ort. Aber vielleicht kann sich das Publikum jedes Jahr ein bisschen mehr an die Regie und deren Aussage gewöhnen. Jedenfalls findet man die Interpretation des russischen Regisseurs mittlerweile gar nicht mehr so schlecht, auch wenn sie ein wenig sehr trist und trashig daherkommt (Kostüme Elena Zaytseva). Umso strahlender Musik sowie Sängerinnen und Sänger, die bis zum furiosen Ende mitreißen.
Es geht schon mit Sturm im Orchestergraben los. Hier hat Oksana Lyniv, 2021 erste Dirigentin bei den Bayreuther Festspielen, eine enorme Souveränität entwickelt. Das Orchester braust gleich zur Erklärung im Vorspann, wo die Geschichte des „H.“ kurz erklärt wird, hell auf und bremst sofort herunter, als wäre es eingespielte Filmmusik. Beeindruckend. Der Holländer ist ja nicht das beste Stück für das Festspielhaus, sagt auch die Dirigentin, mit der ich mich in der Probenzeit länger für ein Interview unterhalten hatte (das ganze Interview ist im TAff-Festspielmagazin Hojotoho nachzulesen, hier zum kostenlosen Download).
Lyniv schafft es, einen klaren Klang zu formen, arbeitet einzelne Orchestergruppen heraus, vermeidet jeden Überwältigungsversuch und schafft so, die Spannung bis zum Schluss zu halten. Schön, dass an diesem Abend – dem Holländer-Abschied für diese Saison – das Orchester mit der ukrainischen Dirigentin mit auf die Bühne kommt und natürlich frenetisch gefeiert wird.
Auch der Chor mit seinem Direktor Eberhard Friedrich ist eine feste Bank bei den Festspielen. So auch bei der Fliegende Holländer mit seinen großen Chorszenen.
Undankbare Einspringer-Partie
Eine mehr oder weniger undankbare Rolle kommt Tomasz Konieczny zu. Als Einspringer musste er für zwei der drei Vorstellungen Michael Volle ersetzen, der krankheitsbedingt ausfiel. Vielleicht waren es enttäuschte Volle-Fans, die ihrem Frust beim Schlussapplaus für den Holländer mit bösen Buhs freien Lauf lassen. Wie unfair. Konieczny hat vielleicht nicht diese Wucht eines Volle auf der Bühne und wirkt deshalb etwas hölzern in der Darstellung. Stimmlich macht dem Bassbariton aber keiner etwas vor. Die Partie singt er kraftvoll und mühelos, ganz, wie es eines Bayreuther Wotan würdig ist. Die Unmutsbekundungen sind gottseidank auf seinen ersten Einzelauftritt beschränkt. Anschließend erhält auch er seinen verdienten Applaus.
Star des Abends ist zweifelsohne die Senta, Elisabeth Teige. Schlafwandlerisch sicher lässt sie ihren hellen Sopran strahlen, durchlebt diese Partie von der träumenden und tobenden Rebellin bis hin zur verzweifelten Verliebten, die aber einen Teufel tut, sich von einer Klippe zu stürzen. Dafür sorgt schon Mary, dargestellt von Nadine Weissmann, die in ihrer kurzen Partie mit ihrer warmen Mezzostimme gefällt und auch in der stummen Fortsetzung der Holländer-Ex überzeugt (Szenenbild mit beiden oben, © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele)
Kleine Partien groß
Seine kleine Partie als Steuermann weiß auch der Tenor Matthew Newlin mit Temperament und Spaß für sich zu nutzen. Eric Cutter singt einen überzeugenden Erik, der seine Traurigkeit in die Stimme zu legen vermag.
Was will man über Georg Zeppenfeld noch sagen? Wenn er auf dem Besetzungszettel steht, ist eine herausragende Sängerleistung in jedem Fall garantiert. Das ist auch bei der dritten Holländer-Aufführung 2024 nicht anders, wo er wieder den „Daland“ singt. Zeppenfelds kultivierter Bass ist eine einzige Freude, seine Textverständlichkeit von Weltklasse. Und: Wunderbar zu sehen, dass Zeppenfeld trotz aller verdienten Jubelarien von Publikum und Kritik keinesfalls den Eindruck macht, als ginge bei allem Ruhm die Bodenhaftung verloren. Er freut sich ehrlich über den großen Applaus.
Am Ende ein Knall. H., wie er von Regisseur Tcherniakov in dieser Geschichte genannt wird, fährt nicht mehr wie der Holländer hinaus auf die Weltmeere, sondern hat einfach aufgehört, Frauenherzen zu brechen. Mary hat dafür gesorgt. Senta lacht hysterisch…
Die nächste Vorstellung, die von festspieleblog.de besucht wird, ist „Parsifal V“ am kommenden Samstag, 17. August 2024.