Ende von "Walküre. Wotan hat Abschied genommen.

Walküre: Feuer mit gebremstem Zauber

Die Walküre, der erste Tag des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ bei den Bayreuther Festspielen 2023 endet wieder mit großem Jubel für die Sängerinnen und Sänger, auch Dirigent Pietari Inkinen wird im zweiten Ring-Zyklus (6. August 2023) gefeiert. Die Bühne ist prächtig anzusehen – es bleiben dennoch Fragen.

Regisseur Valentin Schwarz ist ein ernsthafter Künstler und hat sich sicher für diesen „Ring des Nibelungen“ richtig Gedanken gemacht. Manchmal vielleicht zu viel. Denn man geht auch nicht in die Oper, um sich ständig mit Detailfragen auf der Bühne auseinanderzusetzen. Ist das wichtig, oder kann das weg?…

Bühne und Kostüme prachtvoll

Die Bühne prachtvoll, die Kostüme auch. Es ist höchst schön anzusehen. Aber was ritt die Regie und Dramaturgie, Sieglinde schwanger (und extrem hässlich gekleidet) auf die Bühne zu schicken? Es erschließt sich nicht. Immerhin: Elisabeth Teige nimmt bei ihrem Sieglinde-Debüt in Bayreuth die Hürde der Hässlichkeit. Und dazu singt in großartiger jugendlicher Frische. Immerhin das  macht Spaß.

Ansonsten geht es im ersten Akt trist und trostlos zu. Familie Hunding haust im Keller mit allerlei Gerümpel, der Hausherrn ist schlechtgelaunter „Hausl“ im Anzug,  der rollengemäß sehr unfreundlich zur Ehefrau ist – das allerdings umwerfend gesungen, so wie man es eben von Georg Zeppenfeld gewohnt ist. Auch er kommt in dieser Produktion als linkischer Feigling denkbar schlecht weg. Er gibt bei Fricka die petzende Memme und ist später nicht einmal in der Lage, den Widersacher selbst zu meucheln. Siegmund wird von Wotan, der es sich auf dem Wohnzimmersofa bequem gemacht hat, nebenbei abgeknallt.

Szene aus Walküre bei den Bayreuther Festspielen 2023
Wenn zwei sich streiten: Tomasz Konieczny als Wotan und Christa Mayer als Fricka. Georg Zeppenfeld als Hunding ist Mittel zum Zweck. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Nun ist die Frage, warum Siegmund überhaupt Widersacher ist, wenn er doch gar nicht Vater des Kindes ist, sondern nur Bruder. Der Vater des Kindes ist, das wird in Gesprächen im Vorfeld bestätigt, Wotan. Warum? Das wissen die Götter.

Sänger machen Widerspruch wett

Egal: Die Sänger reißen den Widerspruch alles heraus. Klaus Florian Vogt, der sich auf einen gemütlichen Bayreuther Sommer mit drei Siegmund-Auftritten eingerichtet hatte, springt als Tannhäuser ein und muss am Tag nach der Walküre II (6. August) die Titelpartie übernehmen. Wer nun glaubt, er würde sich in Walküre schonen, irrt. Vogt hat nicht nur an dunklerer Stimmfärbung hinzugewonnen und macht nach wie vor den Eindruck, als seien große Partien nur Spaß.

Eine Wucht ist der Ritt der Walküren: Die Kriegerinnen sind, um in diese Ring-Geschichte der Reichen und Schönen wieder einzusteigen, in der Schönheitschirurgie – auch das ist ja eine Art Kampf. Die Damen lassen sich hier einen neuen Busen, dort eine schönere Nase und da gelupfte Augenlider verpassen. Für eine vor dem Vater flüchtende Schwester Brünnhilde haben sie weder Zeit noch Empathie.

Walküren in der Schönheitschirurgie bei den Bayreuther Festspielen 2023.
Schönheit um jeden Preis: Die Walküren Christa Mayer (Fricka), Brit-Tone Müllertz (Ortlinde), Stephanie Houtzeel (Siegrune), Kelly God (Gerhilde), Simone Schröder (Rossweise), Daniela Köhler (Helmwige), Marie Henriette Reinhold (Grimgerde). © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Walküre ist der erste Auftritt für Wotans Lieblingstochter Brünnhilde – mitreißend sicher gesungen und schwungvoll dargestellt von Catherine Foster. In dieser Partie hat sie zwar bereits 2013 bei den Bayreuther Festspielen debütiert, gewinnt aber seither an Größe und Lockerheit. Dazu hat sie großen Spaß am Spiel auf der Bühne – zumal in solch prachtvollen Gewändern.

Die sind Fricka herzhaft egal. Ihre Schwester Freia hat sich umgebracht, jetzt ist Beerdigung, ihr Sarg steht auf der Bühne, und für die Gemahlin von Gott Wotan ist es an der Zeit, dem unseligen Treiben zwischen Siegmund und Sieglinde, von dem der zaudernde Hunding erzählt, Einhalt zu gebieten. Christa Mayer als Fricka erledigt ihre Aufgabe grandios. Mit samtenem Mezzosopran lässt sie die Anweisungen fließen. Der Ton ist warm, die Aussage klar.

Walküre bei den Bayreuther Festspielen 2023, Catherine Foster als Brünnhilde.
Sie bringt den „Siegerkranz“ für Siegmund: Catherine Foster als temperamentvolle Brünnhilde. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Tomasz Konieczny als Wotan nimmt mit sattem Wohlklang seine Partie des Vorabends auf, ist mal verzweifelt, mal großartig wütend. Einzig sein Feuerzauber wirkt ein wenig zu dick aufgetragen, vielleicht, weil der Gegenpart aus dem Orchestergraben fehlt. Dabei wäre das Bild ein starkes. Der Verzweifelte liegt klein und menschlich vor der riesigen Wand, hinter der er Brünnhilde in den Feuerbann geschickt hat. Jetzt müsste der Zauber aus dem Orchestergraben kommen. Stattdessen setzt Pietari Inkinen fast belanglose Begleitung dazu, deren Feuerzauber ungefähr so prachtvoll ist wie der der Kerze auf Frickas Getränkewagen, den hereingeschiebt.

Und dann die schwangere Sieglinde, über deren Umstand über die Dauer von vier Stunden sinniert werden kann – ohne zufriedenstellende Lösung. Und dann will sie auch noch mit Stricknadeln gegen ihr Kind ankämpfen und von Wotan geschändet werden. Sieht brutal aus. Ist es auch. Mit Baby Siegfried im Arm geht es dann doch zu den Walküren.

Grane als treuer Begleiter

Mehr Gefallen kann man an Grane finden: Das „Ross“ von Brünnhilde ist in dieser Inszenierung ein Mann (mit Pferdeschwanz-Frisur), er ist treuer Begleiter von Brünnhilde, den Igor Schwab auch mit großer Hingabe zeigt. Wenn er Sieglinde und das Baby aus dem Walküren-Schönheitssalon rettet, ist das rührend anzusehen, wo sich die arme Frau so schinden musste.

Die strahlende Liebe zwischen dem Geschwisterpaar Siegmund und Sieglinde blitzte zumindest im zweiten Akt auf, als beide im wohl früheren Kinderzimmer sich und ihrer Vergangenheit begegnen und sich ausgelassen freuen, sich wiedergefunden zu haben. Teige und Vogt sind hier purer Hörgenuss.

Ein Schwert, das Siegmund aus der Esche in Hundings Keller zieht, ist kein Schwert, sondern eine Pistole, die er irgendwo unter dem Gerümpel hervorzieht…

Hundings Haus findet im Keller statt. Walküre, Bayreuther Festspiele 2023
Hundings Haus im Keller: Klaus Florian Vogt (rechts) als Siegmund und Georg Zeppenfeld als Hunding. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Zusammenfassend lässt sich über Walküre sagen: Die ästhetische und aufwendige Bühnenlandschaft, die schön anzusehen ist,  eine Festspiel-würdige  Sängerriege, aber leider begleitet von einem Orchester, dessen Leiter sich dazu entschließt, eigene Akzente zu setzen. Das hört sich aber leider nach angezogener Handbremse an.  Da wäre mehr drin, nicht nur mehr Feuerzauber.

Wie war der Vorabend, Rheingold – mehr hier

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