Wie zieht man Leute an? Die Frage, die sich zurzeit alle stellen. Kulturbetriebe, Sportvereine, Arbeitgeber, alle. Die Antwort hat Richard Wagner schon geschrieben: „Kinder – macht Neues“.
Das Neue heißt nicht, ständig das Rad neu erfinden zu wollen, sondern einfach zu zeigen, was geht. Unaufgeregt. Selbstbewusst. Die Bayreuther Festspiele tun dies in diesem Jahr zweimal mit ihren Parkkonzerten. Außerdem mit zehn Aufführungen von der „Oper für Kinder“, aber davon ein andermal.
Das Parkkonzert kostet sicherlich sehr viel Geld. Aber egal. Es ist eine Charmoffensive an alle: Schaut vorbei, wir haben hier war Tolles für euch. Es gibt keine Belehrung, nur eine pfiffige Moderation (Axel Brüggemann), Festspielintendantin Katharina Wagner plaudert zur Begrüßung heiter drauf los. Alles ist sehr unaufdringlich und sendet die Botschaft: Setzt euch einfach hin und lauschet.
So geschehen am Vorabend der Eröffnung der Bayreuther Festspiele am 24. Juli 2023. Vielleicht war das Wetter und vor allem die Vorhersage symptomatisch auch für die Festspiele. Ständig ziehen drohende Wolken auf und künden Unheil, die Wetter-Apps überschlagen sich. Die Katastrophe droht. Und dann: Der Wind legt sich, die Gewitterwolken verziehen sich irgendwohin. Alles ist gut.
Und da muss man als Nicht-Bayreuther die Bayreuther schon sehr beneiden, dass sie hier so etwas geboten bekommen. Das ist keine Good-will-Aktion, sondern einfach ganz große Oper. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es nimmt Platz das Festspielorchester, dirigiert von Markus Poschner. Und wenn die hauchdünnen Klänge des Parsifal-Vorspiels über den Park schweben, muss niemand mehr im Ruhe bitten. Das ist Kunst. Es ist egal, woher man kommt, wie man angezogen ist, welchen Musikgeschmack man vielleicht im „normalen“ Leben hat. Über dem Park hängt andächtige Stille bei einigen Tausend Menschen samt Kindern und Hunden. Und es ist – ruhig.
Es ist nicht zu erwarten, dass die Leute, die im Park den Abend genießen, nun gleich die Kasse des Festspielhauses stürmen. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, die Festspiele zu öffnen. Und darum kommen die Festspiele auch nicht mit einem puren Wagner-Programm daher, sondern mit einem bunten Mix von Wagner über Weill, von Gershwin bis Verdi, Strauss und Schostakowitsch.
Aber – das ist der Anspruch von Festspielintendantin Katharina Wagner – wenn, dann richtig: Richtiges Orchester, keine zweite Garde, sondern tolle Besetzung mit Daniela Köhler, Brünnhilde in „Siegfried“, Olafur Sigurdarson, u. a. Alberich im „Ring“ sowie Magnus Viglius, und „Tristan“-Dirigent Markus Poschner am Pult, der alles bestens im Griff hat – und offensichtlichen Spaß dabei.
Der Wagner-Freund ist freilich hin und weg, wenn Isoldes Liebestod erklingt und zauberhaft von Daniela Köhler gesungen wird. Auch bei der Schlussszene von Parsifal („Nur eine Wunde taugt“), von Magnus Viglius in die Abenddämmerung geschickt, entfaltet an diesem Ort ihren besonderen Reiz. Aber: Die Festspiele sind selbstbewusst. Andere Komponisten sollen auch ihren Stellenwert haben. Und so ist der Schlusspunkt des zauberhaften, pausenlosen gut zweistündigen Programms eben nicht Wagner, sondern von Erich Wolfgang Korngold. Einfach so. Das ist Größe. Denn Wagner pur gibt es ja im Festspielhaus. Ab 25. Juli, gut vier Wochen lang.
Ach ja. Das Parkkonzert gibt es auch ein zweites Mal. Wer in der Nähe ist: unbedingt hingehen. Picknickdecke mitnehmen. Hinsetzen, genießen. Termin: 2. August 2023, 20 Uhr.