Was mag das für eine Frau gewesen sein? Sie stammt aus adeligem Hause, war gut-bürgerlich verheiratet und damit prädestiniert, ein klassisch-gelangweiltes Leben im ausgehenden 19. Jahrhundert zu führen. Cosima, geborene d’Agoult, geschiedene von Bülow, Wagner, ging indes ihren eigenen Weg. Das zeigt eine neue Biografie, die pünktlich zu den Bayreuther Festspielen erschienen ist: „Cosima Wagner. Ein widersprüchliches Leben“ von Sabine Zurmühl.
Cosima tat was sie wollte, aber sie war keine Rebellin, erst recht keine Frauenrechtlerin. Sie buhlte als Mädchen um die Aufmerksamkeit ihres berühmten Vaters Franz Liszt und beherrschte bis ins hohe Alter den Bayreuther Hügel. Sie war Dienerin eines Werkes, machte sich aber nicht klein. Diese Erkenntnisse und viele weitere interessante Zusammenhänge erschließt die Autorin Sabine Zurmühl in ihrem Werk, das im österreichischen Böhlau Verlag erschienen ist.
Cosima dient dem Werk
In 33 Kapiteln zeichnet die Autorin das lange Leben von Cosima Wagner zwischen dem Geburtstag am 24. Dezember 1837 und dem Tod mit 92 Jahren, am 1. April 1930, nach. Demnach hätte sich Cosima durchaus zu einer Frau entwickeln können, die zeitlebens unter dem Trauma der nicht erfüllten Liebe des Vaters leidet. Herzzerreißend bettelt das Kind in Briefen um ein Wiedersehen. Doch offensichtlich münzte sie Verletzungen wie diese in Stärke um: „Dienen“, das Wort, das bei Wagner häufig auftaucht, bekommt bei Cosima eine andere Interpretation. Und so ist sie sicherlich alles andere als untertäniger Anhang des berühmten Komponisten. Auch das zeigt Sabine Zurmühl.
Richard Wagner hat der Frau seines Lieblings-Dirigenten Hans von Bülow lange und ungeniert den Hof gemacht. Wie ungeniert, das liest sich aus einer Vielzahl von Briefen, aus denen die Autorin zitiert. Somit ist das Buch kein Roman, der Zusammenhänge vermutet, sondern belegt sie und nennt die Quellen im Schluss-Verzeichnis. Sabine Zurmühl zeichnet geschickt ein Bild der damaligen Gesellschaft. Richard und Cosima hindern jene Zwänge indes nicht daran, ihren Schwur fürs Leben, den sie sich wohl bei einer Kutschfahrt geben, bis zum Ende zu halten.
Knallhart für den Aufbau einer Dynastie
Gedient in dem Sinne, wie man heute dieses Wort deutet, hat Cosima Richard sicher nicht, auch wenn das berühmte Bild, auf dem die hochgewachsene Frau sitzend zu ihrem Mann aufschaut, das implizieren möchte. Sie verfolgte auch knallhart die Interessen der Wagner-Dynastie, selbst wenn sie dafür mit ihrer Tochter brechen muss. Auch der wachsende Antisemitismus in der Familie wird selbstverständlich thematisiert.
Es war wohl Liebe
„Cosima Wagner“ ist ein interessanter Lesestoff, nicht nur, aber vor allem zur Festspielzeit. Der Inhalt ist wissenschaftlich belegt und dennoch sehr gut lesbar aufbereitet und mit Bildern ergänzt.
Die Anziehungskraft zwischen Richard und Cosima belegt eindrucksvoll die „Ouvertüre“, in der sämtliche Liebes- und Kosenamen des Komponisten an seine Frau aufgeführt sind. Es sind derer viele: von „O Kosel, O Kosel, mein holdes Getosel!“ bis „mein Alles’chen“.
Es war wohl doch Liebe.
Sabine Zurmühl: „Cosima Wagner – Ein widersprüchliches Leben“, 2022 Böhlau Verlag, Wien