In Zeiten wie diese ist eine Neuinszenierung von Parsifal ein schönes Zeichen, dass vielleicht doch am Ende noch alles gut wird. Alleine deshalb ist es ein großes Verdienst des Landestheaters Linz, sich dieses mächtigen Stückes, dem letzten Werk von Richard Wagner, anzunehmen. Premiere war am 12. März 2022.
Es ist ja keine Oper, sondern bei Wagner ist immer alles ein Stück mächtiger, in diesem Fall handelt es sich um ein Bühnenweihefestspiel – aber letztlich ohne großen Inhalt. Das spiegelt sich auf der Bühne des jungen Opernhauses wider. Die Klammer des Abends ist großes Pathos, großes Wollen, große Gesten, aber alles nicht recht zündend.
Es gibt Dirigenten, die verweigern sich jeglicher Regie zum Vorspiel. Der Vorhang bleibt zu. Punkt. So ist es mehr oder weniger auch in Linz, weshalb es vor dem Vorspiel ein Vorwort gibt. „Traumwald“ von Heiner Müller zitiert das groß eingeblendete Parsifal-Gesicht, während in der Ecke klein Parsifal auf dem Schaukelpferd spielt, andächtig bewacht von Frau Mama Herzeleide. Warum? Großes Pathos.
Als also die Worte verklungen, setzt bedeutungsschwer die Musik ein. Dieses unfassbar schöne Vorspiel zeigt schon die vielen Stolpersteine des gesamten Stückes, weil es zum bewundernden Innehalten animiert. Und so wird man leider fast den ganzen Abend das Gefühl nicht los, dass Markus Poschner am Pult so begeistert ist und so berührt von dieser wundervollen Musik, dass darüber alles zäh wird. Es hört sich alles sehr getragen, fast inbrünstig an. Aber das kann in fünf Stunden schon sehr anstrengend werden.
So geht es auch dem singenden Personal auf der Bühne, das nicht recht mitgetragen wird, wenngleich sich alle sehr bemühen. Am besten kommt Katherine Lerner als Kundry noch klar mit der Partie. Michael Wagner als Gurnemanz bekommt vor allem im dritten Aufzug seine lange Passage der Karfreitags-Passage sehr eindrucksvoll hin, lediglich im ersten Akt braucht er Zeit, um sich ein wenig von der allgemeinen Ergriffenheit zu befreien.
Heiko Börners als Parsifal klingt im zweiten Teil, als er lärmend von Klingsohrs Zaubermädchen – dargestellt als Puff-Mädels – umgarnt wird, eher baritonal dunkel. Im dritten Aufzug aber gibt er den strahlenden Helden, der der Grals-Sippschaft so etwas wie Hoffnung geben könnte.
Freilich darf man nicht vergessen, dass es sich beim Landestheater Linz um ein mittelgroßes Haus handelt, das sich dieses Wahnsinns-Stück vorgenommen hat. Alleine das ist großer Mut und verdient allen Respekt. Und mit dem „Ring des Nibelungen“ hat das Haus ja schon einmal gezeigt, dass es Wagner kann. Mit dem Bruckner Orchester sitzen entsprechend erfahrene Musikerinnen und Musiker im Graben, die Großes wuppen können. An der musikalischen Qualität liegt es sicher nicht, dass der Abend trotzdem eher enttäuschend endet. Es ist ein bisschen zu viel gewollt – unterstrichen von einer Regie, die auch nicht recht weiß, was sie mit all dem Schmerz und der Erlösung so anfangen soll. Beispiel: Warum wird Parsifal mit Goldflitter gesalbt, während Kundrys Taufe lieblos unterm Wasserhahn stattfindet? Und warum im Friedensstück, in dem schon ein geschossener Schwan für große Wehklage sorgt, der Kinder-Parsifal am Ende ein Gewehr überreicht bekommt, auch das ist ein Rätsel.
So fehlt insgesamt eine Stringenz, was Teile des Publikums ebenso sehen. Es wird artig Bravo gerufen. Der Riesen-Erfolg ist es aber nicht. Vielleicht möchte man in Zeiten der Noch-Pandemie (obwohl nur empfohlen, trägt die überwiegende Mehrheit des Publikums freiwillig FFP2-Maske!) und Ukraine-Krieg ein bisschen mehr als Pathos.