Osterfestspiele Salzburg, Wagner, Christian Thielemann, Stephen Gould, Anja Kampe

Thielemann und die Wagner-Magie in Salzburg

Verquere Welt: Ostern findet zu Allerheiligen statt und Wagner in ziemlicher Perfektion – in Salzburg, bei den verkürzten und verschobenen Osterfestspielen, zum vorletzten Mal mit der Staatskapelle Dresden und ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann. Bei diesem Gastspiel unterstreichen sie mit Ausrufezeichen, dass die Trennungsentscheidung durchaus diskutabel ist (Beitragsbild: © Matthias Creutziger, Staatskapelle Dresden).

Die Tickets sind extrem teuer. Aber man bekommt auch was fürs Geld…:  eine Staatskapelle Dresden in Höchstform, gesangssolistisch erste Sahne und einen Dirigenten, der vor allem bei Wagner (voraussichtlich auch am letzten Abend bei Richard Strauss) in einer eigenen Liga spielt, in der es nur noch wenige gibt. Thielemann verknüpft im Wagnerfach viel Erfahrung mit noch mehr Liebe zur Musik und Wissen um Emotionen und deren Gestaltung. Sind dann auch noch die richtigen „Mitspieler“ an seiner Seite – wie in diesem Fall – ist Höchstform kein Zufall, sondern Können.

Zur Eröffnung der Osterfestspiele im Herbst 2021, quasi als einstündiges „Vorspiel“, steht Mozart auf dem Programm: das Requiem. Die Solisten Golda Schulz, Christa Mayer, Sebastian Kohlhepp und René Pape sowie der Bachchor Salzburg  (Leitung Christiane Büttig) musizieren mit der Staatskapelle Dresden in zum Teil entrückter Schönheit, dass man sich am Schluss nachgerade aus einer anderen Welt gerissen fühlt. Dieses Werk von Wolfgang Amadeus Mozart ist in seiner bedeutungsschwangeren Wucht durchaus die Kragenweite von Christian Thielemann. Gäbe es nicht den anderen Komponisten: Wagner.

Thielemann in seinem Element

Der steht am Sonntag (31. Oktober 2021) auf dem Programm der Osterfestspiele im Herbst. Und da ist Christian Thielemann sowas von in seinem Element, dass man sich tatsächlich die Frage stellt, wie es noch besser gehen soll.  

Das ist natürlich auch den Solisten und erneut der Staatskapelle zu verdanken. Da ist eine Freude an Werk und Tun spürbar, dass im ziemlich vollbesetzten Salzburger Festspielhaus gespannte und absolute Stille herrscht – bis zum Schluss, den der dirigierende Magier Thielemann so lange wie möglich hinauszögert. Irgendwann, nach gefühlten Minuten, wagt sich in den hinteren Reihen doch ein Bravo. Der Jubel bricht sich Bann und endet lange nicht. Immer wieder müssen Anja Kampe und Thielemann auf die  Bühne zurück. Er wiederum bleibt selbst oft am Rande stehen und applaudiert der großartigen Sängerin. Es gibt stehende Ovationen für einen perfekten Abend.

Erste Zutat für diesen Zauber ist das hohe künstlerische Level, das sich auf der Bühne vereinigt hat. Zu Beginn steht der erste Akt Walküre auf dem Programm. Stephen Gould ist bekannt als stimmlicher Hochleistungssportler, der scheinbar mühelos Tristan und Tannhäuser meistert. Hier hat er unsäglich große und unüberhörbare Begeisterung, singt den Siegmund in lustvoller Frische, als würde er gerade erst anfangen, junge Helden zu singen. 

Ein Genuss ist auch René Pape, der den „betrogenen“ Hunding mit großer Eleganz gibt. Leider ist die Partie halt relativ kurz, aber darum umso eindrücklicher. Mit Anja Kampe ist eine umwerfende Sieglinde gefunden, die sich als Brünnhilde weiter steigert. Ihre Stimme ist klar und voll, in der Höhe vor allem nie schrill oder gezwungen, was gerade bei Wagner oft vorkommt. Es sind, kann man sagen, alle im Flow (siehe Foto).

Und so ist schon nach dem ersten Teil der Jubel riesig.  Kampe, Gould und Pape müssen immer wieder auf die Bühne kommen, um den verdienten Lohn in Form von Applaus und Getrampel und Bravorufen abzuholen.

Hand in Hand dem Ende zu

Doch dann Teil 2: Siegfrieds Rheinfahrt, Trauermarsch. Quasi die „Hits“ der Götterdämmerung ohne stundenlange Akte vorher. Genau so muss es sein… Christian Thielemann scheint sich selbst übertreffen zu wollen und hat dabei eine Kapelle um sich, die handwerklich in der Lage ist, mit Genuss jeden Gipfel mit zu erstürmen. Und das tut sie auch: Da wackelt nichts, da kieckst nichts (was ja immer passieren kann),  Übergänge fließen weich durch den Saal. In diese vollendete Harmonie kommt der Schlussgesang von Brünnhilde, „Starke Scheite schichtet mir dort“, singt sie. Das musikalische Feuer lodert mit. Erst sachte, dann wild, zerstörerisch, bereit zu Ende und Neuanfang. Thielemann gelingt die Balance, in der sich die Sängerin und das Orchester finden und alle Hand in Hand dem Ende zutaumeln.  

Dann ist es vorbei. Es ist vollkommen still im Festspielhaus. Thielemann zelebriert diese magische Stille. Das könnte man als Manieriertheit abtun – oder als den wertvollen Moment verstehen,  in dem alle wieder zu sich kommen müssen, Musiker wie Publikum. Denn eigentlich möchte man nicht, dass es schon vorbei ist. Ist es aber dann doch. Es bleibt der Trost, dass dieser magische Abend konserviert wird. Im Radiosender Österreich 1 noch in der Mediathek, demnächst auch als CD bzw. DVD. 

 

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