Rheingold - immer noch Loge, Festspielpark Bayreuth, Bayreuther Festspiele 2021

„Immer noch Loge“ – extrem lebendige Puppen

Natürlich ist es kein „Rheingold“ in dem Sinne. Es ist ja auch Vormittag in einer außergewöhnlichen Festspielzeit und kein „Vorabend“ zum „Ring des Nibelungen. Aber der „Auftakt“ des Ring 20.21 im Rahmen von Diskurs Bayreuth lässt sich durchaus als spektakulär bezeichnen. Der See im Festspielpark Bayreuth ist Schauplatz des Auftragswerks „Immer noch Loge“. Die Musik stammt von Gordon Kampe, das Libretto von Paulus Hochgatterer, die das Stück „auf einem grünen Hügel“ verorten. Und dafür gehen sogar Sänger in Abendrobe baden.

Die Handlung bezieht sich weniger auf das Rheingold als auf die Götterdämmerung und was danach kommt: „Was bleibt von den Helden, wenn sie verbrannt sind?“, fragt Mutter Erda.

Die despotische Seniorin ist eine echte Sensation. Sie ist – eine Puppe, geschaffen vom mittlerweile ziemlich bekannten Nikolaus Habjan, der das überlebensgroße „Götterwrack“ im Rollstuhl auch spielt und zwar nicht irgendwo versteckt, sondern ganz offensichtlich. Und dennoch nimmt man Habjans Figur das Leben ab. Auch bei den drei Rheintöchtern, die in aufwendigen Masken stecken, weiß man manchmal nicht, in welcher steckt nun ein Spieler, in welcher nicht. Selbst wenn Stephanie Houtzeel, die Erda ihre wundervolle Stimme gibt, hinter dem Rollstuhl steht, zieht die „singende“ Erda den Blick auf sich.

Auch die Puppe muss den Text kennen

Das heißt aber auch:  Spiel, Musik und Gesang müssen extrem gut abgestimmt sein, dass nicht nur Sängerinnen und Sänger ihre Partien aus dem Effeff beherrschen müssen, sondern auch Puppenspieler Habjan. Das ist gelingt ziemlich beeindruckend.

"Immer noch Loge" Festspielpark Bayreuth, Bayreuther Festspiele 2021, Diskurs Ring 20.21
Schauen gruselig aus nach dem Weltenbrand – die Rheintöchter, dargestellt von Clara Rybaczek und Stephan Q. Eberhard, die auch die mittlere Figur mitspielen, beobachtet von Erda im Rollstuhl. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Das alles ist toll anzuschauen und mit scheinbar einfachen Mitteln umgesetzt. Bühnenbildner Julius Semmelmann hat in den See eine Schräge gebaut, an deren Ende die berühmte Wagner-Fahne, die zur Festspielzeit  auf dem Bayreuther Festspielhaus weht, über einer Art Sarg liegt. Es ist, stellt sich heraus, der Käfig, in dem die nach dem Weltenbrand ziemlich garstig aussehnden Rheintöchter, hervorragend als Maskenträger im See dargestellt von Clara Rybaczek und Stephan Q. Eberhard – Loge gefangenhalten. Er ist der einzig Überlebende des Dramas. Die Asche der Götter und Helden aus dem Ring werden zu heiteren Klängen in Gläser abgefüllt, bevor Erda das Urteil spricht. Das geht natürlich nicht gut aus für Loge – für die Seniorin allerdings auch nicht.

Die „Darsteller“, das sind neben Habjan und Erda auch Daniela Köhler und Günter Haumer, hat Semmelmann in schwarze Abendroben gesteckt – in denen sie sich (außer Houtzeel) tatsächlich tapfer ins Wasser begeben – und das ist dem Vernehmen nach ziemlich kalt und der Bayreuther Sommer lässt auch auf sich warten. Die Sopranistin Daniela Köhler verbringt im kalten Nass den Großteil ihrer Partie im Ein-Stunden-Stück, ohne auch nur eine Wimper im aufwendig gestylten Gesicht oder gar mit der Stimme zu zucken. Fabelhaft. 

Gelungener Tageseinstieg

„Immer noch Loge“ ist ein sehr gelungener Einstieg, einfach in einen Tag. Es muss nicht zwingend Walküre sein, was noch folgt. Tickets für dieses   „Rheingold“ sind frei verkäuflich und können bei Ticketmaster geordert werden.  29,50 Euro sind für diese Kunst erster Klasse wahrlich nicht zu viel verlangt. Und die Stühle sind ähnlich unbequem wie im Festspielhaus.

Kein Wagner-Verschnitt

Wer einen Wagner-Verschnitt sucht, sucht eher vergebens. Librettist und Komponist beschränken sich auf wenige Zitate und Anlehnungen. Aber die Musik ist hörenswert und tut nicht so, als wollte sie große Oper sein, sondern bleibt – gespielt von Musikern des Festspielorchesters – im Stil der Dreigroschen-Oper, manchmal angejazzt, insgesamt modern aber  harmonisch und keinesfalls nur für Freunde des experimentellen Klangs geschrieben. Im Programmheft gibt es das, was man sich an Opernabenden auch manchmal wünscht: Den Text zum Mitlesen, was in dem Fall aber nicht notwendig ist, denn der Gesang ist absolut verständlich.

Rheingold – Immer noch Loge ist kein Wagner-Ersatz, aber tolle Ergänzung dazu.  

Noch zwei Termine: 3. und 19. August, jeweils 11 Uhr. Übrigens: Trotz der Freiluftauffühung herrscht Maskenpflicht; auch eine vorherige Registrierung ist erforderlich.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ganz wunderbar ergreifend. Toll gesungen, toll gespielt. Wer waren die Maskenspieler? Sie sind hier gar nicht genannt. Ein großes Kompliment!

    Antworten
    • Regina Ehm-Klier
      30. Juli 2021 0:06

      Das waren Clara Rybaczek und Stephan Q. Eberhard und haben natürlich ebenfalls die Erwähnung verdient, zumal sie im See ganze Arbeit geleistet haben…

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