Meistersinger von Nürnberg, Semperoper Dresden 2020, Georg Zeppenfeld, Klaus Florian Vogt.

Dresden: Meistersinger nobel

Mit relativ kurzem, aber heftigen Applaus endet die Premiere der „Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner in der Semperoper von Dresden (26. Januar 2020). Ein Abend sehr nahe an der Perfektion – natürlich dank Christian Thielemann, der an der Reglern der Emotionen zaubert, und der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die dem bedingungslos folgt.  Dazu eine Sängerbesetzung zum Niederknien – mit gleichermaßener Leistung. 

Ein kurzer Schreck kurz vor dem Beginn: Alle haben ihre Plätze  eingenommen, freuen sich aufs Vorspiel, als ein Sprecher vor den Vorhang tritt. Das ist nie ein gutes Zeichen. Doch er gibt gleich Entwarnung, niemand sei ausgefallen,  alle sind an Bord. Wegen eines Notarzteinsatzes im Foyer verzögere sich der Beginn um fünf bis sieben Minuten. Hörbares Aufatmen in der Semperoper. Schließlich hatte Georg Zeppenfeld wegen einer Erkältung bei der Generalprobe ausgesetzt, man hatte Übles befürchtet. Aber alles gut!

Zeppenfelds Rollendebüt als Sachs

Und so erleben wir ein Rollendebüt vom Allerfeinsten. Georg Zeppenfeld als Hans Sachs hat einen großen Anteil an diesem so wunderbar noblen und völlig unaufdringlichen Musizieren. Das ist freilich nicht mit belanglos zu verwechseln. Denn das ist dieser Abend auf keinen Fall, zumindest nicht auf musikalischer Seite. Die ist Emotion pur, ohne sich selbst zu verlieren. Selbst im heftigsten Fortissimo bleibt alles transparent, kommt kein Klangbrei aus dem Graben, laut ist kräftig, aber plärrt nicht. 

Wer wird Meistersinger 2020? Szene Semperoper Dresden
Gesucht: der Meistersinger. Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Ach würde doch so eine Qualität auch von einer entsprechenden Regie begleitet. Jens-Daniel Herzog verortet die Meistersinger ins Theater, in eine Art „Nürnberg sucht den Supersänger“. Die Meister sind quasi das Besetzungsbüro, die Gesellen sind die Techniker. Und Sachs ist der Regisseur, in einem Büro mit Besetzungscouch (die aber nur zum Sitzen benutzt wird). 

Kitsch-Nerv schreit autsch

Wenigstens kommt es nicht ganz so schlimm, wie beim ersten Blick auf die Bühne befürchtet –  der Chor singt wirklich in einer Kirche sein Sonntagsgebet. Aber das ist nur Theater, die Kirche ist Kulisse und wird weggeräumt. Und so dreht sich die Bühne mal ins Regiebüro, mal auf die Bühnen-Bühne, auch eine Schusterstube gibt es. Als sich zum Schluss allerdings die grüne Plastikeiche hinniedersenkt, schreit der Kitsch-Nerv schon autsch, auch wenn‘s ja nur Theater im Theater ist.

Immerhin: Die Regie von Jens-Daniel Herzog stört die Musik nicht – was Christian Thielemann wohl auch niemals zulassen würde, weshalb man sich darauf verlassen kann, dass, wenn er am Pult steht, die Regie mindestens die zweite Geige spielt. Einzig Katharina Wagner konnte sich bei „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen (bis 2019) der Dominanz des begnadeten Wagner-Dirigenten etwas widersetzen. Ansonsten ist spannende Regie eher die Ausnahme bei Thielemann’scher Musik. Schade eigentlich, wie man auch im Sommer 2019 sah (hörte), als Thielemann den großartigen Tannhäuser bei den Bayreuther Festspielen (Regie: Tobias Kratzer) als Einspringer dirigierte, leider nur ein Mal.

Will dann doch kein Meister sein: Klaus Florian Vogt als Walther
Will dann doch kein Meister sein: Klaus Florian Vogt als Walther von Stolzing. Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Aber zurück nach Dresden und musikalischer Weltklasse: Hat man Klaus Florian Vogt schon so befreit, so kraftvoll gehört? Eher nicht, weshalb es dann nicht so ganz verständlich ist, warum es am Ende einige Buhs gibt. Camilla Nylund beweist erneut als Eva ganz große Klasse, Christa Mayer ist ohnehin eine ganz tolle Sängerin, auch hier als Magdalene. Als ausgezeichnete Wahl erwies sich auchSebastian Kohlhepp als David.

Christa Maier, Sebastian Kohlhepp
Flieder, Mond – nach der Prügelszene: Christa Mayer als Magdalene und Sebastian Kohlhepp als David. Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Tolle Meistersinger-Besetzung

Letzterer hat nach der Premiere auf Facebook ein Bild vom Quintett gepostet mit dem Text: Wahrscheinlich der emotionalste Moment… – wie recht er doch hat. Man muss sich zusammenreißen, nicht in spontanten Applaus auszubrechen und Zugabe zu fordern – was freilich an diesem Ort an dieser Stelle eher peinlich wäre. Hier bewährt sich die Regie, weil die fünf einfach nur auf der Bühne stehen dürfen und ihrn Job machen – und wie gut!

In der Schuststube der Meistersinger von Nürnberg an der Semperoper Dresden
Eine Schusterstube gibt‘s auch: Adrian Eröd als Beckmesser, Georg Zeppenfeld als Hans Sachs. Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

 

Sehr beeindruckend insgesamt die Besetzung: Adrian Eröd kennt man noch als Beckmesser bei den Bayreuther Festspielen, als Katharina Wagner ihren Regieeinstand mit sehr frechen „Meistersingern“ gab. Auch in Dresden begeistert Eröd mit starker Leistung als Beckmesser, nicht nur sängerisch. Vitalij Kowaljow gibt einen hervorragenden Veit Pogner, ebenso wie die „Meister“, angeführt von Oliver Zwarg als Fritz Kothner, durchwegs top besetzt sind. 

Und natürlich darf nicht die großartige Leistung des Chors unter der Leitung von Jan Hoffmann vergessen werden. 

Noch ein Kompliment an Christian Thielemann und seine Idee – so erzählt er es im Semperopern-Trailer – , Georg Zeppenfeld vor drei Jahren ermutigt zu haben, sich mit Hans Sachs zu befassen. Zeppenfeld zögerte zunächst, nahm die Herausforderung der Partie, die nicht nur monströs, sondern eigentlich nicht ganz seiner Stimmlage entspricht, an. Und siegte! Was für ein Debüt. Darstellerisch ist Zeppenfeld sicherlich keine Rampensau, sondern der Mann fürs Detail, einer, der Emotionen authentisch vermittelt. Und mit der Sachs-Partie nun sicherlich sein Meisterstück abliefert.

Diese Produktion in dieser Besetzung ist sicher Weltklasse und nobel vom Anfang bis zum Schluss.

Am Ende sind alle glücklich. Schlussszene.
Am Ende sind alle happy: Das Schlussbild von „Die Meistersinger von Nürnberg“ vor der Eiche, die natürlich nur Theater ist… Foto: ek

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