Ohne Peter Emmerich gäbe es festspieleblog.de nicht. Ich würde auch sicher nicht seit vier Jahren jährlich das Magazin „Hojotoho!“ konzipieren und schreiben. Vielleicht hätte sich ohne ihn auch meine Begeisterung für Richard Wagner und die Bayreuther Festspiele nicht über die Jahre so steigern können. Und mein Wissen darüber. Vieles davon weiß ich von Peter Emmerich. Dass ich überhaupt eintreten konnte, ins spannende Reich der Festspiele, habe ich ihm zu verdanken.
(Im Bild oben: Die letzte Pressekonferenz mit Peter Emmerich (links). Am 24. Juli 2019 stellt er die Gesprächsteilnehmer vor, Marie Luise Maintz, Kuratorin Diskurs Bayreuth, Festspielleiterin Katharina Wagner, Geschäftsführer Holger von Berg und Tannhäuser-Regisseur Tobias Kratzer)
2010 war es mir zum ersten Mal gelungen, Karten für die Bayreuther Festspiele zu bekommen. Ich jubelte über Ring II, einige Karten hatten die Festspiele zum ersten – und einzigen – Mal über das Kartenportal „Eventim“ angeboten, wie ich in diesem Sommer von Peter Emmerich erfuhr. Es war mein erster Festspielsommer und ich schrieb damals einen Blog, was für 2010 ziemlich fortschrittlich war. Jedenfalls gab es zu dieser Zeit keinen anderen Online-Auftritt zu den Bayreuther Festspielen. So wie das Internet insgesamt noch eine arg untergeordnete Rolle spielte.
Peter Emmerich wurde sicherlich nie der Online-Fex. Doch er fand es interessant und beobachtete das Ganze wohlwollend.
Als Tageszeitungsredakteurin fand ich diese neue Form des Schreibens sehr spannend. Da ich mein Privatvergnügen mit dem Beruflichen verknüpfen konnte, sprach ich in jenem August 2010 erstmals in der Pressestelle der Bayreuther Festspiele vor, in der Überzeugung, die Leute dort würden minimal mit den Feuilleton-Größen von Zeit oder Spiegel aufwärts reden.
So war es nicht. Die Mitarbeiter der Pressestelle dort waren unglaublich nett und hilfsbereit und ich fühlte mich schlichtweg willkommen. Ich konnte immer mal wieder vorbei kommen, im ersten Stock des Festspielhauses. Es gab ein Käffchen, einen Plausch, in freundlicher Verbindlichkeit und Informationen satt für die Bayreuth-Einsteigerin. Auf Peter Emmerichs Rat hin ging ich in jenem August 2010 zur Pressekonferenz von TAFF, einem Verein, der sich gerade gegründet hatte. Die Vorstandsmitglieder erklärten, warum sie diesen Verein ins Leben gerufen hatten. Christian Thielemann gab Schützenhilfe. Für mich eine Welt, die weit weg von meiner war.
„Bis nächstes Jahr dann“, verabschiedete mich Peter Emmerich am Ende dieser für mich unglaublich ereignisreichen Ring-Woche. „Dazu braucht man Karten, Herr Emmerich“, entgegnete ich, denn der Kartenkauf über „Eventim“ sollte ja nicht fortgesetzt werden, wie ich mittlerweile erfahren hatte. „Ooch, das wird schon“, so etwas in der Richtung sagte er und schmunzelte. Ab der kommenden Saison war ich ununterbrochen als Journalistin bei den Bayreuther Festspielen akkreditiert.
Seither bekam ich unglaublich viele Einblicke ins Festspielgeschehen, die ich nun seit 2014 erst in „festspieleblog.de“ verarbeitete und später dann auch im Print-Magazin Hojotoho – das Festspielmagazin von TAFF. Immer wieder lenkte der Pressechef meine Aufmerksamkeit zu Menschen und Geschichten, über die nicht alle berichteten. Und wenn man etwas wissen wollte über das Festspielhaus oder Zusammenhänge oder die Werke – es war zwar manchmal nicht ganz einfach das wandelnde Lexikon Emmerich zu erreichen, aber er sorgte dafür, dass am Ende doch immer alles gut wurde. Ganz überraschend hatte er im Juli noch eine Begebenheit über Wolfgang Wagner für das Magazin „Hojotoho!“ angeboten. Es war eine schöne Geschichte und super geschrieben.
Dass Peter Emmerich tot sein soll, ist unfassbar. Nur 61 Jahre alt durfte er werden. Er, diese Institution, der Gralshüter, er, der dafür sorgte, den Mythos Bayreuth bei aller Offenheit für Neues zu erhalten. Wie hätte man sich beim letzten Abschied vorstellen sollen, dass es der letzte sein wird?
Vergangene Woche hatte ich versucht, Peter Emmerich telefonisch zu erreichen, wegen ein paar Fragen zur nächsten Saison. Er war wohl grad nicht am Platz. Ach, egal, nächste Woche bin ich in Bayreuth, dann kann ich ihn ja bei der Gelegenheit fragen – hatte ich gedacht…
Beim Lesen des sehr einfühlsamen Nachrufs der Bayreuther Festspiele von heute hat mich vor allem die Passage angesprochen, in der von Peter Emmerichs beeindruckender Bildung die Rede war. Er hat sie nie vor sich hergetragen, heißt es im Nachruf. Und das ist sehr wahr. Er konnte auf jede Frage eine Antwort geben, wusste Namen, Besetzungen, Jahreszahlen, alles. Er konnte wortkarg sein, wenn ein Thema für ihn jetzt nicht spruchreif war, er konnte nicht erreichbar sein, wenn man dringend gerade jetzt etwas brauchte. Aber er war fair, hilfsbereit und nie arrogant. Ein Souverän, ja, eine Respektsperson.
Im letzten Jahr saßen wir wegen einer Geschichte zusammen, die ich recherchierte. Das Fenster stand offen, Christian Thielemann zelebrierte im Graben gerade den Schluss von „Tristan“. Wir sahen uns das am Bildschirm in Peter Emmerichs riesigem Büro an und fanden es wieder einmal großartig, bevor wir uns am mit Arbeit und Unterlagen überfüllten Tisch setzten. Wir rauchten eine Zigarette, und nachdem ich alle Infos über das Thema hatte, ließ ich noch die Bemerkung fallen, dass das jetzt schon meine zehnte Saison sei bei den Bayreuther Festspielen, und dass ich niemals gedacht hätte, so lange Zeit Jahr für Jahr hier zu sein. „Daran hast du einen großen Anteil, dafür bedanke ich mich wirklich“, sagte ich ihm. Immerhin konnte ich noch Danke sagen.
Einmal, bei einem Fest, saß ich mit am Tisch der Pressestelle, beeindruckt, hier anwesend sein zu dürfen. „Und ich weiß nicht, warum das so ist…“, sagte ich ehrlich erstaunt zu Peter Emmerich. „Ach, wissen Sie, manche Dinge sollte man nicht hinterfragen, sondern sie einfach annehmen“, fand Peter Emmerich, mit dem ich mich erst seit diesem Jahr duze.
An seinen Satz von damals habe ich mich seither oft und gern erinnert, weil er so wahr ist. Er hat so etwas von Gelassenheit. Niemals hätte ich gedacht, dass ich diesen Satz einmal in Zusammenhang mit Peter Emmerichs viel zu frühem Tod bringen würde.
Danke Peter, du wirst fehlen.
Regina Ehm-Klier