Tristan und Isolde, Bayreuther Festspiele, letzte Saison für die Inszenierung von Katharina Wagner.

Mit „Tristan und Isolde“ ist Schluss

Der Vorteil am Ende der Festspielzeit: es gibt kein morgen. Addiert mit der Tatsache, dass es auch diese Inszenierung von „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen nicht mehr geben wird, lässt sich in etwa erahnen, was man am letzten Spieltag erlebt hat. Eine sensationelle Aufführung mit Abschiedsschmerz. 

Pure Freude statt Druck

So ein „letztes Mal“ könnte seine Tücken haben. Jeder will dann ja nochmal sein Bestes geben, was extrem verkrampft enden könnte. Könnte. Ein Glück, dass das Team von Tristan und Isolde an diesem besonderen 28. August 2019 mit diesem Druck umgehen kann und daraus pure Freude macht, was natürlich Christian Thielemann zu verdanken ist. Der will das Stück ja jetzt wieder  „einmotten“. Zuvor aber kosten er und das Orchester jeden Takt noch einmal aus.

Gould – der Tristan schlechthin

Auf der Bühne ist das nicht anders. Stephen Gould ist der Tristan schlechthin. Wer ihn an diesem Abend gehört hat, wird das unterstreichen. Gould fiebert sich leidenschaftlich durch seinen letzten Tristan-Traum, singt ihn kolossal perfekt und schlafwandlerisch sicher. Später wird er glücklich sagen, dass die Partie doch ein bisschen schwerer ist als die des Tannhäuser. Man hat es ihm nicht angehört!

Auch Petra Lang ist als „Isolde“ angekommen. Sie ist eine großartige Darstellerin und fühlt sich hörbar in der Partie wohl. Unglaublich gern erlebt hat man in allen fünf Tristan-Jahren Christa Mayer als Brangäne. Ihre Stimme gibt sämtliche Emotionen authentisch und niemals angestrengt wider – von zwar bis warnend. Wundervoll.

Was möchte man an Georg Zeppenfeld kritisieren? Nichts. Im Gegenteil. Nicht umsonst gehört er zu den Publikumslieblingen. Selbst wenn er  mit der Interpretation des Marke als rachsüchtiger Alter nicht so viel anfangen kann – er setzt ihn brillant um und gibt der Inszenierung, die nun mal innere Handlung und nicht fröhliche Komödie ist, seine eigene Note. Sein unglaublich eleganter Bass ist vielfach gelobt und beschrieben. Eine Wucht.

Kaum Wechsel in fünf Jahren

Tristan und Isolde lebten mit Ausnahme des ersten Jahres von Kontinuität, was der Inszenierung von Jahr zu Jahr deutlicher anzumerken war. Gab es in den ersten Jahren noch viel einstudiert wirkende Bewegungen, sind nun alle deutlich freier in ihrer Darstellung geworden. So konnte ein letzter Wechsel in diesem Jahr, Greer Grimsley als Kurwenal, gut integriert werden. Von Anfang an dabei, auch das sei vermerkt, ist Tansel Akzeybek als Hirt und Junger Seemann, also derjenige, der die ersten Takte und das ohne Orchester zu meistern hat,  Kay Stiefermann als Steuermann und Raimund Nolte als Melot – allesamt Solisten, die mit für den perfekten Abend sorgen.

Das Ergebnis ist natürlich vor allem Verdienst von Christian Thielemann als musikalischem Leiter. Jahrelang hat er vor der Bayreuth-Premiere 2015 „Tristan und Isolde“ nicht angerührt, auch jetzt will er dieses emotional alles abfordernde Werk wieder vorübergehend wegpacken, wie er im Interview sagte. Aber bevor es soweit ist,  gab er nochmal Vollgas mit dem Orchester der Bayreuther Festspiele, mit dem „er spielt wie auf einem Klavier“. So beschrieb kürzlich ein Musiker die Arbeit mit Thielemann. Die über 100 Damen und Herren folgen ihm begeistert. Mehr, weniger Dynamik; eine Instrumentengruppe betont, eine zurückhaltend; atemberaubende Pausen. Da holpert nichts, da verkiekst niemand. Umso sympathischer, dass sich das Orchester am Ende mit dem Musikdirektor auf der Bühne zum letzten Schlussapplaus der Saison 2019 präsentiert und sich mit ihm und dem Publikum über diesen großartigen Abend freuen kann. 

Anpöbeln inbegriffen

Bleibt zum Schluss die Regie von Katharina Wagner: Die Festspielleiterin, ihr Dramaturg Daniel Weber und Bühnenbildner Frank Schlößmann treten ebenfalls auf die Bühne, gemeinsam mit den Statisten. Und wieder bricht ein großes Buh aus, was allerdings von erst recht lauten Bravi von faireren Publikumsteilen gekontert wird. Trotzdem darf man sich fragen, wie diese Unzufriedenen bei einem Herrn Regisseur Huber, Mayer oder Müller reagieren würden. Jemand, der nicht gerade die Festspielleitung innehat. Ob da nicht der Widerling Marke oder der verweigerte gemeinsame Liebestod von Tristan und Isolde als „interessanter Ansatz“ diskutiert und gefeiert würde. Eine Festspielleiterin darf man indes scheinbar per se mal anpöbeln. Das ist  billig und angesichts des aktuell hohen künstlerischen Niveaus der Bayreuther Festspiele überdies fragwürdig. Was gibt es daran eigentlich auszusetzen?

All das ist sicher nicht schön, aber das gehört bei Katharina Wagner zum Job und wird verkraftbar sein. Umso netter die Geste, dass ihr Team, das sich in diesen fünf Jahren „Tristan“ in ihrer Regie offensichtlich sehr wohl gefühlt hat, sie zur weiteren Verbeugung mit vor den Vorhang nimmt – allen bösen Buhs zum Trotz.

Letzte Aufführung Tristan und Isolde Bayreuther Festspiele 2019, 28. August 2019
Letzte Vorstellung „Tristan und Isolde“ – der letzte Applaus für das gesamte Team. © R. Ehm-Klier, festspieleblog.de

 

Es war ein würdiges Ende der Festspielsaison 2019 – schade, dass es tatsächlich kein morgen mehr gibt. Sondern nur die nächste Festspielsaison. Sie beginnt traditionell am 25. Juli. 2020 mit „Die Meistersinger von Nürnberg“.  

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