Gelungene Vorstellung der Kinderoper der Bayreuther Festspiele in Tokio im März 2019

Kinderoper als Exportschlager

Die „Kinderoper“ geht in diesem Jahr in ihre elfte Spielzeit bei den Bayreuther Festspielen. 2009 von Festspielleiterin Katharina Wagner ins Leben gerufen, entwickelt sich das Projekt „Wagner für Kinder“ der Bayreuther Festspiele zum Exportschlager. Gerade wird die Kulisse von „Der Ring des Nibelungen“ von 2018 für eine Aufführung in Helsinki vorbereitet (Link zum Podcast am Ende dieses Berichts). Im März 2019 begeisterte „Der fliegende Holländer“ aus Bayreuth für große Begeisterung beim Tokio Spring Festival. Hier ein Bericht von Toni Schmid, der der Aufführung beiwohnte.

Der fliegende Holländer in Tokio

Dass sich Wagners Opernwelt kaum irgendwo auf dem Erdball größerer Popularität erfreut als in Japan, ist bekannt. Zahlreiche Sänger, Dirigenten, Orchester und Regisseure aus Ost und West erhalten jedes Jahr freundliche Einladungen japanischer Veranstalter, ihre Wagner-Expertise vor japanischem Publikum unter Beweis zu stellen. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich allerdings auch eine beachtliche Kompetenz einheimischer Künstler auf diesem Gebiet entwickelt. Nachprüfen konnte man das auch im März 2019 beim Tokyo Spring Festival, bei dem nicht nur eine beeindruckende Reihe von Weltstars der klassischen Musik wie Igor Levit, Ricardo Muti oder Bryn Terfel zu bewundern war. Unter den japanischen Teilnehmern war auch Tokios Opernhaus, das eine eigene Produktion des „Fliegenden Holländer“ präsentierte – mit  großem Erfolg!

Womit wir bei Herrn Suzuki wären. Eigentlich ist er ja bekannt als der Doyen des Internet in Japan, so etwas wie der japanische Steve Jobs, mit dem er dem Vernehmen nach zeitweise zusammengearbeitet hat. Koryphäen wie Koichi Suzuki (im Bild oben mit Festspielleiterin Katharina Wagner und Solisten) haben neben ihrem eigentlichen Fachgebiet oft  noch einen Bereich, den sie begeistert pflegen. Bei Herrn Suzuki ist das die klassische Musik. Während des Tokyo Spring Festivals etwa – dessen wichtigster Sponsor und Mäzen er ist – besucht er täglich ein Konzert, mindestens! Er strahlt vor Vorfreude, wenn er nur daran denkt. Und dann ist er noch – für einen Japaner bekanntlich nicht ungewöhnlich – begeisterter Wagnerianer. In Bayreuth ist er seit Jahren Stammgast, und zwar ohne dass dies in der Stadt abseits des Grünen Hügels irgendjemandem aufgefallen wäre.

Jetzt ist es nur noch ein Satz bis zum Thema! Herrn Suzukis Festspielleiterin Naoko Ashida ist nämlich auch in Bayreuth und schaut sich eines Tages Katharina Wagners Lieblingsprojekt „Wagner für Kinder“ an, findet es toll und setzt zum assoziativen Dreisprung an: Tokyo-Spring-Festival – „Der fliegende Holländer“ der Tokio-Oper – Wagner für Kinder. Das Ergebnis ist eine Einladung an Katharina Wagner, die bereits in Bayreuth gezeigte Kinderfassung des „Holländer“ in Tokio zu zeigen. Mit jungen japanischen Sängern und Musikern unter der Stabführung von Daniel Geiss, normalerweise Cellist im Bayreuther Festspielorchester.

Von Anfang an war den Beteiligten klar: Das muss eine zweisprachige Version der Oper werden! Die gesungenen Passagen in der Originalsprache, die gesprochenen in Japanisch, damit die Kinder die Handlung verstehen können. Noch ein Alleinstellungsmerkmal wird der „Holländer für kids“ in Tokio haben: Die Aufführungen werden in der stylischen, aber schlichten Lobby einer Großbank gezeigt, die sich vom Raumangebot und von der Akustik her als ideal erweist. 

Es hilft wohl, dass der CEO und seine Gattin Wagner-affin sind. Sie haben Herrn Suzuki schon zu den Bayreuther Festspielen begleitet. Vielleicht hilft es auch, dass die Bank mit Software von Herrn Suzuki arbeitet.

Da die Bank ihren Eingangsbereich verständlicherweise auch für dessen ursprüngliche Zwecke nutzen muss, ist die Probenzeit äußerst begrenzt. Bei den Proben zeigt sich, dass die jungen japanischen Sängerinnen und Sänger nicht nur über ansteckenden Enthusiasmus verfügen, sondern auch über großes stimmliches Potenzial und bemerkenswertes darstellerisches Talent. Einziges Problem: Wenn sie deutsch singen, versteht ein deutscher Hörer kein Wort. Was den japanischen Kindern vermutlich egal wäre, weil sie auch perfektes deutsch nicht verstehen würden. Regisseurin Katharina Wagner allerdings leidet sichtlich. Und so geht sie mit jedem Sänger, jeder Sängerin Wort für Wort des Gesangstextes durch, das berühmte „Wagner-Spucken“ des Konsonanten am Wortende inklusive.

Noch eine Besonderheit der Probenzeit: Hauptsponsor Suzuki schaut immer wieder vorbei, versichert sich, dass die Künstler versorgt sind, lädt für den Abend zum Essen ein, kurz: kümmert sich, wie das hierzulande kaum vorstellbar wäre.

Dass bei der Premiere die Kinder als die eigentlichen Adressaten immerhin zwei Drittel des Publikums stellen, hat vielleicht auch mit der originellen Preisgestaltung zu tun: Kinder zahlen einen extrem niedrigen Eintrittspreis; Erwachsene, die ein Kind begleiten „nur“ das Doppelte. Noch einmal doppelt so viel zahlen nämlich Erwachsene, die ohne Kinder kommen. Kinderlose Erwachsene, die die Produktion  sehen und gleichzeitig Geld sparen wollen, können sich ja beispielsweise das Kind der Nachbarn ausleihen!

Die Premiere hält noch eine faustdicke Überraschung für die kleine Bayreuther Crew um Katharina Wagner bereit: Eine geschlagene Stunde – so lange dauert der Holländer für Kinder – geben die Kleinen keinen Mucks von sich, verfolgen konzentriert das Geschehen auf der Bühne, fühlen mit den Figuren mit und liefern nebenbei den Beweis, dass das Format „Wagner für Kinder“ auch außerhalb des deutschen Sprachraums bei der Zielgruppe funktioniert. 

Am Ende lang anhaltender, herzlicher Beifall von Kindern und Erwachsenen und nicht enden wollende Schlangen von Kindern, die sich mit den Protagonisten Senta, Erik und Daland fotografieren lassen wollen, während sich Herr Suzuki, Naoko und Katharina Wagner über „Wagner für Kinder“ beim Tokio Spring Festival 2020 unterhalten.

Nachwuchs-Wagner weltweit

Von der Bayreuther Kinderopern-Bühne in die weite Welt: Tannhäuser von 2017 wird  in San Juan (Puerto Rico) gezeigt; Der „Ring für Kinder“ von 2018 gastiert demnächst im finnischen Helsinki. Und auch über ein weiteres Gastspiel beim Tokyo-Spring-Festival wird verhandelt.

Wie das Bühnenbild „Der Ring des Nibelungen“ für ein internationales Gastspiel verpackt wird, zeigt ein Podcast, der hier zu finden ist.

Wagner für Kinder in Tokio begeistert
Geht auch auf japanisch: Die Kinderoper „Der fliegende Holländer“ aus Bayreuth entpuppt sich in Tokio als Exportschlager. © Toni Schmid

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