Ein Regiebuch der Bayreuther Festspiele ist zwar eine Stück eines großen Namens, aber eben nur ein Stück davon. Wenn sich ein sehr ambitioniertes, aber eben doch mittleres Haus wie das Landestheater Linz nun mit den Festspielen schmückt, bleibt es nicht aus, dass man sich auch damit messen lassen muss, zumindest ein bisschen. „Tristan und Isolde“ aus der Regie von 1993 von Heiner Müller steht seit dem 15. September 2018 auf dem Spielplan des Landestheaters.
Stück mit Minimalregie von Heiner Müller
Es versteht sich fast von selbst, dass der Vergleich schwierig wird, zumal genau diese Produktion zwar 25 Jahre alt, aber noch jung genug ist, dass es bereits Mitschnitte gibt, abrufbar in Teilen oder komplett bei Youtube. Und man stellt fest, dass in diesem Minimalregie-Stück alles auf zwei grandiose Sänger und Darsteller zugeschnitten ist: Waltraud Meier und Siegfried Jerusalem, damals in ihren Bestzeiten. Während des Prämierenabends (15. Sepember 2018) im Linzer Landestheater wird man den Eindruck manchmal nicht los, dass das Video zur Einstudierung oft geklickt wurde, und sich die Mitwirkenden weniger auf ihre eigene Authentizität verlassen, stattdessen nachspielen wollen, was damals geschah.
Zweite Premiere nach Lyon
Dem Vernehmen nach waren die Bayreuther Festspiele selbst überrascht, dass die Operà de Lyon 2017 unter ihrem neuen Intendanten Serge Dorny „Tristan und Isolde“ von Heiner Müller auf den Spielplan brachte, stellte aber trotzdem die noch vorhandenen Kostüme von Yohji Yamamoto zum Nachschneidern zur Verfügung. Dass es ausgerechnet Heiner Müllers „Tristan“ war, der nun wiederentdeckt wurde, ist Stephan Suschke zu verdanken, der damals in Bayreuth als Regieassistent von Heiner Müller tätig war und heute Schauspieldirektor am Landestheater Linz ist. So kam es schließlich auch zur Kooperation zwischen Lyon und Linz, wo nun die zweite Premiere gefeiert wurde. Suschke übernahm ist szenischer Leiter.
Eine Inszenierung, die manches Abonennten-Publikum offensichtlich auch 25 Jahre nach der Premiere noch verstört. Denn es passiert – nichts oder zumindest wenig, weshalb nach dem ersten Akt der eine oder andere Platz im ausverkauften Haus leer blieb.
Die Bühne von Erich Wonder lebt durch intensive Farben von orange im ersten Akt über intensives Türkis im zweiten bis zu todgrau im dritten oder vielssagendes Schwarz für das Paar im zweiten Akt, nach Brangänes Ruf.
Strahlender Liebestod
Ein Stück in dem weniger zu sehen ist, als das zu spüren, was zwischen den handelnden Personen passiert, lebt freilich nicht nur von der darstellerischen, sondern auch der musikalischen Leistung. Hier hat Linz ein recht glückliches Händchen mit der Besetzung gezeigt. Vor allem die niederländische Sopranistin Annemarie Kremer meistert die Partie der Isolde sehr gut und hat am Ende noch genügend Potenzial für einen starken Liebestod, den sie allein an der Rampe im goldenen Kleid, in dem sie sich aus dem ganzen Grau um sich herum abhebt, geradezu strahlend erleidet.
Auch Tristan Heiko Börner teilt sich seine Kräfte gut ein, wenngleich sein Tristan in Teilen eben doch sehr sparsam oder angestrengt wirkt. Hier zeigt sich, dass es eben nicht so einfach ist, Wagner auf die Bühne zu bringen – es braucht entweder viel Personal oder grandiose Sänger, die Mammutpartien bis zum Schluss durchstehen. Und davon gibt es auf der Welt nicht so viele.
Orchester und Dirigent die Stars
Eine erstaunliche Entwicklung legt an diesem Abend das Bruckner-Orchester unter seinem im letzten Jahr installierten Chef Markus Poschner hin. Eine gewisse Manieriertheit mit dramatisierenden Generalpausen im Vorspiel des ersten Akts ist vielleicht der Premiere geschuldet. Aber alles gewollt Wirkende ist nach der ersten Pause wie weggeblasen und so sind Orchester und Dirigent zurecht die Stars des Abends, die diesen „Tristan“ zu einem sehens- und vor allem hörenswerten Erlebnis machen.
Eine Reise nach Linz lohnt sich für diesen „Tristan“ auf jeden Fall – übrigens auch wegen der unglaublich bequemen Sitze und hervorragenden Sichtverhältnisse sowie den Aussichten auf eine Karte. In diesen Vergleichskategorien gewinnt das oberösterreichische Haus ganz klar gegen Bayreuth.
Die nächsten Termine:
Sonntag, 23. September 2018;
Sonntag, 30. September 2018;
Sonntag, 7. Oktober 2018;
Sonntag, 4. November 2018;
Samstag, 22. Dezember 2018;
Dienstag, 25. Dezember 2018;
Sonntag, 6. Januar 2019;
Sonntag, 3. Februar 2019;
Sonntag, 10. Februar 2019;
Beginn jeweils 17 Uhr.
Weitere Infos über Karten und Besetzung gibt es hier, beim Landestheater Linz
Titelbild: Heiko Börner und Annemarie Kremer als Tristan und Isolde am Landestheater Linz. Foto: Reinhard Winkler