Wo Bayreuther Festspiele draufsteht, steckt Aufwand drin – also auch in der Kinderoper. „Wagner für Kinder“ gibt’s in diesem Jahr zum zehnten Mal – und mit „Der Ring des Nibelungen“ ist ein würdiges Jubiliäumswerk entstanden.
Für die vier Geschichten, die auch in dieser auf knapp zwei Stunden gekürzten Ring-Version (Katharina Wagner und Markus Latsch) erzählt werden, hat Bühnenbildner Julius Theodor Semmelmann einen zauberhaften Zauberkasten geschaffen. Wenn er sich schließt, wechselt im Innern die Kulisse. Dann ist die Trutzburg Wallhall zu sehen oder die Höhle von Mime und Alberich, es gibt den lodernden Feuerring für Brünnhilde, hier wütet der Drache Fafner und wogt der Rhein mit den Töchtern. Sehr aufwendig ist das alles gestaltet und doch mit ganz ursprünglichen Theatermitteln. Und weil die Bühne so kompakt gestaltet ist, kann dieser dieser Ring des Nibelungen im Zauberkasten von den Bayreuther Festspielen erstmals auf Tournee geschickt werden, samt Kostümen, Kulissen und Regiebuch. Es ist zu hoffen, dass die Nachfrage groß sein wird!
Kinder packen mit an
Der Ring für Kinder ist ein wunderbares Märchen, in dem es keine Titelfigur in dem Sinne gibt, sondern viele wichtige Götter, Halbgötter, Gute und Böse.
Am Anfang, während das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) unter seinem Dirigenten Azis Sadikovic die Rheingold-Ouvertüre spielt, rummst es von innen gegen das geschlossene Tor, als würde es klemmen. Tut es natürlich nicht. Die Tür öffnet sich, Alberich, der hässliche Zwerg, fällt heraus und gibt den Blick erstmals auf die Bühne frei, wo die zauberhaften Rheintöchter scherzen und das „Wasser“ in Form von türkisfarbenem Stoff herausschwappen lassen – bis zu den Kindern im Zuschauerraum, die gleich fleißig beim Wogen helfen.
Meisterleistung bei Bühne und Kostüm
So gelungen wie die Kulissen sind die Kostüme. Es handelt sich um Entwürfe von Kindern. Initiatorin Katharina Wagner ruft jedes Jahr Schulen zum Kostümwettbewerb auf, reist auch hin, um die Idee zu vermitteln. Wie gut das gelingt, ist einmal mehr in der zehnten Produktion zu bewundern: an den Bösewichten Mime und Alberich, den schönen Rheintöchtern, dem hinreißenden Waldvöglein, der Walküre Brünnhilde und Held Siegfried oder Hunding, der in Puschen durch die Szene stolpert.
Für die Umsetzung sorgen Studierende aus dem Studiengang Maskenbild Theater und Film der Theaterakademie August Everding. Und ihnen sind wahre Meisterstücke gelungen – vor allem die beiden Riesen Fafner und Fasolt sorgen ein bisschen für Gruselstimmung bei den Kindern. Drei Meter hoch sind sie und stapfen von der Bühne herunter, zeigen sich aber vor den jungen Zuschauern in den ersten Reihen von ihrer freundlichen Seite. Singen können die Riesen übrigens obendrein trotz dieser Montur.
Es gibt aber auch viel zu lachen. Loge, dargestellt von Stefan Heibach, will Freia, Ji Yoon, in Obelix-Manier die Jugend-Äpfel abluchsen, aber die gibt es nur für echte nicht für Halbgötter. Siegfried, Vincent Wolfsteiner, gibt einen niedlich naiven Siegfried und spannt in „Walküre“ als Siegmund „Pantoffelheld“ Hunding (herrlich wütend: Sebastian Pilgrim), die Sieglinde, Christiane Kohl, aus und holt sich später „den Felix“ aus dem Orchester, der das Horn blasen soll, weil er, Siegfried, gerade keines zur Hand hat.
Jukka Rasilainen, der erfahrenste Recke unter den Kinderopern-Darstellern, gibt einen freundlich-arglosen Wotan bzw. Wanderer (Bild oben). Walküre Brünnhilde, dargestellt von Daniela Köhler, singt am Ende sehr traurig, weil Hagen, Timo Riihonen, ihren Siegfried gemeuchelt hat. Hier ist übrigens der einzige vollständige „Hit“ aus dem Ring des Nibelungen zu hören: der Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“ wird komplett vom Orchester gespielt, was natürlich den großen Zuschauern besonders gut gefällt.
Am Ende geht der Ring wieder an die Rheintöchter zurück, die sich singend sehr darüber freuen. Der Zauberkasten schließt sich, die letzten Klänge des Orchesters verhallen. Und es wirft sich wieder jemand von innen gegen das Tor. Der „Ring“ hat kein Ende, dem Untergang folgt der Neuanfang, das ist die Aussage der Geschichte.
Elf Ring-Vorstellungen
Für die rundum gelungenen elf Vorstellungen auf der Probebühne IV haben die Sängerinnen und Sänger wochenlang unter der Regie von David Merz, Regiestudent an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, und Assistentin Sophia Binder, geprobt. Wie gesagt, wo Bayreuther Festspiele draufsteht, ist Qualität drin. Und die gefällt dem Publikum, das am Ende begeistert klatscht und trampelt.
Aber auch Wagner für den Nachwuchs erfordert Sitzfleisch. Das 16-Stunden-Stück ist zwar von Katharina Wagner und Markus Latsch hervorragend gekürzt und sogar mit einer Pause versehen worden. Knapp zwei Stunden sind für Jüngere aber auch durchaus eine Herausforderung, zumal das Stück ausdrücklich ab sechs Jahren empfohlen ist. Bei einigen Kindern konnte es Mama oder Papa offensichtlich gar nicht schnell genug gehen, sie zur „Kinderoper“ begleiten zu dürfen. Denn Zutritt haben hier Erwachsene in den meisten Fällen nur als Begleitperson.
Wie immer wurde die Produktion auch für eine DVD-Produktion gefilmt. Das Werk soll noch während der Festspiele erscheinen und kann im Festspiel-Shop der Bayreuther Festspiele bestellt werden.