Georg Zeppenfeld zählt zu den Publikumslieblingen bei den Bayreuther Festspielen. 2010 gab er sein Debüt als König Heinrich in Lohengrin. Es folgten beschäftigungsreiche Jahre mit dem Höhepunkt 2016 mit drei Partien: König Marke in Tristan und Isolde, Gurnemanz in Parsifal und außerdem als Einspringer Hunding in Walküre. Dann wurden die Rollen gewechselt und das geht auch weiter so. 2018 singt der 50-Jährige zwar nicht mehr in Parsifal, wechselt dafür in die Neuproduktion „Lohengrin“ als König Heinrich und kehrt auch als Marke zurück. Über die Rollenwechsel, über die Anforderungen als Sänger und verschiedene Regieansätze spricht Georg Zeppenfeld im Interview (Beitragsbild: © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele).
Wie kam’s, dass Sie in diesem Jahr nicht mehr Marke singen?
Georg Zeppenfeld: Nachdem ich eine Anfrage für eine Neuproduktion „Lohengrin“ 2018 in London erhalten hatte, deren letzte zwei Vorstellungen in der Bayreuther Probenzeit liegen würden, habe ich die Festspielleitung um eine Stellungnahme gebeten, ob sich das vereinbaren ließe. Ich wurde daraufhin nicht wieder besetzt.
Keine Zeppenfeld-Festspiele
Und Günther Groissböck übernimmt nächstes Jahr Gurnemanz?
Ja, richtig. Es tut mir wirklich leid, dass ich Gurnemanz abgeben muss. Aber es ist nun einmal so entschieden worden. Es sind ja auch keine Zeppenfeld-Festspiele…
2018 singen Sie also König Heinrich in Neuproduktionen in London am Royal Opera House und hier in Bayreuth?
Nach den Absagen für Parsifal 2018 und Tristan 2017 habe ich London natürlich zugesagt. Und die Festspielleitung hat mir die Teilnahme an der Neuproduktion des kommenden Jahres ermöglicht, obwohl ich jetzt natürlich nicht mehr durchgehend für Proben zur Verfügung stehe.
Gibt’s dann einen Ersatz für Gurnemanz?
Es kommt ja Tristan 2018 wieder, wenn auch gesplittet, also nicht alle Termine.
Das sind dann beide Produktionen unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann.
Ja, das finde ich sehr schön. Wir haben ja auch in Dresden schon den Lohengrin gemacht.
Das war ja auch eine aufregende Vorstellung.
Ja, vor allem für die Journalisten. Wir kannten ja die Inszenierung und hatten einfach nur mit neuem Personal zu tun (lacht).
Anna sollte sich das nochmal überlegen
Das Personal namens Anna Netrebko als Elsa.
Es waren drei Debütanten, die ihre Sache einfach aufsehenerregend gut gemacht haben: Piotr Beczała als Lohengrin, Anna Netrebko als Elsa und Tomasz Konieczny als Telramund, der hat das ganz hervorragend gemacht, fabelhaft.
Alle Augen waren auf die Netrebko gerichtet. Gibt es ein Kollegenurteil?
Ich fand sie großartig und finde es schade, dass sie die Partie wegen der Sprache nicht mehr singen will, wie sie es geäußert hat. Ich finde, sie sollte sich das nochmal überlegen.
Aber die Sprache, vor allem die Wagners, ist nun mal wirklich sehr schwierig.
Natürlich. Es ist viel Arbeit. Es ist auch für einen Deutschen sehr anstrengend, eine russische Oper zu lernen. Anna hatte in Interviews gesagt, sie habe zwei Monate an der Partie gearbeitet. Normalerweise mache sie sowas in sechs Wochen. Da wundert man sich schon. Jeder Muttersprachler lernt so eine Partie mindestens ein Jahr lang.
Belcanto als Raimondo
Singen Sie auch andere Partien als Wagner?
Ja, zum Beispiel gibt es in Dresden in der nächsten Spielzeit eine Neuproduktion von Lucia di Lammermoor – da kann ich wieder Belcanto singen, was mich wahnsinnig freut. Den Raimondo durfte ich vor einigen Jahren schon in der ungestrichenen Fassung in München singen, so wie jetzt in Dresden.
Also gerne etwas anderes als Wagner?
Wenn ich so etwas angeboten bekomme, mache ich das fast immer.
Und Neues aus dem Wagner-Repertoire?
Gibt es. Aber das kann ich jetzt noch nicht sagen.
Aber Sie entwickeln sich im Wagner-Fach weiter?
So sehr viele Möglichkeiten gibt es nicht mehr, weil ich das Fach weitgehend abgegrast habe. Aber man lebt ja auch mit den Partien. Den Gurnemanz singt man mit 45 anders als mit 60. Man wächst sicherlich in jeder Partie. Also bis jetzt wird’s mir noch nicht langweilig.
Stimmlich ist Gurnemanz leichter
Auch nicht beim zweiten König Heinrich in Bayreuth?
Sicher nicht. Die Partie ist ehrlich gesagt viel schwerer zu singen als Gurnemanz.
Gurnemanz gilt doch gemeinhin als anstrengende, weil lange Partie.
Stimmlich ist Gurnemanz für mich die entschieden leichtere Aufgabe. Allerdings muss er die langen Erzählungen so plastisch gestalten, dass einem das Publikum nicht einschläft. König Heinrich hingegen gibt meist Verlautbarungen von sich. Er tritt auf, sagt etwas mit Pauken und Trompeten, dann geht er in Standby bis er den nächsten Anlass für eine königliche Äußerung bekommt. Heinrich ist gesangstechnisch eine sportliche Aufgabe, weil es sich eigentlich um eine Partie für einen Zwitter aus Heldenbariton und Bass handelt. Das wird mich schon noch eine Weile beschäftigen.
Wankelmütiger König wie bei Hans Neuenfels bei den Bayreuther Festspielen; oder lieber die gediegene Variante in Uniform wie in Dresden in der Inszenierung von Christine Mielitz aus den 80ern. Ist das ein Unterschied für Sie?
Auf jeden Fall. Wobei ich auch in Dresden in jeder Sekunde etwas zu spielen hatte. Und ich finde die Produktion, die schon so viele Wiederaufnahmen hatte, immer noch gut. Was Kostüme und Bühnenbild angeht, so mit Fähnchen und Harnisch – das lädt natürlich ein, die Inszenierung konventionell zu finden.
Was liegt Ihnen näher?
Mir ist es wichtig, als Darsteller auf der Bühne ernst genommen zu werden. Wenn einem jemand zu verstehen gibt, dass er die Sänger auf der Bühne am liebsten gar nicht sehen würde, weil sie das Bühnenbild stören, wie das in München eher der Fall war (Anm. Tannhäuser in der Regie von Romeo Castellucci), dann ist man nicht besonders glücklich. Das stört zwar nicht beim Singen, aber es inspiriert einen auch nicht. Man möchte ja auch als Sänger sein Bestes geben und das kann man besser in einer Inszenierung, die einem auch einen Grund dafür gibt.
Und der Lohengrin von Regisseur Hans Neuenfels?
Natürlich musste man sich reinfuchsen in seine sehr unkonventionelle Sicht auf den König. Das war anstrengend, aber es hat sich dann auch gelohnt. Auch die Dresdner Inszenierung finde ich sehr plausibel, was da auf der Bühne zwischen den Figuren vor sich geht. Ich mag nur nicht, wenn nichts passiert.
Interessante Erfahrung in Tannhäuser
So wie im Münchner Tannhäuser?
Ich glaube, dass Herr Castellucci vor allem vom optischen Eindruck ausgegangen ist. Der Plot ist für ihn nur ein Anlass, quasi einen Assoziationsraum zu schaffen. Mit der Methode ist er ja sehr erfolgreich. Es gibt auch Stücke, mit denen das sehr gut funktioniert. Aber Stücke, die auf Handlung setzen, wo auch dramatische Momente passieren, die brauchen meiner Meinung nach etwas anderes. Die Qualität seiner Bilder ist ja unbestritten. Sein Handwerk kann er. Die Frage ist halt, ob es das richtige Handwerk ist für dieses Stück.
Wie kommt man sich da als Sänger vor, wenn es nur darum geht, starke Bilder zu erzeugen?
Im Prinzip überflüssig. Uns kam es so vor, als hätte diese Produktion auch mit Tonband, also als Installation, funktioniert.
Ist das die Zukunft der Oper oder einfach eine interessante Erfahrung?
Das wird die Zukunft zeigen. Aber die Reaktionen in München waren ziemlich eindeutig. Da haben sich viele Leute betrogen gefühlt. Es war ein interessantes Experiment. Auch wenn ich da als Sänger nicht ganz so zufrieden bin, ist das auch eine Erfahrung.
Gibt es für Sie eine Produktion, von der Sie sagen, das hat so richtig Spaß gemacht
Es gibt eine ganze Reihe von solchen Lieblingsproduktionen, keine, die ich besonders herausheben möchte. Ich finde moderne Inszenierungen gut, ich finde traditionelle gut. Hauptsache, ich spüre, da führt jemand Regie, der sein Handwerk beherrscht, der eine Zielvorstellung hat und der mir zutraut, dahin zu gelangen.
Werden Diskussionen erforderlich, wenn Sie mit einer Interpretation nicht einverstanden sind?
Absolut. Die gibt es dann auch. Und ein Regisseur, der weiß, was er tut, wird dem auch nicht aus dem Weg gehen. Man diskutiert ja nicht mit dem Regisseur, um ihm sein Konzept auszureden, sondern um es zu verstehen und vielleicht gemeinsam einen Weg zu finden, auf dem die Umsetzung noch ein Stück plausibler wird.
War das bei Parsifal der Fall?
Es hat Diskussionen am Rande und um einzelne Aspekte gegeben, in dem Umfang wie man es sich wünscht. Ich finde, diese Inszenierung erzählt das Stück. Das ist schon einmal sehr viel, weshalb es mich gewundert hat, dass es so schlecht wegkam in der Kritik. Uwe Laufenberg hat uns auch vieles selber machen und finden lassen und hat anschließend korrigiert oder erklärt, was er deutlicher haben wollte. Wenn man in einem so hohen Maße in einer Produktion involviert ist, ergeben sich nicht viele strittige Fragen, man fühlt sich von vornherein ernst genommen.
War das bei Tristan auch so?
Katharina Wagner hat die Richtung klar vorgegeben, wie sie den König Marke sehen möchte. Und sie wusste, dass ich die Figur anders sehe und auch warum, dass das nämlich sehr schwer zu vereinbaren ist mit der Musik. Aber sie hat mich auch machen lassen. An der Stelle berühren sich die zwei Regisseure. Sie wusste, dass ich eine andere Auffassung vertrete und hat mir trotzdem die lange Leine gelassen. Das muss man auch erst einmal können. Ich fand das beeindruckend. Da ist auf eine ganz andere Art und Weise etwas zustande gekommen, womit ich gut leben kann, ohne bei der Musik Abstriche machen zu müssen.
Spannende Erfahrung im Graben
Und dann waren’s in diesem Jahr doch wieder drei Partien mit Georg Zeppenfeld. Zu Gurnemanz und Hunding in der Walküre sprangen Sie in der Meistersinger-Premiere als Nachtwächter ein. Wie war’s?
Das war natürlich spannend, den Nachtwächter zum ersten Mal zu singen und im Graben zu sitzen, wo ich auch noch nie gesungen hatte.
Ach, der Nachtwächter sitzt im Orchestergraben?
Ja, zwischen den Kontrabässen und Hörnern. Ich habe den ganzen zweiten Akt da unten verbracht. Es war spannend zu erleben, was für einen Krach die Kollegen um die Ohren haben. Hier erfährt man auch einen anderen Effekt dieses Hauses, nämlich dass man im Graben die Bühne fast nicht hört. Und was man hört, hört man zu spät. Es stimmt, was einem immer gesagt wird: Du musst aufpassen, dass du nicht vor dem Orchester singst. Man muss also immer ein bisschen schleppen. Das konnte man da hautnah erleben. Und wie viel man schleppen muss, das fand ich fast erschreckend. Die Dirigenten, die sich damit arrangieren müssen, haben ab so sofort meinen besonderen Respekt.
Im vergangenen Jahr sprachen wir mit Georg Zeppenfeld u. a. über seine Anfänge als Sänger. Hier geht es zum Gespräch von 2016.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Sehr geehrter Herr Zeppenfeld,
Mensch „Zeppi“,
wir haben das Gefühl, dieses Interview hätte bei einem unserer kurzen, aber immer nachhaltigen
sonntäglichen Treffen stattgefunden. Wobei wir die qualifizierten Fragen nicht so hätten stellen
können. Aber die Antworten …. – wir hören Sie geradezu von Ihnen (Dir).
Bitte tun Sie sich selbst und uns einen großen Gefallen und – bleiben Sie, wie Sie sind!
LaZi
Nachdem ich letztes Jahr Tristan III und dieses Jahr Tristan V in Bayreuth erlebt habe, freue ich mich zu erfahren, dass 2018 offenbar wieder die Möglichkeit besteht, die Marke-Partie mit Herrn Zeppenfeld hören zu können. Der vermochte es 2016 tatsächlich, dass Akt II auch nach dem großen Liebesduett kaum abflaute, sondern ein Höchstmaß an Dramatik und Spannung behielt. Inkommensurabel.
Immer spannende Interviews, lese ich mit Vergnügen, vielen Dank!!