festspieleblog hat bereits die Gelegenheit bekommen, die „Meistersinger von Nürnberger“ im Festspielhaus zu erleben. Jetzt verfolgen wir die Premiere im Live-Stream auf BR-Klassik
Von wegen Vorspiel: Da geht’s schon sehr lebhaft ab. Der Ort des Geschehens ist die Villa Wahnfried. Hans Sachs gibt’s (noch) nicht, sondern Richard Wagner mit großem Gefolge, unter anderem treten auf: Franz Liszt, Hermann Levi, Cosima. Es geht ziemlich rund auf der Bühne.
Immer mehr Personal kommt aus dem Klavier geströmt. Musikalisch ist der Einstieg schon ziemlich vielversprechend.
Aha: Veit Pogner ist Franz Liszt, aus dem Levi wird Beckmesser und Hans Sachs also ist Richard Wagner.
Sehr witzig bisher. Günther Groissböck (Pogner) stark! Freilich, er kann sich gleich verausgaben. Sachs (Michael Volle) und Beckmesser (Johannes Martin Kränzle) müssen sich ihre Kräfte noch einteilen. Die Herausforderungen kommen erst. Aber das, was bisher zu hören ist: Da hat Barrie Kosky im Vorfeld nicht übertrieben – Sänger sensationell.
Der Blick auf die Bühne: Vom Zuschauerraum aus schaut man quasi durch den „Wintergarten“ hinein ins Wagnersche Wohnzimmer der Villa Wahnfried. Die Kostüme: unglaublich aufwendig. Die historischen Gewänder sind wieder eine tolle Leistung der Meisterschneider von Bayreuth.
Super Abschluss des ersten Akts. Villa Wahnfried ab – alles nur Theater.
Und jetzt Pause.
Es geht weiter: Johannistag auf der Wiese. Sachs ist jetzt wieder Wagner, der mit Cosima – also Eva – gemütlich picknickt. Was schon im ersten Akt störte, ist das ständige Türgeknalle. Jetzt betritt Pogner, also Liszt, wieder die Bühne.
Im zweiten Akt passiert nicht wirklich viel. Michael Volle und Anne Schwanewilms geben ein schönes Paar als Sachs und Eva. Aber die Geschichte geht ja bekanntlich anders aus. Michael Volle sagte übrigens im Interview mit „Hojotoho, das Bayreuther Festspielmagazin“, dass Sachs wohl Eva geheiratet hätte, wenn Stolzing nicht gekommen wäre.
Aus dem Off als Nachtwächter singt heute Georg Zeppenfeld.
Eva und Stolzing verstecken sich hinter dem Vorhang. Naja. Ach dazu ist die schöne Wiese auf der Bühne des Festspielhauses, damit Johannes Martin Kränzle (wunderbar!) weicher fällt.
Prügel für Beckmesser hinter Gemälde von Richard Wagner. Dann bekommt er die hässliche Fratze des Juden aufgesetzt mit krummer Nase, voller Zahnlücken, Kippa auf dem Kopf – dasselbe jetzt im Großformat über die ganze Bühnenhöhe, wie ein Heißluftballon. „Bewahrt euch vor Gespenstern…“, singt der Nachtwächter. Plötzlich ist hier gar nichts mehr lustig.
Der Applaus ist nicht mehr ganz so frenetisch wie nach dem ersten Akt.
Pause.
Der dritte Akt spielt vor dem Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse. Darin passiert aber nichts. Hans Sachs sitzt davor einsam am Tisch. Ah, Stolzing kommt herein, vielleicht auf dem Platz der Ankläger? Nein, er kommt zu Sachs. Der Gerichtssaal wird Kulisse.
Evas Jugend zeigt sich an nervösem Gehüpfe. Klaus Florian Vogts Stolzing sehr, sehr schön. Und selbst wenn man nicht davon ausgehen darf, an einem Computer adäquate Klangqualität zu haben, ist das Dirigat von Philippe Jordan schon sehr, sehr durchdacht. Hört sich absolut rund und ausgewogen an.
Hinreißend das Quintett.
Der Chor der Bayreuther Festspiele singt nicht nur phantastisch, die Damen und Herren sind auch ganz wundervolle Darsteller, z. B. als starres Schlachtgemälde vor dem Einzug der Meister auf die Festwiese resp. den Gerichtssaal.
Kränzles Beckmesser – rundum ein Hit. Danke für die Nahaufnahmen. Schöne Idee ist der Meister-Fanclub für Walther von Stolzing inkl. Headbanging. Zurecht. Vogt und das Meisterlied . Worte werden überflüssig.
Riesiges Bravo am Schluss. Kein Buh!
Die „Meistersinger von Nürnberg“ ist eine wilde Familienstory um Richard Wagner. Witzige Idee von Barrie Koskie, meisterhaft von den Sängern umgesetzt. Das erschließt sich sofort im Festspielhaus. Das bunte Spektakel, bei dem einem teilweise aber das Schmunzeln im Halse stecken bleibt, ist indes keines, das sich mit einer Vorstellung vollkommen erschließt. Gut, dass es Mediatheken gibt. Denn wer kann sich in Bayreuth schon mehrmals eine Vorstellung genehmigen.
Darum: 3sat überträgt aus Bayreuth am 27. Juli aus Bayreuth, BRalpha folgt am 30. Juli, jeweils 20.15 Uhr.