Es war das Jahr 1967 als Wolfgang Wagner zum zweiten Mal „Lohengrin“ für die Bayreuther Festspiele inszenierte. 50 Jahre später kommt diese Inszenierung noch einmal auf die Bühne: im Nationaltheater Prag. Für die Rekonstruktion dieses 50 Jahre alten Bayreuther „Lohengrin“ ist Katharina Wagner, Tochter des 2010 verstorbenen Bayreuther Festspielleiters und Urenkelin des Komponisten, verantwortlich. Drei Generationen Wagner also. Wir waren bei der Premiere in Prag, hier geht es zum Bericht von der Wiederaufnahme des Lohengrin.
2017 – Jahr der Opern-Retros
Fast möchte man meinen, 2017 wäre das Jahr der Opern-Retros: Christian Thielemann brachte die „Walküre“, ebenfalls von 1967, bei den Salzburger Osterfestspielen; in Lyon war die Bayreuther Version von „Tristan und Isolde“ aus der Regie von Heiner Müller zu sehen, wobei es sich hier um einen „Youngtimer“ von 1993 handelte. Davon gibt’s sogar Filme auf YouTube.
Das Interessante an einer Reproduktion: Der Zuschauer von heute kann sich ein Bild davon machen, ob früher wirklich alles besser war, auch auf der Opernbühne, wie es so oft erzählt wird. Eine kleine Dokumentation mit Bildern von damals und heute ist übrigens vor dem Nationaltheater Prag zu sehen (Foto oben).
Katharina Wagner „Revival director“
Die Idee, Wolfgang Wagners „Lohengrin“ zu rekonstruieren entstand, wie bei den Nachfragen zu erfahren ist, schon im Januar 2016. Ursprünglich sollte Katharina Wagner die Lohengrin-Regie in einer Coproduktion zwischen dem Nationaltheater Prag und der Oper Barcelona führen. Die Umsetzung scheiterte an den unterschiedlichen Größenordnungen der Bühne und den technischen Voraussetzungen. So wurde der Bayreuther Lohengrin, den Wolfgang Wagner in seinem ersten Jahr als alleiniger Festspielleiter 1967 inszenierte, wiederentdeckt. Exakt 50 Jahre später kommt das Stück nun als „Wiederaufnahme“ in Prag aufs Programm. Katharina Wagner wird dasbei als „Revival director“ geführt. Sie hält sich bei der Inszenierung an die Anweisungen, die ihr Vater damals im Regiebuch festgelegt hat. Änderungen gibt es nicht.
„Ausdrücklich Reproduktion“
Es handelt sich „ausdrücklich um eine Reproduktion“, betont Bühnenbildner Marc Löherer. Er hat anhand von unzähligen Fotos, die das Richard-Wagner-Archiv bzw. Richard-Wagner-Museum in Bayreuth verwaltet, die Bühne von 1967 originalgetreu nachgebaut. Eine Mammutaufgabe. Der Rundhorizont vor dem sich die Geschichte des Schwanenritters „Lohengrin“ abspielt, erstreckte sich in Bayreuth über die gesamte Breite der Bühne von 27 Metern und füllte das kolossale Festspielhaus bis 25 Meter aus. Das Nationaltheater Prag hat indes nur 12 Meter Breite zur Verfügung. Auch die Tiefe der Bühne hat nicht die üppigen Ausmaße eines Bayreuther Festspielhauses auf dem sich anno 1967 bis zu 120 Menschen in den großen Chorszenen befanden.
In Prag sind es rund 100 Sängerinnen und Sänger, da wird die Distanz zum Bühnenbild schon kleiner: „Es ist nicht einfach, aber es geht“, sagt Marc Löhrer im Endspurt der Lichtabstimmung kurz vor der Premiere. Denn während in Bayreuth durch den abgedeckten Orchestergraben die Bühne in mystisches Licht getaucht werden kann, gibt es am Nationaltheater Prag einen offenen Graben und dazu viel Gold im Zuschauerraum. Mystik ist da eine Herausforderung.
Ebenso originalgetreu sind die Kostüme von Thomas Kaiser. Im Gegensatz zu damals müssen sich die Sänger heute allerdings nicht mehr in schwere Lederkluft zwängen. Die wäre nicht nur sehr teuer, sondern erlaubt auch weniger Bewegungsfreiheit als moderne Materialien 2017.
Für die Mannschaft des Nationaltheaters Prag ist eine Bayreuther Inszenierung, selbst wenn sie 50 Jahre alt ist, ein echter Brocken, die sie allerdings bravourös meistert. So dauert der Umbau nach dem ersten Akt 45 Minuten, um die großen Teile von der Bühne zu bringen, weshalb sich die übliche Pausendauer von 20 Minuten auf beinahe Bayreuther Verhältnisse verlängert.
Bayreuth-erfahrene Besetzung
Die Besetzung des Prager Lohengrin ist durchaus ansehnlich und hat sogar Bayreuther Parallelen, trotz wirklich günstiger Preise – der Platz in der teuersten Kategorie kostet ca. 60 Euro. Den Premieren-Lohengrin gibt Christopher Ventris (in Bayreuth aktuell Siegmund, 2010-2014 Parsifal), u. a. am zweiten Aufführungstag singt Edith Haller die Elsa (wie 2014 in Bayreuth), auch Stefan Vinke, der Bayreuther Siegfried, steht auf der Besetzungsliste für einen der zehn Lohengrins in Prag. Daneben sind Solisten des Nationaltheaters wie Dana Burešová (Elsa) oder Eva Urbanová (Ortrud) zu erleben. Premierendirigent Constantin Trinks ist ebenfalls Wagner- und Bayreuth-erfahren. Im Jubiläumsjahr 2013 dirigierte er „Das Liebesverbot“ im Vorfeld der Festspiele.
Der letzte Export der Bayreuther Festspiele fand 1989 statt: „Tannhäuser“, ebenfalls in der Regie von Wolfgang Wagner, wurde im Opernhaus Tokio gezeigt. „Tannhäuser“ wiederum inszeniert Katharina Wagner 2018 an der Oper Leipzig.
Der Link zum Nationaltheater Prag: http://www.narodni-divadlo.cz/en/show/10761?t=2017-09-02-18-00 U. a. die Premiere ist bereits ausverkauft.