Große Oper mit großen Keywords: Gregor Gysi als Anwalt, engagiert vom Stamm Wieland Wagner, führt Klage wegen der langfristigen Vermietung des Bayreuther Festspielhauses gegen die Bayreuther Festspiel GmbH und die Richard-Wagner-Stiftung. Die Entscheidung ist gefallen: Das Landgericht Bayreuth erklärte am 15. Dezember den Mietvertrag für „schwebend ungültig“, was jedoch nur bedeutet, dass ein Formfehler ausgemerzt werden muss. Inhaltliches hat das Gericht nicht zu bemängeln:
„… sittenwidriges Handeln der Beklagten, um die Mitglieder der Familie Wagner zu entrechten, konnte die Kammer nicht feststellen“,
so Clemens Haseloff, Pressesprecher des Landgerichts Bayreuth, in einer schriftlichen Erklärung in der es weiter heißt:
Der Mietvertrag selbst verstoße nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Der Abschluss des Vertrags durch die unterzeichnenden Vertreter (…) sei nicht zu beanstanden (…)
Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht, es kann Berufung zum Oberlandesgericht Bamberg eingelegt werden.
Streitpunkt Mietvertrag
Streitpunkt ist vordergründig der Mietvertrag. Im Endeffekt geht es aber um Macht um Einfluss bei den Bayreuther Festspielen durch die Familie von Wieland Wagner. Vier Stämme Wagners ergeben vier Stimmen im Stiftungsrat der Richard-Wagner-Stiftung. Diese wiederum hat als Eigentümerin das Festspielhaus bis 2040 an die Bayreuther Festspiele GmbH vermietet, die damit alle Rechte im Haus hat und dafür aufzukommen hat. Unter anderem für die mindestens 30 Millionen Euro teure Sanierung. Somit hat sie auch das Recht auf eine lange Mietdauer, findet das Landgericht:
„Die Entscheidung für die Sanierung des dringend sanierungsbedürftigen Festspielhauses Bayreuth und der damit einhergehende Abschluss des geforderten langjährigen Mietvertrags bei Aufgabe des Bestimmungsrechts über die Festspielleitung während dieser Zeit stehe für die Kammer nachvollziehbar im Einklang mit dem Stiftungszweck“,
ist in der am Donnerstag, 15. Dezember, veröffentlichten Mitteilung des Landgerichts Bayreuth nachzulesen.
Die Bayreuther Festspiele GmbH
Die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern, die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth zu je 29 Prozent und die Stadt Bayreuth mit 13 Prozent bilden und finanzieren die Bayreuther Festspiele GmbH und mieteten mit Vertrag vom 19. März 2014 das Festspielhaus. Wer nicht zahlt, schafft nicht an, weshalb auch keine Familienvertreter in der GmbH vertreten sind, ebensowenig wie weitere Mitglieder des Stiftungsrates der Richard-Wagner-Stiftung, z. B. der Bezirk Oberfranken.
Wer zahlt, sagt hingegen, wer die GmbH führt — das sind zurzeit Katharina Wagner und Holger von Berg. Beide im Rang eines Geschäftsführers. von Berg ist für den kaufmännischen Bereich verantwortlich, Katharina Wagner hat die künstlerische Gesamtleitung. Ihr Vertrag geht bis 2020. Was die Zeit anschließend anbelangt, ist tatsächlich nicht mehr Sache der Stiftung, sondern der GmbH mit ihren vier Eigentümern.
Das ist der Knackpunkt für die juristische Auseinandersetzung. Die Familie von Wieland Wagner klagte gegen den Mietvertrag, weil, wie ihr Anwalt Gregor Gysi argumentiert, „der § 8 der Satzung faktisch außer Kraft gesetzt“ sei, „das soll unterbunden werden und ist Gegenstand der Klage“, antwortete Gysi knapp auf die Anfrage von festspieleblog.de vor drei Wochen.
Der Einfluss der Familie Wagner
Wenn man sich die Satzung der Richard-Wagner-Stiftung von 1973 ansieht, stellt man fest, dass der Einfluss der Familie Wagner schon mit der Überführung u. a. des Festspielhauses in die Stiftung sank. Und das hat damals noch Winifred Wagner unterschrieben. Demnach bekam jedes Kind von Winifred und Siegfried Wagner eine Stimme im Stiftungsrat. Das sind vier. Von 24. Winifred vermachte ihr Stimmrecht übrigens nicht ihren Kindern, sondern der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.
Was die Geschicke der Festspiele und deren Leitung anbelangt, so wurde damals zwar schon der Einfluss der Familie Wagner gewünscht, aber relativ locker festgeschrieben. So könne die Familie zwar einen Vorschlag einbringen, müsste sich dazu aber mehrheitlich einigen können.
§ 8 und sein Inhalt
Paragraf 8 der Stifungssatzung regelt die „Vermietung des Festspielhauses an den Festspielunternehmer“, so die Überschrift. Ausdrücklich heißt es, dass die Stiftung bei der Vermietung darauf hinwirkt, „dass im Festspielhaus Bayreuth festliche Aufführungen der Werke Richard Wagners veranstaltet werden. Die Festspiele werden von der Stiftung nicht finanziert oder durchgeführt.“ (§8/Abs.1)
Absatz 2 desselben Paragrafen beschreibt die Vermietung des Festspielhauses an den Festspielunternehmer (nicht Festspielleiter). „Grundsätzlich“ solle an die Familie Wagner vermietet werden, zumindest an „ein Mitglied, ggf. auch an mehrere Mitglieder der Familie Wagner oder auch an einen anderen Unternehmer (…), wenn ein Mitglied ggf. auch mehrere Mitglieder der Familie Wagner die Festspiele leiten“. Im nächsten Satz heißt es allerdings: „Dies gilt nur dann nicht, wenn andere, besser geeignete Bewerber, auftreten.“
Der Festspielunternehmer
Wer also das Haus mietet, ist der Unternehmer. Wer das ist? „Mit Mehrheit ihrer Stimmen im Stiftungsrat können die Abkömmlinge von Richard Wagner Vorschläge machen“, heißt es ebenfalls in Paragraf acht. Also: Die Mehrheit der Familie muss sich einig sein, um überhaupt einen Vorschlag einbringen zu können. Es sieht indes eher so aus, als falle eher Schnee während der Festspielzeit, als dass die Wagners gemeinsam eine Meinung vertreten. Unseren Recherchen zufolge ist das Familiengewicht derzeit zwischen dem Stamm Wieland mit dessen Schwester Verena und der von Wolfgang und Friedelind mit zwei zu zwei ausgewogen. Als Kläger gegen den Mietvertrag traten denn auch die Wieland-Kinder Daphne, Nike und Wolf Siegfried Wagner auf (eine Stimme im Stiftungsrat), als Nebenklägerin Wielands Schwester Verena Lafferentz-Wagner (zweite Stimme).
Interessant ist, dass in der Stiftungsurkunde die Kompetenz eines Festspielleiters gar nicht auftaucht, geschweige denn beschrieben wird. Insider unkten schon, dass die Familie einen Festspielleiter vorschlagen könne, der aber keinerlei Verfügungsgewalt bei den Festspielen hätte, ein Titel ohne Mittel also. Die GmbH entscheidet, wer Verträge namens der Bayreuther Festspiele unterschreiben darf. Das findet auch das Landgericht in Ordnung:
„Zudem sei nicht festzustellen, dass beim Abschluss des Mietvertrags unerlaubt zum Nachteil der Eigentümerin oder der Kläger gehandelt worden sei. Die Entscheidung über den Festspielleiter bei einer Neubesetzung durch die Festspielunternehmerin im Benehmen mit der Eigentümerin des Festspielhauses Bayreuth verletze nicht den Stiftungszweck der Eigentümerin“,
ist in der schriftlichen Pressemitteilung von Clemens Haseloff über die Auffassung des Gerichts zu lesen.
Die Richard-Wagner-Stiftung
Folgende Personen und Institutionen sind als Gründer der Richard-Wagner-Stiftung laut Stiftungsurkunde vom 2. Mai 1973 aufgeführt:
- Frau Winifred Wagner, Bayreuth;
- Frau Friedelind Wagner, Nußdorf am Bodensee:
- Frau Verena Lafferentz, geb. Wagner Nußdorf am Bodensee;
- Herr Wolfgang Wagner, Bayreuth,
- die Abkömmlinge von Herrn Wieland Wagner: Fräulein Iris Wagner; Fräulein Nike Wagner; Frau Daphne Proksch, geb. Wagner; Herr Wolf-Siegfried Wagner;
- die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern;
- der Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus
- die Stadt Bayreuth, vertreten durch den Oberbürgermeister;
- die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e. V., vertreten durch den Vorsitzenden;
- die Oberfrankenstiftung (Adolf-Wächter-Stiftung), Bayreuth, vertreten durch den Vorsitzenden des Stiftungsrats;
- der Bezirk Oberfranken, vertreten durch den Regierungspräsidenten, und
- die Bayer.Landesstiftung, vertreten durch den Vorstand“
Die Schwergewichte
Zwar wurde in der jetzigen Klage die Macht von Bund und Freistaat kritisiert (je 29 % in der GmbH), doch auch in der Stiftung haben die beiden Geldgeber den größten Einfluss bekommen, wie zu sehen ist:
- die Bundesrepublik und der Freistaat haben jeweils fünf Stimmen = 10,
- die Stadt Bayreuth drei
- der Bezirk Oberfranken zwei
- die Bayerische Landesstiftung zwei
- die Oberfrankenstiftung hat eine Stimme,
- die Familie Wagner hatte zunächst fünf Stimmen, nach dem Tod von Winifred Wagner ging ihre Stimme an die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth über, die seither zwei Stimmen besitzt.
Mehr Gewicht bekam die GdF in der GmbH, wo sie 29 Prozent der Anteile hat, weil sie einen ebenso großen Beitrag zur Sanierung aufbringen muss wie die Bundesrepublik und der Freistaat Bayern. Die Stadt Bayreuth wiederum ist gemäß ihres Finanzierungsanteils nur mit 13 Prozent in der GmbH vertreten.
Ohne Bund und Land mit ihren zehn Stimmen geht somit auch in der Stiftung wenig. Sie hätten schnell eine Mehrheit zusammen, notfalls auch gegen die der Wagners. Doch Entscheidungen trifft bis 2040 die GmbH. Denn inhaltlich hat sich das Landgericht Bayreuth nicht am Mietvertrag gestört, er wurde lediglich „schwebend unwirksam“ erklärt. Grund: Auf einer Zusatzvereinbarung zum Vertrag wurden nicht alle Unterschriften geleistet. Ist dies nachgeholt, ist der Vertrag gültig. Insider hatten bereits vermutet, dass die Wieland-Nachkommen mit ihrer Klage gegen den Mietvertrag „mehr herausholen wollen, als sie jemals hatten“, wie wir bei der Recherche in den vergangenen Wochen erfuhren, also mehr als nur eine Stimme von 24 sein wollten.
Wie geht’s weiter?
Wenn die Zusatzvereinbarung unterschrieben ist, ist der Formfehler beseitigt, der Mietvertrag gültig. Rechtskräftig ist indes das Urteil des Landgerichts Bayreuth noch nicht. Der sonst wortreiche Anwalt Dr. Gysi antwortete auf die erste Anfrage von festspieleblog.de nur mit dem oben zitierten Satz. Auf die Nachfrage am Donnerstag wie er das Urteil bewertet und ob Berufung geplant ist, bislang gar nicht.
Wer die Stiftungsurkunde genau nachlesen möchte: Sie befindet sich auf der Homepage des Richard-Wagner-Museums in Bayreuth und steht hier zum Download bereit: https://www.wagnermuseum.de/wp-content/uploads/sites/55/2015/05/stiftungsurkunde.pdf