festspieleblog.de: Gratulation zum gelungenen Debüt als Isolde. Wie geht es Ihnen nach der Premiere? Petra Lang: Vielen Dank. Mir geht es super gut!
Wie kamen es zum Entschluss, jetzt Isolde zu werden? Weil mich Katharina Wagner und Christian Thielemann im letzten Jahr sozusagen ins kalte Wasser geschmissen haben. Nach den „Lohengrin“-Sitzproben bat mich Katharina Wagner im letzten Jahr noch abends ins Büro und fragte, ob ich helfen und am nächsten Tag die Isolde in der „Tristan“- Sitzprobe singen möchte. Spaß würde das sicher machen, sagte ich, aber ihr werdet dann hören, was passiert, wenn man Isolde vom Blatt singt, wo man doch neunzehn Jahre lang die Andere daneben gesungen hat (Anm: Brangäne). Am selben Abend fand noch eine Korrepetition mit Thielemanns Assistenten statt. Und am nächsten Tag habe ich dann die Sitzprobe gesungen. Daraufhin wurde mir die Isolde angeboten.
Ihre Reaktion? Ich sagte, da müssen wir mal gucken. Im letzten Januar habe ich dann nach neunzehn Jahren für mich (in Wien) die Brangäne begraben und so für mich mal den zweiten Akt Isolde in Angriff genommen. Den „Liebestod“ habe ich ja schon seit langem gesungen. Simone Young hat schon lange zu mir gesagt: Du musst diese Partie lernen, das ist deine Rolle.
„Jeder Schritt meiner Karriere war wohlüberlegt.“
Dennoch haben Sie sich Zeit gelassen. Mit meiner Rollenauswahl war ich in meiner ganzen Karriere sehr vorsichtig. Jeder Schritt war wohlüberlegt.
Waren Sie von sich als Isolde nicht überzeugt? Nein. Die Isolde ist ein „langes Lied“, das ist ein sehr langer Abend. Aber ich bekam dann auch noch die Chance, die dritte „Tristan“-Sitzprobe zu singen. Und dann habe ich die Orchesterhauptprobe von der Seite gesungen, so dass ich auch wirklich erfahren konnte, wie sich das komplette Werk anfühlt. Und es hat wirklich riesigen Spaß gemacht – und das am Tag nach der „Lohengrin“-Orchesterhauptprobe. Also habe ich gesagt: Ja, das ist es!
Bestätigte sich das bei den jetzigen Proben, oder haben Sie sich zwischendurch gefragt: Was habe ich mir hier angetan? Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe die letzte Spielzeit damit verbracht, neben meinen bestehenden Engagements Isolde zu studieren und auf den Punkt zu bringen. Es kam schon vor, dass ich dachte: Menschenskind, wärst du doch bei Parsifal geblieben (lacht). Mein Mann, der auch Vocal Coach ist und mit mir zusammen an der Partie gearbeitet hat, hat mich sehr unterstützt, gab mir gute Ratschläge, wie ich üben und worauf ich achten solle. Es dann wirklich tun zu dürfen und sich die Rolle auch in den szenischen Proben erarbeiten zu dürfen – das war wie eine Befreiung.
„Die größte künstlerische Herausforderung meines Lebens“
Weil Sie gesehen haben, es geht? Ich muss sagen: Die Isolde war bisher die größte künstlerische Herausforderung meines Lebens. Wirklich! Das hatte ich zwar bei den Brünnhilden schon gedacht. Und ohne den Vorlauf mit den Brünnhilden wäre das auch sicher nicht so verhältnismäßig einfach gegangen.
Wo liegt der Unterschied zwischen Brünnhilden, die ja an drei Ring-Abenden gefordert ist, und Isolde? Ich habe in den neunzehn Jahren Brangäne neben verschiedenen Isolden gestanden. In den Anfängen durfte ich sehr viel mit Gabi Schnaut und Luana DeVol „Tristan“ singen. Die haben das mühelos weggesteckt. In den Jahren danach habe ich jedoch etliche Kolleginnen erlebt, die diese Partie eigentlich nicht singen sollten, bei denen es eigentlich immer konditionelle Probleme gab, die Töne weggelassen oder oktaviert haben und die Anforderungen des Textes nicht erfüllt haben. Die waren nur froh, wenn die Vorstellung irgendwie über die Bühne ging. Ich bin da so oft daneben gestanden und hab für mich gebetet: Lieber Gott, bitte lass diesen Abend enden, ohne dass es ein Fiasko gibt und wir die Frau nicht von der Bühne tragen müssen.
„Isolde kann Kamikaze sein. Dessen war ich mir immer sehr, sehr bewusst.“
Sind das Fälle von Selbstüberschätzung? Wenn man nicht hingehört in dieses Fach, wenn man die Dinge technisch nicht richtig macht, wenn man körperlich, von der Fitness her, nicht vorbereitet ist, ist die Isolde einfach Kamikaze. Dessen war ich mir immer sehr, sehr bewusst.
Stichwort Kondition. Was tun Sie für Ihre Fitness? Ich mache regelmäßig Gymnastik, mache Tai Chi, ich gehe ins Kieser-Krafttraining und ich versuche, mich sehr gesund zu ernähren. Zumindest wenn ich Isolde singe, muss ich mich gesund ernähren. Da verzeiht der Körper keine Schweinsbraten-Sünde (lacht).
Auch keine Bratwürste? Nein. Das geht nicht.
Ist es auch eine Frage des Alters respektive der Erfahrung, um eine neue Hürde zu nehmen? Das auch. Gesang ist ja ein Training, ein Muskeltraining, und es gehört menschliche Reife, eine künstlerische Entwicklung und darstellerische Erfahrung dazu, um diese Herausforderung anzunehmen und sie auch wirklich positiv lösen zu können. Ich meine, sich hinstellen und blöken, das geht. Das versuchen ja viele. Aber das heißt nicht, dass damit die Anforderungen der Partie und der Partitur erfüllt worden wären.
„Isolde auch 2017. Das steht schon fest.“
Also eine Frage der Erfahrung? Ich bin jetzt in meiner siebenundzwanzigsten Spielzeit. Am Anfang meiner Karriere war ich sehr nervös. Einfach, weil man da noch nicht weiß, was auf einen zukommt. Weil man noch ein Lernender ist. Und das Gute, wenn man nach so vielen Berufsjahren stimmgesund, kopfgesund, körpergesund ankommt, ist ja auch, dass man weiß, was man machen muss. Das ist wie bei einem guten Koch, der jahrelang seine Erfahrung gesammelt hat: Der ist doch nicht mehr nervös, wenn er eine Großveranstaltung auf höchstem Niveau hinkriegen muss. Ich sage immer: Wenn man mit Demut an diesen Beruf rangegangen ist, dann bekommt man das auch irgendwann zurück. Dann kann man auch ernten, irgendwann.
Sind Sie auch nächstes Jahr wieder die Bayreuther Isolde? Ja, das steht schon fest.
Vor der Premiere haben Sie keine Interviews gegeben. Warum nicht? Ich bin da wirklich abergläubisch. Wenn ich eine neue Partie habe, äußere ich mich vorher nicht. Wenn das Baby auf der Welt ist, dann kann man drüber reden, aber nicht, solange es noch im Bauch ist. (Lacht)
„Nach der Premiere nachhause und in die Badewanne. Das mache ich nach jeder Vorstellung.“
Wie haben Sie die Taufe gefeiert? Ich bin nach Hause gefahren und hab mich in die Badewanne gelegt. Das mache ich nach jeder Vorstellung. Im Laufe der Jahre habe ich einfach gelernt, dass man sich schonen muss, wenn man diese Riesenpartien singt. Man kann einfach nicht auf jede Feier gehen und sich überall blicken lassen, weil einem das dann kräftemäßig am Abend fehlt. Während Vorstellungsserien wird man mich also selten irgendwo sehen.
Sie haben ja sowohl Geige als dann auch Gesang studiert. Was war für Sie der Beweggrund, sich doch für den Gesang zu entscheiden? Ich war jetzt nicht die Überflieger-Geigerin. Aber ich habe sehr gut und gerne unterrichtet, weshalb ich auch Musik studiert habe. Auf der Geige habe ich vielleicht zu spät angefangen, und vielleicht war die manuelle Begabung für das Instrument nicht optimal. Ich bin sehr, sehr weit gekommen mit der Geige, aber nicht so, dass es mich von der künstlerischen Aussage her befriedigt hätte. Beim Gesang war das hingegen sofort gegeben.
Kann man sagen, dass Sie sehr hohe Ansprüche vor allen Dingen an sich selber stellen? Oh ja. Für mich stellt sich immer die Frage der Präzision: Erfülle ich den Text? Ist das, was ich mache, wirklich richtig? Ist es ehrlich? Ist es echt? Ist das wahr? Ist es wahrhaftig?
„Ich kann hundertprozentig unterschreiben, was da auf der Bühne passiert.“
Wie waren Sie jetzt mit sich zufrieden? Das war jetzt meine erste Isolde, das war mein zweiter Durchlauf mit dieser Partie – ich bin sehr glücklich. Das Baby ist auf der Welt und muss jetzt laufen lernen.
Sie hatten vorhin von Nervosität in Ihren Anfangszeiten gesprochen. Mal Hand aufs Herz: Waren Sie nervös bei Ihrem Rollendebüt in Bayreuth? Ich muss sagen, ich bin noch nie so ruhig auf die Bühne gegangen, wie jetzt mit Isolde. Weil ich hundertprozentig unterschreiben kann, was da auf der Bühne passiert; weil es einen unglaublichen Spaß macht, das gestalten zu dürfen. Und weil auch das ganze Umfeld stimmt. Es ist eine wirklich gute Atmosphäre unter den Kollegen. Es geht hier um das Stück. Das macht das Ganze sehr, sehr einfach. Von der ersten Sekunde an konnten wir uns alle im Ensemble aufeinander verlassen. Es ging von Anfang an darum, diesen Tristan auf die Bühne zu bringen, einfach weil wir alle dahinter stehen.
Das Publikum kann sich in Teilen nicht recht anfreunden mit der Inszenierung von Katharina Wagner. Können Sie das verstehen? Ich glaube, das Problem dieser Inszenierung ist, dass da wirklich ein psychologischer Spiegel vorgehalten wird. Die Dinge, die bei dieser Reise in die Nacht und in der Konfrontation zwischen Hell und Dunkel passieren, sind vielleicht nicht so einfach zu akzeptieren. Die Inszenierung hat nichts Naives, sie ist keine Blümchenwiese. Es geht hier um die Auseinandersetzung. Auch um die Auseinandersetzung mit sich selbst. Wie kommen zwei Menschen zusammen? Wie reden zwei Menschen miteinander oder aneinander vorbei? Was ist die Tag-Nacht-Problematik? Was ist Gut-Böse wirklich? Und dass man den König Marke dann vielleicht ein bisschen überzeichnet, ist eine Möglichkeit. Ich habe viel extremere Dinge auf der Bühne erlebt. Diese Inszenierung bleibt nah, ganz nah am Text.
„Ich habe auch viel Mist erlebt.“
Waren viele Gespräche über die Inszenierung notwendig, oder waren Sie schnell im Thema? Ich war ganz schnell drin. Ich meine, ich habe neunzehn Jahre lang Brangäne gesungen und viele Inszenierungen erlebt. Ich habe dabei viel Mist erlebt. Wenn ich so drüber nachdenke, waren es bis dahin nur zwei Inszenierungen, die wirklich gut gemacht waren und die ich absolut unterschreiben kann.
Sagen Sie die zwei Inszenierungen, die Sie unterschreiben können? Willi Decker in Leipzig / Antwerpen und Götz Friedrich in Berlin.
Sie sagen auch, Sie haben viel Mist erlebt. Wann ist Schluss bei Ihnen? Wenn ein Regisseur nicht mit mir redet und wir Grundlagen nicht klären können, geht es nicht mehr. Deshalb hatte ich ja seinerzeit in Bayreuth (bei Marthalers „Tristan“, bei dem Petra Lang 2005 und 2006 die Brangäne sang – Anm.) nach dem zweiten Jahr, als mein Vertrag erfüllt war, Nein gesagt.
Sie kamen dann aber doch wieder zurück, als höchst erfolgreiche Ortrud. Lief die Arbeit mit Hans Neuenfels besser? „Lohengrin“ war eine super Inszenierung. Ich bin Hans Neuenfels wirklich dankbar, denn er hat mir noch mal ganz andere, neue Facetten der Ortrud aufgezeigt.
„Gehe mit großer Demut auf die Bühne.“
Sie unterrichten ja auch junge Sänger. Ist das für Sie eine Option? Ich habe acht Jahre fest an der Musikschule, aber auch sonst, eigentlich während meiner ganzen Karriere, unterrichtet. Allerdings mehr oder weniger punktuell, zum Beispiel bei Meisterkursen. Im Moment brauche ich aber die Zeit für mich, für meine eigene Singerei. Aber es wird bestimmt wieder andere Zeiten geben, und dann werde ich mit Freude wieder unterrichten.
Wie empfinden Sie Bayreuth als Wirkungsort? Ich bin überglücklich, dass ich als Wagner-Sängerin an diesem Ort singen darf. Und ich gehe wirklich mit großer Demut auf die Bühne. Dass ich hier an diesem Ort sein darf, das ist eigentlich das Größte, was man sich als Wagner-Sänger vorstellen kann. Dazu kommt, dass meine beiden Lehrerinnen, Ingrid Bjoner und Astrid Varnay, auch hier gesungen haben.
Was macht das Festspielhaus für Sie so besonders? Die unglaubliche Akustik dieses Hauses. Und dass man hier – und das habe ich an kaum einem, eigentlich an keinem anderen Haus erlebt –, wenn man sich hier in den Dienst der Sache stellt, von einer unglaublichen Energie getragen wird.
Sie sind nun gefeierte Isolde. Was kommt jetzt? Katharina Ligendza hat mal gesagt: Was gibt es nach der Isolde noch?
Und? Für mich ist es wirklich der Höhepunkt meiner Karriere. Alles andere ist Zugabe. Ich werde jetzt versuchen, die Partie für mich zu stabilisieren und weiter zu entwickeln. Und dann gucken wir einfach, was passiert.
Hier geht es zum Artikel über die Premiere 2016 von Tristan und Isolde am 1. August.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Petra Lang habe ich vor wenigen Wochen, am Pfingstmontag an der Wiener Staatsoper als Brünnhilde in der Götterdämmerung erlebt, ein unvergesslicher Abend! Eine Wagner-Interpretin, die den Vergleich mit Martha Mödl, Astrid Varnay, Birgit Nilsson, Catharina Ligendza, HIldegard Behrens und Eva Marton in keiner Weise zu scheuen braucht.
Gestern in Wien – Wau! Unvergesslich, traumhaft!
Frau Lang ist eine große Sängerin die diesem Beruf mit Demut und aufopferndem Ergeiz, ganz in Dienste der Sache begegnet. Ich wünsche Ihr noch viele erfüllte Jahre und mir viele beglückende Opernabende mit ihr. Jochen Bauer Stuttgart.