Nach zwei Jahren „Abstinenz“ von den Bayreuther Festspielen ist Günther Groissböck in diesem Jahr zurückgekehrt. Es war nur ein kurzes Gastspiel, als Einspringer im „Rheingold“, wo er schon im Premierenjahr 2013 und auch diesmal wieder den Riesen Fasolt gab (im Bild oben rechts, zusammen mit Karl-Heinz Lehner als Fafner und Iain Paterson als Wotan, © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele). Doch ab nächstes Jahr wird der Bass-Sänger aus Österreich keinen freien Sommer mehr haben, denn den verbringt er in Bayreuth: Er kommt wieder im Premierenstück „Die Meistersinger von Nürnberg“, wird 2018 und 19 Gurnemanz in Parsifal und krönt seine Karriere 2020 als Wotan im dann neuen „Ring des Nibelungen“ der Bayreuther Festspiele. Das vollständige Interview:
„Ohne Bayreuth, da fehlt was“
festspieleblog.de: Es war ja ein kurzes Bayreuth-Gastspiel, nach zwei Jahren Abwesenheit.
Günther Groissböck: Ja, aber besser kurz als gar nicht. Ich bin sehr glücklich über diese Gelegenheit. Denn ich muss ehrlich sagen: So ein Sommer ohne Bayreuth, da fehlt irgendwas.
Sie waren 2013 zur Ring-Premiere als Fasolt zuletzt in Bayreuth. Im Jahr darauf debütierten Sie als Ochs im Rosenkavalier bei den Salzburger Festspielen. Was ist Ihnen lieber?
Ich muss sagen, in Bayreuth singe ich, wie auch in München, so ziemlich am allerliebsten. Weil man hier sozusagen an der Quelle von Wagner ist. Näher geht’s kaum. Ohne zu übertreiben, es hat etwas Heiliges und die Atmosphäre etwas Beseelendes. Und das unabhängig von den Publikumsreaktionen, wenn’s gut läuft. Der Raum hat ganz einfach einen speziellen Zauber.
Auch der Applaus klingt gut
Selten wurde der Tod des Fasolt so bedauert, wie in diesem Jahr…
(lacht) Das kann ich jetzt so nicht sagen. Aber diese spontanen Zuschauerreaktionen sind natürlich schon schön. Die besondere Bayreuther Akustik funktioniert ja in beiden Richtungen. Der Raum ist gut, um darin zu singen, aber auch, um Applaus zu empfangen. Im Idealfall klingt dieser dann auch sehr gut auf der Bühne.
Als Sie nun angerufen wurden, um bei den Bayreuther Festspielen einzuspringen, haben Sie sofort zugesagt?
Ja, klar. Ich war gerade in München bei den Proben zum Rosenkavalier mit Kirill Petrenko. Es war ein sehr intensiver Tag, und in der Mittagspause rief meine Agentur an. Als ich Bayreuth hörte, war ich natürlich sofort hellwach. Es mussten noch die Probentermine abgestimmt werden und im Übermut habe ich natürlich sofort gefragt: …gibt’s sonst noch was? Es ist dabei geblieben und ich hab mich auf jeden Fall sehr gefreut.
Und kommt noch was in den nächsten Jahren? Auf der Homepage der Festspiele ist bei Ihnen schon nachzulesen, Sie seien für den Veit Pogner nächstes Jahr eingeladen.
Ja, ich kann jetzt über die zukünftigen Dinge sprechen: Veit Pogner nächstes Jahr, dann kommt 2018 und 19 noch der Gurnemanz hinzu. Und 2020 kommt der „Knaller“, ich war letztes Jahr schon beim Vorsingen: Der Mann oder besser der Gott mit der Klappe, der Wotan.
Wotan – irgendwie eine „heilige Mission“
Da kann man gratulieren.
Ja, ich habe mir das lange überlegt. Aber ich denke, ich bin dann in einem richtigen Alter für diese vielleicht verrückte, aber doch irgendwie auch „heilige Mission“. Wenn man mit dem Ochs in Salzburg debütiert, ist das wohl eine Herausforderung auf ähnlicher Stufe wie der Wotan in Bayreuth.
Den kompletten Wotan oder wird er wie in diesem Jahr aufgeteilt?
Den kompletten! Es ist ein Monsterteil. Aber es „muss“ ganz einfach sein, ich freu mich.
In Bayreuth debütieren Sie als Wotan oder testen Sie die Partie an einem anderen Haus?
Nein, ich debütiere in Bayreuth. Es gab schon Anfragen von zwei sehr bedeutenden Häusern, aber ich habe abgesagt. Das war mir noch zu früh, ich muss da auch stimmhygienisch sehr aufpassen und möchte die Partie vorerst mal nur in Bayreuth singen. Wotan ist ja eine Zwischenfachpartie und bei Wagner als „hoher Bass“ notiert, nicht als fauler Bariton (lacht). Der Wotan sollte meiner Meinung nach von der unteren Lage her kommen und braucht vor allem die richtige Energie in der Stimme. Ich hoffe, dass ich das gut hinbringen kann, glaube aber, wenn alle Rahmenbedingungen stimmen, dass es wirklich was Feines werden könnte.
Ist das nicht problematisch, vier Jahre vorher schon zu wissen, wohin sich die Stimme entwickeln muss?
Das ist in unserem Beruf generell das Problem. Als ich den Ochs in Salzburg angenommen habe – das war nur zwei Jahre vorher – haben mir auch viele Leute gesagt, dass das verrückt und „gefährlich“ sei, ebendort ein solch gewaltiges Rollendebüt zu riskieren. Was natürlich wirklich stimmt, die Partie ist unglaublich schwer. Aber ich muss auch sagen, dass ich solche Herausforderungen mag. Man lernt dabei unendlich viel, auch im tieferen Sinn über sich selber.
Rheingold kaum Entwicklungspotenzial
Ändert dieses Engagement etwas an Ihren Plänen?
Nein, insgesamt sicher nicht, denn es ist ja nur ein großes Rollendebüt und nicht gleich ein totaler Fachwechsel. Jetzt kommt mal der Gurnemanz in Amsterdam, dann in Paris und Berlin, und wenn ich Vorbilder aus den letzten 30 Jahren anschaue, so fällt mir z. B. John Tomlinson ein, der auch vom Bass kommend in die Wotane hineingewachsen ist. In diese Richtung möchte ich auch gehen, ohne das eigene Fach zu verlieren und ohne dauerhaft nach oben zu gehen.
Sie haben 2013 den Fasolt bei den Bayreuther Festspielen gesungen, wie hat sich der Ring Ihrer Ansicht nach entwickelt?
Ich kann jetzt nur vom Rheingold sprechen. Es ist für mein Gefühl natürlich szenisch nicht mehr allzu viel Entwicklungspotenzial vorhanden. Auf der Bühne mit diesem monströsen Hotel und speziell in der Szene, wo wir alle oben in diesem kleinen Kämmerchen sind, ist an Spielmöglichkeiten beinahe alles ausgeschöpft. Außerdem ist in dieser Enge die Interaktion natürlich beschränkt. Man kann z. B. versuchen, das eine oder andere so zu singen, dass die Kamera es noch besser einfangen kann, und dass alles nicht zu frontal wird – sozusagen kein Rampentheater im Motelzimmer. Insgesamt ist aber alles relativ ähnlich wie in 2013.
Musikalisch hat sich ja durch Dirigent Marek Janowski viel verändert. Wie empfanden Sie das?
Ich habe mit Marek Janowski schon viel gearbeitet und wir verstehen uns sehr gut. Außerdem mag ich seine trockene, aber doch herzliche Art sehr gerne. Er ist im besten Sinne des Wortes ein großartiger Kapellmeister, der sein Handwerk wirklich versteht. Natürlich ist dieser Graben aufgrund des Deckels und der daraus resultierenden „Schallumleitung“ immer eine Herausforderung für alle, nicht nur für Debütanten. Oft haben Dirigenten das Gefühl, die Sänger würden schleppen. Der Sänger muss aber auch mal den Mut haben, im schlimmsten Fall knapp hinter dem Schlag zu sein und speziell bei Positionen im vorderen Bühnenbereich exakt, zeitgleich mit dem Orchesters zu singen.
Freude auf Parsifal 2018
Wenn Sie diesmal nicht so viel gesungen haben, hatten Sie Zeit, sich die anderen Produktionen anzuschauen?
Nein, aber nächstes Jahr werde ich das sicher machen, natürlich auch den Parsifal. Den habe ich im Fernsehen gesehen.
In zwei Jahren werden Sie ja selbst den Gurnemanz übernehmen. Wie gefällt Ihnen die Produktion?
Ich habe von der Premiere fast alles im Radio gehört. Und vor allem auch zum Schluss die Kritikerrunde im BR. Es ging mir ein bisschen so, wie wenn ich mir im Auto via Radio samstags die Bundesliga-Spiele anhöre und dann am Abend in der Sportschau das Beschriebene wirklich sehe. Da gibt es auch oft Unterschiede. Aber so wie die Damen und Herren das beschrieben haben…
…zerlegt haben, wäre vielleicht besser?
…ja, so könnte man es nennen (lacht). Ich muss sagen, der erste Akt hat mir sogar sehr gut gefallen, es gab Momente, die mir echt unter die Haut gingen. Natürlich gab es einige Kritikpunkte. Man ist ja dann schon gar nicht mehr ganz unvoreingenommen. Aber noch mal: Der erste Akt hat mir sehr gut gefallen. Wenn mich vielleicht etwas ein wenig befremdet hat, sind das im dritten Akt diese etwas eigenartigen, monströsen Gewächse und in der Personenführung lassen sich natürlich immer und jedes Jahr noch Dinge verfeinern. Aber unterm Strich: Im Fernsehen war das ziemlich ansprechend. Ich bin sehr gespannt auf nächstes Jahr, wenn ich’s mir in Bayreuth dann live anschaue. Und ich freu mich natürlich sehr auf die Produktion, ehrlich.
Gibt es bei Ihnen Grenzen der Regie?
Klar gibt es Dinge, wo man nicht mitmachen kann. Aber wenn das Konzept stimmig ist, dann bin ich schon für sehr viel zu haben.
2020 soll ja Andris Nelsons den Ring des Nibelungen dirigieren. Nach der Erfahrung dieses Jahres, wo er ja kurzfristig abgereist ist, hätten Sie Probleme mit Ersatz?
Ich glaube, dass ich grundsätzlich eher pflegeleicht bin, und solange eine Zusammenarbeit konstruktiv und zielgerichtet abläuft, sollte es mit niemandem Probleme geben.
Training bei langen Autofahrten
Wie bereiten Sie sich auf den Wotan vor oder ist es noch in weiter Ferne?
Ich habe nun schon einige Rheingolde und Walküren auf dem Buckel (lacht) als Fasolt, Fafner oder Hunding. So gesehen ist der Wotan nicht besonders neu. Außerdem habe ich eine wahnsinnige Affinität zur Musik und natürlich auch zum Text. Was das Lernen betrifft, wird das wie beim Ochs auch: viel mit dem Korrepetitor üben. Das ist sozusagen der seriöse, harte Teil der Arbeit. Aber, auch wenn sich das komisch anhört: Das Durchhaltevermögen trainiere ich bei langen Autofahrten. Wenn es im akustisch furchtbar schlecht klingenden Auto funktioniert, ohne müde zu werden, schaffst man’s auf der meist wesentlich besser klingenden Bühne auch. Man könnte natürlich auch sagen: Ich suche meine eigene Interpretation und ich höre keine CDs (lacht).
Und hören Sie?
Na klar. Ich schäme mich doch nicht, mich zu orientieren, was die Kollegen früher oder in der Jetztzeit gut oder weniger gut gemacht haben. Mit der Musik zusammenwachsen – warum nicht im Auto bei voller Lautstärke?
Wie gefällt Ihnen dann jetzt der Kollege Zeppenfeld, dessen Partie in Parsifal Sie dann übernächstes Jahr übernehmen werden?
Sehr gut, muss ich sagen. Wir haben uns 2011 kennengelernt, da war er der Veit Pogner und ich Landgraf in Tannhäuser. Wir kennen uns zwar nicht gut, aber ich glaube, wir können uns gut leiden. Ich hab ihm damals gesagt: Ja, du bist leider guad!
Aber im Grunde sind Sie direkte Konkurrenten?
Klar. Gurnemanz, König Marke, Hunding. Das ist alles auch mein Repertoire. Aber Konkurrenz motiviert und selbst mein „Sportlerego“ hat kein Problem zu sagen, was der Zeppenfeld singt, ist herausragend. Ich bin selbst dafür verantwortlich, etwas „Gscheites“ abzuliefern!
- Vor einigen Tagen haben wir bereits exklusiv die neuen Partien von Günther Groissböck bei den Bayreuther Festspielen vermeldet.
- Über den Besuch bei Rheingold in diesem Jahr