Eine temperamentvolle Kundry haben die Bayreuther Festspiele für Parsifal 2016 gefunden. Betonung auf „gefunden“, denn Elena Pankratova, die 2016 nicht nur ihr Bayreuth- sondern auch ihr Rollendebüt gab, sucht keine Partien: „Wenn man etwas zu sehr nachjagt, klappt es garantiert nicht“, sagt sie und lacht herzlich, wie so oft bei diesem Interview, in dem sie auch über die Turbulenzen vor der Premiere spricht. Klar ist das doof, sagt Elena Pankratova, über den Dirigentenwechsel, um gleich die positive Seite mit einem Sprichwort aus ihrer Heimat Russland zu betonen: „Ein Kopf ist gut, zwei sind besser.“ Zum Gespräch an einem spielfreien Tag begleitet sie ihr Ehemann Vitaly Zapryagaev, von dem sie nicht nur sagt, er sei der beste Logistiker, sondern auch der beste Gesangslehrer und Fotograf der Welt. (Beitragsbild oben: Elena Pankratova am Grand-Théâtre in Genf. © Laurent Guiraud)
Zwei Dirigenten – eine Bereicherung
festspieleblog.de: Frau Pankratova, Sie haben zwei Debüts in Bayreuth…
… ja, ein Rollen- und Bayreuth-Debüt. Natürlich: Warum einfach, wenn es auch schwer sein kann (lacht herzlich). Spaß beiseite. Ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, mit gerade dieser Rolle der Kundry in diesem besonderem Haus debütieren zu dürfen. So viel Glück muss man erst einmal haben! Und dann noch mit solch tollem Team und auf so hohem Niveau.
Die Parsifal-Proben begannen mit Dirigent Andris Nelsons, der zwei Wochen vor der Premiere abreiste. Es kam Hartmut Haenchen. Wie erlebten Sie diese Turbulenzen?
Wenn so etwas passiert, stehst du als Sänger natürlich erst einmal doof da. Wir hatten ja schon einiges erarbeitet, uns an bestimmte Tempi und szenische Bewegungsabläufe gewöhnt. Aber man ist auch Profi und soll sich umstellen können. Letztendlich muss ich sagen, die Erfahrung und Ansichtsweise von zwei verschiedenen Dirigenten ist auch sehr hilfreich. Da bewahrheitet sich eine russische Weisheit: Ein Kopf ist gut, zwei sind besser. Man profitiert sogar davon als Sänger.
Inwiefern?
Jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen. Ich durfte also während dieser Proben die „Parsifal“-Auffassungen von zwei vollkommen unterschiedlichen Dirigenten erfahren. Ist das nicht eine Bereicherung? Natürlich! Ich habe also versucht, diese Vorteile für meine Partie zu nutzen. Ähnliches habe ich schon 2012 an der Mailänder Scala erlebt, als ich die Färberin in der Frau ohne Schatten gesungen habe.
Kundry nächste Rolle schlechthin
Die Rolle, mit der Sie den internationalen Durchbruch schafften. Ist das Ihre Rolle schlechthin?
Jawohl, zumindest eine davon. Ich denke, meine nächste Rolle schlechthin wird Kundry sein und hoffentlich für längere Zeit in meinem Repertoire bleiben. Ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser in dieser Partie. Ich liebe es, ich liebe es, ich liebe es! Elektra ist auch eine meiner Lieblingspartien. Turandot singe ich auch sehr oft, aber sie ist nicht so eine mehrschichtige Person, daher kann ich nicht sagen, dass es meine Lieblingspartie ist.
Fühlen Sie sich bei Wagner und Strauss wohler?
Ich fühle mich sogar sehr wohl dabei. Aber wenn ich nur das singen würde, wäre das fatal! Natürlich bekomme ich viele Anfragen für dieses Repertoire. Aber ich habe meine ganze Karriere lang Wert darauf gelegt, mich nicht auf ein Fach festlegen zu lassen. Die Stimme braucht auch das Italienische. Leider kommt man nicht oft auf die Idee, mich für Ballo in Maschera, Forza del Destino, Cavalleria Rusticana oder Ariadne auf Naxos, was ich herrlich singen kann, zu engagieren. Auch Tosca singe ich jetzt kaum noch. Diese Rolle habe ich in 10 verschiedenen Produktionen überall in Europa gesungen. Und die singe ich (schnippt mit den Fingern) – wie nichts, mit großer Freude und Leichtigkeit. Obwohl die Partie an sich natürlich nicht einfach ist. Aber nein! Man engagiert dafür oft die Kolleginnen, die sich damit quälen und für die das zu dramatisch ist..
„Man wird oft in ein Kästchen gesteckt“
Liegt das an einem gewissen Schubladendenken?
Ja. Einmal Strauss oder Wagner – immer Strauss und Wagner. Das ist, leider, nichts Neues. Man wird oft in ein Kästchen gesteckt. Je länger man italienische, deutsche, slawische sowie lyrische und dramatische Partien in seiner Karriere kombiniert, desto besser. Wenn man bedenkt, dass die große Birgit Nilsson in der 50-er Jahren gleichzeitig als Aida, Donna Anna, Tosca, Salome, Leonore oder Elektra an den größten Häuser der Welt gastierte, versteht man warum früher die Karrieren jahrzehntelang dauerten, und warum heutzutage die Sänger oft nach sieben bis zehn Jahren ruiniert und weg vom Fenster sind! Natürlich war Nilsson eine Ausnahmeerscheinung, aber so eine Repertoirekombination wäre gut und gesund für jede Stimme.
Aber die Engagements funktionieren so nicht?
Leider, viel zu selten! Man glaubt einfach nicht, dass ein Sänger das Eine UND das Andere kann. Aber ich kann das. Mit Valery Gergiev sang ich 2015 wieder in Sankt Petersburg Forza del Destino – das war herrlich. Auch die Odabella in Verdis Attila singe ich gut und gerne – zuletzt 2014, zwischen zwei Elektra-Vorstellungen, übrigens! Und ich merke immer, wie dank Richard Strauss plötzlich Verdi souveräner und strahlender klingt, oder wie nach Beethovens Fidelio meine Tosca plötzlich neue Facetten bekommt. Doch ich kriege kaum Angebote für diese dramatischen Belcanto-Partien. Man sucht dafür immer jüngere, lyrischere Sängerinnen, die letztendlich damit ihre Stimmen ruinieren, weil die Partie entweder zu früh kommt oder für manche Stimmen gar nicht geeignet ist. Die Russen haben, Gott sei Dank, nicht diese Kästchen im Kopf.
Weil der Betrieb nicht so kommerziell läuft?
Kommerziell ist es schon. Das Mariinsky Theater unterscheidet sich diesbezüglich kaum von anderen großen Häusern der Welt. Sie ticken vor allem anderes: man hört eine tolle Frau singen, eine schöne, dramatische Stimme als Sieglinde oder Turandot. Man denkt dann sofort, warum nicht auch Forza, warum nicht Norma oder Odabella mit ihr zu besetzen? Und das tut man dann auch! So müsste es eigentlich gehen.
Über Kundry: „Man hat gesucht und mich gefunden“
Wer entdeckte Sie dann als Kundry in Bayreuth?
Ganz einfach, man hat gesucht und mich gefunden. Ich war ja schon bekannt in diesem Repertoire, nicht als Kundry, aber als Senta, Sieglinde, Elektra, Färberin – und Turandot, natürlich.
Wie war Ihre erste Begegnung mit dem Festspielhaus.
Das war eine sofortige Liebesbeziehung zwischen meiner Stimme und diesem Zuschauerraum. Bayreuther Akustik ist einmalig. Beim Vorsingen auf der Bühne fragte mich Katharina Wagner nach der ersten Arie: „Wollen Sie eine Pause machen?“. „Ne, ne, das ist so wunderbar, ich singe gerne weiter“, sagte ich. Dann fragte sie nach der nächsten Arie: „Wollen Sie jetzt vielleicht eine Pause machen?“ „Nein, ich genieße es hier, ich singe lieber alles durch. Das ist so toll!“. Ich wollte einfach nicht aufhören, das war herrlich.
Wird diese Liebesbeziehung im Parsifal 2017 fortgesetzt? Bleiben Sie die Kundry?
Aber, natürlich.
Ihr Terminplan ist dann aber ziemlich gut ausgefüllt. Wir lesen zum Beispiel von den Opernfestspielen in München, wo Sie die Venus in Tannhäuser und Baraks Frau in Frau ohne Schatten singen.
Ja, das werde ich kombinieren. Ich fliege auch noch zwischen München und Bayreuth nach Israel und singe Turandot mit Zubin Mehta.
Zwischen München und Bayreuth noch Israel
Haben Sie keine Angst davor, die Stimme und sich zu strapazieren?
Der Reisebetrieb an sich, also packen, auspacken, zum Flughafen fahren, warten, fliegen und so weiter, das nimmt viel Energie weg. Ja. Aber mein Mann ist der beste Logistiker der Welt – und ein perfekter Gentleman dazu: Der organisiert alles immer so toll, dass ich keine schweren Koffer schleppen und fast keine Energie verschwenden muss.
Vitaly Zapryagaev: Meine Frau hat schon einmal drei Turandot in drei Tagen gesungen, und drei Trovatore in vier Tagen. Oder zwei mal Norma in zwei Tagen, mit Reisen dazwischen..
Elena Panktratova: Gut, das macht man nicht jeden Tag, und das würde ich auch niemandem empfehlen. Aber es gibt Situationen, wo das notwendig ist. Natürlich ist das nicht einfach, aber ich weiß, ich kann das. Das Angebot von Zubin Mehta bekam ich zuerst, dann kam das Bayreuther Angebot. Ich wollte Maestro Mehta natürlich nicht enttäuschen. Da haben meine Agentur und die beide Veranstalter terminlich viel „basteln“ müssten.
Bleibt da Zeit für Erholung?
Ja, ja. Klar. Das ist ja auch in meinem Interesse, dass ich hier nicht abgehetzt ankomme und auf die Bühne renne. Ich habe zwei Tage Zeit, dann schlafe ich aus und erhole mich. Am anstrengendsten überhaupt sind die Proben. Da singst du die Partie jeden Tag, manchmal mehrfach aus.
Singen Sie bei den Proben voll aus?
Ja. Ich liebe es. Und viele sagen, Elena, sing doch nicht immer alles aus, Mensch, du wirst doch müde. Ich sage, nein, wenn ich müde bin, halte ich die Klappe – genug ist genug. Aber bei neuen Partien muss ich wissen, wie das Stück abläuft und was es mich kostet. Und: Ich habe hier im zweiten Akt Parsifal noch zwei schnelle Umzüge zu absolvieren. Das Publikum sieht das nicht, aber das bringt zusätzlichen Stress mit sich.
Haben Sie mal mit dem Regisseur diskutiert, vielleicht gesagt, dass das Stress ist?
Ich bin so ein Mensch, der nicht sofort mit der Regie diskutiert. Erst mal versuche ich, die Herausforderung zu bewältigen, und falls das gar nicht geht, dann finden wir gemeinsam eine Lösung. Und hier verstehe ich die Idee des Regisseurs, dass Kundry nicht in einem Glitzerkleid die dramatische Szene von Jesus, den sie sah und verlachte, singen soll. Ich war davon vollkommen überzeugt und machte alles, um diese Idee technisch umsetzen zu können.
Umziehen in eineinhalb Minuten
Wie lange ist Zeit zum Umziehen?
Uwe Laufenberg sagte: „Elena, am besten wäre, wenn du ganz ohne große rote Perücke und ohne Schminke wiederkommst. Hast du Zeit, dich abzuschminken?“ Ich habe gesagt (lacht): „Hallo, ich habe nur eineinhalb Minuten Pause. Also seien wir realistisch.“ Jetzt ist es so: Ich laufe hinter die Bühne: Kleid, Ohrringe und Schuhe runter, Hose, Bluse, Mantel und andere Schuhe an, ein bisschen Frisur reduziert, die rot geschminkten Lippen abgewischt, alles abgepudert, einen Schluck Wasser trinken und wieder rauf auf die Bühne für die herrliche lyrisch-strahlende Phrase: „Gelobter Held! Entflieh dem Wahn!“, als ob dazwischen kein Wahn für mich gewesen wäre.
Wie gefällt Ihnen das Stück und Ihre Rolle? Die Kritiken sind ja unterschiedlich.
Meinungen gibt es so viele wie Menschen und jedem kann man es nicht recht machen. Gut, das ist mein erster „Parsifal“, so viel Erfahrung wie mit der Frau ohne Schatten habe ich damit noch nicht. Aber ich finde, die Inszenierung ist sehr aktuell und hat mich von Anfang an überzeugt. Auch von der musikalischen Seite ist das eine Produktion, die sich hören lassen kann. Und mir gefällt meine Rolle so, wie sie angelegt ist. Auf jeden Fall.
Jede halbwegs emanzipierte Frau kriegt doch bei der Szene im dritten Akt, wo Kundry dienend die Füße wäscht und salbt, die Krise. Wie geht es Ihnen damit?
Wahrscheinlich genauso wie es Maria Magdalena damit ging.
Schon, aber das so darstellen zu müssen.
Warum? Das ist so von Wagner geschrieben. Sie trocknete ihm mit ihren Haaren die Füße und salbte sie ein. Sie wissen, dass Cosima Wagner ihn dreimal am Tag mit Olivenöl eingerieben hat? Das war er gewohnt. Und ich finde, im dritten Akt, bei diesem Ritual, kommen Kundry und Parsifal sich sogar noch viel näher, als beim Kuss im zweiten Akt. Ich empfinde diese zärtliche Berührungen viel bedeutender und erotischer, als der Sex.
Nur Parsifal bleibt hübsch und jung
Also keine emanzipatorische Auflehnung?
Überhaupt nicht. Erstens, weil es zum Stück gehört. Und zweitens, weil ich in unserer Produktion so eine alte Frau darstelle, die im Prinzip schon alles erlebt hat und bereit zu sterben ist. Sie will nur noch dienen. Also, alles andere ist ihr nicht mehr wichtig im Leben. Ich wurde auch gefragt, wie es kommt, dass alle am Ende alt und gebrechlich sind und nur Parsifal so hübsch und jung bleibt.
Was antworten Sie?
Vielleicht steht es im Klaus Florians Vertrag, dass er immer hübsch bleiben darf (lacht herzlich). Nein, für mich gibt es eine logische Erklärung dafür, obwohl wir gar nicht so darüber gesprochen haben. Für mich ist die Antwort, dass Kundry alt wird, weil Klingsors Macht nun vorüber ist. Er war ein Zauberer, mit diesem Schloss und den Blumenmädchen, mit seiner ganzen Täuschungswelt. Möglicherweise hat seine Kraft, seine Magie, der Kundry diese ewige Jugend gegeben. Und zweitens haben Kundrys Kräfte zum ersten Mal bei diesem Jüngling versagt. Das ist für sie als Frau kränkend. Ich sehe es so, dass sie das innerlich nie überwinden konnte. Sie fühlt am Ende des zweiten Aktes, ihre Zeit ist vorbei.
Wie intensiv beschäftigen Sie sich eigentlich mit Ihren Rollen bzw. den Aussagen?
Na, Sie haben mich doch live auf der Bühne gesehen (lacht).
Vitaly Zapryagaev: Ich kann das beantworten. Sie beschäftigt sich ununterbrochen damit.
Elena Pankratova: Das ist fast wie eine Schwangerschaft. Die Premiere ist der Geburtstermin. Und bis dahin trage ich die Rolle in mir aus, beschäftige mich mit dem Text, denke über den Charakter nach, gehe zum Korrepetitor und wir überlegen, was für Aussagen getroffen werden und mit welchen Farben ich die ausdrücken könnte. Aber auch nach der Premiere suche ich nach Antworten: zum Beispiel, war mir bis vor kurzem nicht ganz klar, warum Parsifal am Ende des zweiten Aktes zu Kundry sagt: „Du weißt, wo du mich wiederfinden kannst.“ Mich wunderte das. Ich dachte: Wofür, weswegen? Er wollte doch gerade nichts von ihr. Ja, dann wurde mir klar, der sagt das, weil sie ja nach Erlösung sucht. Also: Du weißt, wo du mich wegen deiner Erlösung wiederfinden kannst. Bei den Gralsrittern.
„Oh Gott, was habe ich nur getan?!“
Müssen Sie eigentlich diesen Schrei im zweiten Akt extra üben?
Ich habe überlegt, welche Art Schrei das werden soll, denn man kann ihn auf viele Arten und Weisen machen. Dann hat mir Uwe Laufenberg seine Idee erklärt: Kundry wacht im zweiten Akt bei Klingsor auf und denkt erst einmal: Ah, lass mich in Ruh‘ mit deinen Kreuzen und Aufgaben. Dann krabbelt sie weg von ihm und sieht plötzlich Amfortas – gefesselt und geknebelt! Und dann schreit sie von Entsetzen: Oh Gott, was habe ich nur getan?! Ich habe Amfortas diesem Scheusal ausgeliefert! Wenn man sich die Situation so klar vorstellt, dann findet man auch diesen Schrei – ganz spontan und natürlich.
Wagner hat aber nicht geschrieben, dass Amfortas im zweiten Akt auftaucht.
Nein. Aber das macht ja auch das Regiekonzept so interessant. Am Anfang war ich schon überrascht, als ich auf dem Probenplan Amfortas im zweiten Akt sah. Da habe ich erst einmal den ganzen Klavierauszug nochmal durchgeblättert. Aber der Amfortas singt nichts im 2. Akt. Dass es stummer Auftritt sein könnte, da wäre ich nie darauf gekommen!
Wie war der erste Tag in Bayreuth?
Der erste Probentag, der war herrlich. 10 Uhr morgens am 8. Juni. Wir begannen gleich mit dem zweiten Akt auf der Bühne des Festspielhauses. Katharina Wagner kam, hat uns kurz begrüßt und einander vorgestellt. Und dann ging es schon los. Es war noch so still um uns herum. Nicht so viel Security wie später. Kein Chor, kein Orchester. Nur Bühnenarbeiter, die Maske, die Garderoberen und wir. Und da liege ich also auf der Bühne und denke, mein Gott, zum ersten Mal im Festspielhaus, als Kundry. Das war toll. Und die Chemie im Team hat sofort gestimmt.
Dann kam es ja gleich im zweiten Akt zum Liebesakt mit Amfortas. Machte Ihnen das was aus?
Ob mir das was ausmacht? Sie haben doch im ersten Akt sein durchtrainierter Körper gesehen? Ich genieße es! (Lacht)
Wann würden Sie sagen, das mache ich nicht mit?
Erstens, ich denke, das wäre nicht zeitgemäß. Zweitens, hier versteht man ja die Symbolik. Kundry sagt: „Schwach auch er (Amfortas). Schwach – alle. Meinem Fluche mit mir alle verfallen!“, nicht war? Und ja, da kommt zu mir erstmal Parsifal, widersteht mir aber und wendet sich ab. Und zu Amfortas muss ich nur eine kleine einladende Geste machen und schon kann er nicht widerstehen. Der gefallene Held. Das ist die Idee und die unterstreicht eigentlich das, was im Text steht.
Ortrud, Rusalinde, Elektra, Venus
Wie geht es für Sie nach Bayreuth weiter?
Erst einmal machen wir kurz Urlaub auf Kreta. Im September geht es gleich in die nächste Produktion, dafür lerne ich gerade Ortrud; dann bin ich als Rosalinde („Fledermaus“) mit Kirill Petrenko in München. Dann geht es sofort weiter nach Lyon als Elektra. Übrigens wieder mit Haenchen — was für ein schöner Zufall! An der Deutschen Oper Berlin bin ich dann dreimal die Ortrud in Lohengrin, dann geht es wieder nach Lyon für weitere Proben. Dann fliege ich nach Wien, wo ich an der Staatsoper mein Hausdebüt als Turandot gebe. Dann geht es zu den Vorstellungen nach Lyon und von dort weiter nach München, wo ich Venus in Tannhäuser singe. Auch ein Rollendebüt. Elisabeth habe ich schon öfter gesungen, aber alleine interessiert die mich weniger. Auf Venus freue ich mich. Eines Tages möchte ich unbedingt beides machen, also Elisabeth und Venus an einem Abend. Daran ist Valery Gergiev sehr interessiert. Mal sehen. Naja, auf jeden Fall geht es dann zu den Münchener Festspielen mit der Färberin, dann nach Israel, dann wieder nach Bayreuth und dann fliegen wir im September 2017 mit der Bayerische Staatsoper nach Japan und singen Tannhäuser.
Viel zu tun.
Ja! Anfang Oktober 2017 sind wir dann endlich wieder zu Hause.
Das ist wo?
In Graz, wo ich kürzlich Professorin an der Kunst Universität geworden bin.
Glückwunsch. Wie ist es für Sie zu unterrichten?
Anstrengend, aber interessant, falls die Studenten weit genug entwickelt und fleißig sind. Letzte Woche haben mein Mann und ich in Verbier unterrichtet. Junge Leute, die schon Erfahrung auf der Bühne gemacht haben. Die waren aufnahmefähig und ganz begeistert vom Unterricht.
Hatten Sie selbst nach dem Studium auch so eine Stütze?
In erster Linie ist mein Mann der beste Gesangslehrer der Welt. Mit ihm arbeite ich jeden Tag. Sonst hätte ich das alles überhaupt nicht geschafft. Als Anfängerin war ich übrigens auch in der Meisterklasse in Verbier. Da traf ich zum ersten Mal Renata Scotto, mit der ich auch später viel gearbeitet habe. Das war für mich damals lebensverändernd. Dann habe ich in Hamburg mit der wunderbaren Professor Ingrid Kremling gearbeitet und eines Tages nach einer Wagner-Arie sagte sie mir: Kuck an, eine neue Wagner-Sängerin ist geboren! Damals habe ich nie gedacht irgendwann große Wagner-Rollen singen zu können.
„Alle Rollen haben mich gefunden“
Gibt es eigentlich noch eine Traum-Partie für Sie?
Absolut nicht. Wissen Sie warum? Ich lasse es auf mich zukommen. Wenn man irgendwelchen Sachen nachjagt, kommen sie garantiert nicht. Alle Rollen, die ich jetzt singe und die mich berühmt gemacht haben, die haben mich gefunden. Ich habe nur die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort getroffen und dabei ordentlich gesungen. Als mich Zubin Mehta in Florenz drei Wochen vor der Premiere als Färberin eingesetzt hat, wurde das mein Durchbruch. Das heißt, ich konnte die Färberin schon singen. Ich war bereit dafür. Konkret geplant war das aber nie. Nach einer Turandot-Vorstellung wurde mir völlig unerwartet meine erste Elektra angeboten, die ich jetzt sehr gerne singe. Ich habe auch nie gedacht, dann und dann muss ich unbedingt an der Metropolitan Opera in New York singen. Und doch singe ich 2020 Turandot dort.
Bleibt eigentlich noch Zeit, zwischen den Auftritten den Bayreuther Sommer zu genießen?
Oh ja. Wir haben hier gleich ein Auto gemietet, damit wir mobil sind und machen Ausflüge, wenn es die Zeit und das Wetter erlaubt. Oder ich entspanne bei einer Massage in der Therme Obersees.
Weitere Interviews mit Parsifal-Beteiligten auf festspieleblog.de:
Hier geht es zum Interview mit Dirigent Hartmut Haenchen
und hier zum Interview mit Georg Zeppenfeld, dem Gurnemanz in Parsifal
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Super Elena, ein tolles Interview. Du warst bis jetzt für mich die Beste, die Farbigste Kundry. Der 2. Akt ist Göttlich! Freue mich auf die Turandot in München. Liebe Gruesse Deine Monika