Tristan und Isolde in Passau. ©Landestheater Niederbayern

Landestheater Niederbayern macht Tristan

Was für eine Frage: Wie dieser „Tristan“ denn mit dem bei den Bayreuther Festspielen zu vergleichen ist. Das hat man an diesem Abend (14. April) oft gehört. Dort, wo man bei der Einfahrt ins Parkhaus von Andy Borg und Olaf der Flipper liest, die als  nächstes hier auf treten, in der Dreiländerhalle Passau. Ansonsten dominiert seit Wochen das Plakat, das in der ganzen Stadt vom kulturellen Hochereignis der Saison kündet: „Tristan und Isolde“, Wagner in Passau.

Tristan für 31,50 €

Das Landestheater hat in Passau gut 300 Plätze — wo wollte da ein Wagner-Orchester hinpassen? Und auch die anderen Spielstätten Niederbayerns, in Landshut und Straubing, sind eher geeignet, wagnerische Diaspora zu sein. In Landshut wird zurzeit sogar in einem Zelt gespielt. Insofern ist es nicht die Frage, wie dieser Tristan im Vergleich mit Bayreuth ist, außer dass man das Plakat tatsächlich dort so ähnlich gesehen hat. Allein, dass sich die Verantwortlichen am Landestheater Niederbayern an dieses Werk wagen, ist eine Sensation. Und mehr Vergleich schlicht unfair. Allein deshalb: Die teuerste Bayreuther Karte kostet 320 Euro, das teuerste Passauer Ticket 31,50 Euro.

Jubel verliert sich im Hallenraum

Für dieses Geld bekommt man sehr viel Wagner und noch eine Zugabe an Begeisterung. Auf der Bühne und vor allem davor. Das 45-köpfige (!) Orchester wurde für den „Tristan“ auf 62 aufgestockt. Viele junge Leute genießen diesen Wagner, im Orchester ebenso wie im doch uncharmanten Zuschauerraum der Dreiländerhalle. Leider verlieren sich hier die 400 Leute, weil eigentlich Platz für mindestens 1500 da wäre. Das ist schade, denn während das Stammhaus, das Fürstbischöfliche Opernhaus von Passau, an diesem Premierenabend sicherlich im Jubel fast zusammengebrochen wäre, verliert sich die Begeisterung im Hallenraum.

Respekt fürs Orchester

Dabei bekommt den verdientermaßen vor allem das Orchester und sein Generalmusikdirektor Basil H. E. Coleman, der mit seinen Musikern ein Meisterstück hingelegt hat. Am Ende tröstet man sich sogar über die Headsets der Sänger hinweg, die diese Halle erzwingt, wenngleich sich die Technik entgegen aller Vorurteile nicht weiter bemerkbar macht.

Stephan Bootz und Annette Seiltgen. ©Landestheater Niederbayern
Marke in Tristan und Isolde am Boden: Stephan Bootz und Annette Seiltgen. ©Landestheater Niederbayern

Der Beginn gerät noch etwas sämig, fast kitschig süß, teils quälend langsam. Doch es wird besser, viel besser sogar. Coleman nimmt das Orchester an die Hand und führt es durch dieses Mammutwerk, breitet den Sängern einen samtenen Klangteppich aus, fordert sie und lässt sich nur selten auf einen wagnerischen Rausch ein. Und wenn, dann an den richtigen Stellen. Hochkonzentriert hält er zu den Musikern und Sängern Blickkontakt, leitet sie und schafft einen bemerkenswert differenzierten Klang. Kein Wunder, dass er nach den vier Stunden erschöpft sein Podium verlässt.

Wasser steht bereit

Auch die Sänger halten bewundernswert mit. Bei Wagner-Partien ist ja das große Problem, dass sie der Sänger/die Sängerin meistert — oder gnadenlos untergeht. Da ist die Isolde, die sich mehr oder weniger allein durch den ersten Akt toben muss und auch in den zwei folgenden nicht an Arbeitslosigkeit leidet. Man hat Tristane im dritten Akt krächzen hören, so fordernd ist die Partie. Passau wendet einen hübschen Regietrick an, indem Kurwenal dem sterbenden Tristan immer wieder Wasser reicht und der das auch dankbar annimmt. Da singt sich’s besser. Die beiden Titelpartien singen Hans-Georg Wimmer und Annette Seiltgen bravourös. Da wurde nicht geknödelt, nicht forciert, schon gar nicht gebrüllt. Den Applaus hat sich auch Anna-Theresa Møller als Brangäne ehrlich verdient, ebenso wie Stephan Bootz als König Marke und Peter Tilch als Kurwenal. Das Schöne an so einem kleinen Theater ist ja, dass die Rollen mit relativ jungen Leuten besetzt ist. Der Marke ist kein alter, griesgrämiger Herr, sondern ein stattlicher Bass, der es sich leisten kann, sich Mantel, Jacke und Hemd zu entledigen. Bei den Figuren Annette Seiltgen und Anna-Theresa Møller hatte Ursula Beulter sicher keine Probleme, die hübschen Kostüme anzupassen.

Nebenrolle Regie

Die Regie spielt eher eine Nebenrolle. Die Inszenierung von Stefan Tilch auf der Bühne von Karlheinz Beer bietet keine Aufreger, aber auch kaum Anregungen. Videoprojektionen (Florian Rödl) sind willkommener Ersatz für große Bühnenbauten und schaffen Stimmung bis zum Sternenhimmel am Schluss.

Das Ende unterm Sternenhimmel: Hans-Georg Wimmer als Tristan, Annette Seiltgen als Isolde. ©Landestheater Niederbayern
Das Ende unterm Sternenhimmel: Hans-Georg Wimmer als Tristan, Annette Seiltgen als Isolde. ©Landestheater Niederbayern

Im Laufe des Abends schafft dieses kleine Theater wirklich Großes: Allen Widrigkeiten zum Trotz —  angefangen vom Budget, dem eigentlich kleinen Orchester bis hin zur Spielstätte — bringt es einen stattlichen Wagner in die Provinz. Und da lassen sich auch viele junge Leute begeistern. Und auch Wagnerianer, die mal in München, Wien, Dresden, Berlin oder natürlich Bayreuth dem Meister frönen, nicken nicht nur anerkennend, sondern sind hingerissen nach diesem Abend.

Ach, am Ende findet sich doch ein Vergleich zu Bayreuth: Parken hat auf dem Grünen Hügel bis vor zwei Jahren gar nichts gekostet, jetzt 5 Euro. In Passau zahlt man 6.


Weitere Vorstellungen in Landshut, Passau und Straubing. Hier mehr Infos.

 

 

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Renate Braun
    16. April 2016 9:31

    Danke für den tollen positiven Blog-Beitrag zu dieser fulminanten Aufführung. „Die trau’n sich was“ hab ich gedacht, als ich von den Plänen für den Tristan erstmal hörte. Ja – und dieser Mut wird belohnt. Ein über sich hinaus gewachsenes Orchester und eine geschlossen agierende sängergruppe aus Gästen und Ensemble-Mitgliedern brachte uns einen außergewöhnlichen Opernabend in passau. Wir gehen nochmal hin.

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