Katharina Wagner. © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de

Interview mit Katharina Wagner

„Ich liebe dieses Haus und die Festspiele sehr“

Seit dem 1. September ist Katharina Wagner die alleinige Chefin der Bayreuther Festspiele. Mit einer Feier im kleinsten Kreis hat sich ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier am vorletzten Festspieltag aus ihrem Amt, das sie ab 2008 bekleidete, verabschiedet.

Die Ansprüche und Erwartungen, die nun an die alleinige Chefin des Grünen Hügels, Katharina Wagner, gestellt werden sind hoch. Es gibt viele, die vieles besser wissen. Da wird kritisiert, dass sie sich zu wenig „blicken lässt“, da kommen Forderungen nach einer Öffnung der Festspiele auf, es wird die Frage gestellt, ob Christian Thielemann als Musikdirektor große Dirigenten in Bayreuth verhindern wird. „Nein, wird er nicht“, winkt Katharina Wagner im persönlichen Gespräch mit festspieleblog.de ab. In diesem Exklusivinterview geht die 37-Jährige ausführlich auf die Fragen nach ihren Plänen ein. Ihr Anspruch lautet Qualität.

Katharina Wagner. © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de

Katharina Wagner — hier bei der Mitgliederversammlung von TAFF während der Festspielzeit in der Silverlounge — spricht im Exklusivinterview mit festspieleblog.de über ihre Ziele und Ansprüche für die Bayreuther Festspiele.  © R. Ehm-Klier/festspieleblog.de 

Was ändert sich für Sie mit dem 1. September?
Katharina Wagner: Meine Schwester scheidet als Geschäftsführerin zum 1.09.2015 aus. Sie bleibt jedoch den Festspielen als Beraterin erhalten. Zusammen haben wir einiges auf den Weg gebracht. Das Projekt „Wagner für Kinder“ zum Beispiel. Diese Kinderoper ist wundervoll, alle sind mit Herzblut dabei und sie kommt bei den Kindern gut an. Dank der Unterstützung unserer Solisten und des Brandenburgischen Staatsorchesters wird auch ein musikalisch sehr hohes Niveau erreicht. Diese soll, soweit es genug Unterstützer für dieses wunderbare Projekt gibt, auch zukünftig weitergeführt werden. Nächstes Jahr ist „Der fliegende Holländer“ für Kinder geplant. Auch den Kartenvorverkauf im Internet haben wir auf den Weg gebracht. Das ist ein zusätzlicher und zeitgemäßer Vertriebsweg zu den herkömmlichen Schriftbestellungen. Und dann beginnen nun nach langer Vorbereitungszeit die Sanierungsarbeiten des Festspielhauses. Voraussichtlich dauern diese bis 2023 an. Während der Proben- und Aufführungszeit pausieren die Bauarbeiten, damit der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann.

Parsifal in der kunterbunten Welt mit den Blumenmädchen. © Jörg Schulze/Bayreuther Festspiele
Ein großer Erfolg ist die Kinderoper. In diesem Jahr wurde „Parsifal“ auf der Probebühne gezeigt. © Jörg Schulze/Bayreuther Festspiele

Die Saison 2015 ist gerade beendet. Wie fällt die Bilanz aus?
Positiv — es gab keine Ausfälle. Das ist sehr selten. Es gab keine Krankheiten bei den Mitwirkenden und die Reaktionen vom Publikum waren in diesem Jahr überwiegend positiv, zum Beispiel wurden die Umbesetzungen von Stefan Vinke als Siegfried und Stephen Milling als Hagen gelobt. Ich habe das Gefühl, dass das Publikum im Großen und Ganzen mit der künstlerischen Qualität der Aufführungen zufrieden war. Aber auch Kritik nehmen wir in Bayreuth sehr ernst.

Trage nicht nur für die künstlerische Qualität, sondern auch für den hohen finanziellen Einsatz die Verantwortung“

Sie wurden bei der Sitzung der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, der Versammlung von TAFF (Team aktiver Festspielfreunde), und diversen anderen Veranstaltungen der Festspiele — wie zum Beispiel dem Mitwirkendenfest, Chorfest, Orchesterfest — sowie dem Gartenfest der GdF gesehen. Jedoch wurden Sie bei der Begrüßung der Premierengäste und das ganze Tristan-Team beim Staatsempfang vermisst. War die ungeplante Aufzeichnung der Premiere daran schuld?
Richtig. Wir mussten wegen der Neubesetzung der Isolde durch Evelyn Herlitzius die Premiere aufzeichnen und nicht wie geplant die Generalprobe. Ich bin bei den jeweiligen Aufzeichnungen voll involviert, da ich nicht nur für die künstlerische Qualität, sondern auch für den hohen finanziellen Einsatz die Verantwortung trage. Das alles war so nicht geplant und war natürlich auch für uns eine suboptimale Situation.

Ließ sich das nicht anders regeln?
Hätten wir gerne gemacht, denn es war durch unsere Aufzeichnung am Premierentag einiger Organisationsaufwand erforderlich, zum Beispiel für die Übertragungswägen der Fernsehteams, die vom Roten Teppich berichten wollten, Ersatzplätze auszuweisen, weil der Platz am Festspielhaus begrenzt ist. Nach der Aufzeichnung waren wir noch alle für die Nachaufnahmen im Festspielhaus. Das war für alle Beteiligten eine große Anstrengung und Anspannung.

Wofür musste die Premiere aufgezeichnet werden, wenn doch die Tristan-III-Aufführung in die Kinos übertragen wurde?
Erstens brauchten wir ein Backup-Band, falls bei der Kinoübertragung ein technischer Ausfall passiert, außerdem braucht man zusätzliches Bild- und Tonmaterial für die DVD-Produktion. Und natürlich muss so eine Live-Übertragung auch geprobt werden. Wir hatten noch versucht, die zweite Aufführung aufzuzeichnen, das wäre uns allen lieber gewesen. Aber der Übertragungswagen war an diesem Tag nicht verfügbar.

Tristan wird weiterentwickelt und die Feinheiten werden herausgearbeitet“

Sie traten ja erstmals seit 2008 wieder in Bayreuth als Regisseurin auf. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Werden Sie nächstes Jahr Veränderungen getreu dem Werkstattgedanken vornehmen?
Ja, darüber haben wir uns im Team schon unterhalten. Wir werden das Stück noch weiterentwickeln und Feinheiten herausarbeiten.

2. Akt "Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen 2015. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele
„Tristan und Isolde“ in der Regie von Katharina Wagner wird dem Werkstattgedanken getreu weiterentwickelt. © Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

War es ein gewagter Schritt, gleich die dritte Aufführung mit der Kamera festzuhalten?
Ich denke, für die Mitwirkenden ist eine Aufzeichnung immer spannend, ob bei der dritten Aufführung oder im dritten Jahr. Wenn man weiß, das geht jetzt live in 120 Kinos und am nächsten Tag ins Fernsehen, dann ist man grundsätzlich einfach nervös. Die Mitwirkenden sind ja auch Menschen und die Anspannung ist grundsätzlich größer, wenn die Kameras dabei sind. Andererseits regt diese Anspannung uns alle auch zu Höchstleistungen an.

Wenn bei der Hitze die Kamera die Großaufnahmen zeigt, ist das sicher anstrengender.
Ja, es war ja so extrem heiß. Ich habe nur das Kinoprogramm in der Silverlounge moderiert, und das war bei den Temperaturen schon ziemlich anstrengend. Das ist natürlich kein Vergleich zu den Leistungen auf und hinter der Bühne und im Orchestergraben. Jeder Einzelne hat trotz der Hitze professionell gearbeitet. Da kann ich nur sagen: Höchsten Respekt an alle! Sie haben alle Höchstleistungen erbracht, trotz der zum Teil unmenschlichen Hitze.

Nur die Werke Richard Wagners: Dahinter stehe ich hundertprozentig.“

Immer wieder wird ja die Forderung laut, dass sich die Festspiele öffnen müssen. Was sagen Sie dazu?
Laut Stiftungssatzung sollen in diesem Haus nur die Werke Richard Wagners gespielt werden. Hinter dieser Forderung stehe ich hundertprozentig. Der Kanon der Wagner-Opern ist ja genau das, was dieses Festspiel auszeichnet und einmalig auf der Welt macht.

Es wurde während der Festspielzeit gemeldet, dass die Familie der Nachkommen von Wieland Wagner um ihren Einfluss fürchtet und deren Anwalt Gregor Gysi Klage wegen der Besetzung des Stiftungsrats eingereicht hat. Kommentieren Sie das?
Kann ich nicht. Eine Klage ist bis jetzt nicht zugestellt.

Wäre die Arbeit für Sie leichter, wenn Sie nicht Wagner heißen würden?
Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was wäre, wenn… Was soll ich mir Gedanken machen, ob es leichter oder schwerer wäre? Das sind Hypothesen und ich kann nicht die Persönlichkeit wechseln. Darum beschäftige ich mich mit solchen Fragen nicht. Es ist wie es ist.

Haben Sie je mit dem Gedanken gespielt, einfach nur noch Regie irgendwo auf der Welt zu machen?
Ich liebe dieses Haus und diese Festspiele sehr. Wenn ich sehe, wie alle, wirklich alle hier mit Begeisterung mitarbeiten, wie hoch die Motivation bei den Sängern und den Musikern und allen Mitwirkenden ist, möchte ich momentan nichts anderes machen. Die Mitwirkenden freuen sich alle, hierher zu kommen, sie geben ihren Urlaub auf, um gemeinsam die Werke Richard Wagners auf die Bühne zu bringen. Dieses Haus ist etwas ganz Besonderes, jeder arbeitet hier freiwillig. Und hier herrscht eine sehr schöne Arbeitsatmosphäre.

Anspruch: Sehr hohe musikalische Qualität und anregende Interpretationen.“

Mit welchen Ansprüchen gehen Sie in Ihre alleinige Amtszeit?
Der Anspruch an die Aufführungen im Festspielhaus muss sehr hohe musikalische Qualität und anregende Interpretationen durch Regisseure und Dirigenten sein. Natürlich möchte ich auch das Rahmenprogramm wie zum Beispiel die Kinderoper, die Gesprächsreihe „Zäsuren“ oder die Meisterkurse — die ja rein durch Sponsorengelder finanziert sind — erhalten und durch neue Projekte sinnvoll weiter ausbauen.

Sie sprechen von den Besten der Besten. Heißt das, in Bayreuth erlebt man die großen Namen und nicht mehr die jungen Sänger, die in Bayreuth entdeckt werden?
Nein. Wir haben viele Vorsingen, man entdeckt auch immer wieder junge Talente. Es wird bleiben wie bisher: eine Mischung aus beiden.

Ein großer Name: Kommt Anna Netrebko 2018 als Elsa nach Bayreuth?
Wir sind mit ihr in Verhandlung. Der Vertrag ist allerdings noch nicht unterschrieben. Während der Vertrag mit Roberto Alagna als Lohengrin fix ist. Auch das ist nicht nur ein großer Name, sondern eben ein großartiger Sänger und Künstler.

„Vertrag mit Roberto Alagna als Lohengrin ist fix.“

Ihr „Tristan“ ist ästhetisch aufwendig aber existenzialistisch gestaltet, während Frank Castorfs „Ring“ geradezu eine Schlacht der Bilder ist. Wohin geht die Reise in Sachen Regie?
Ich bin kein Trendforscher. Hier, in Bayreuth versuche ich, Regisseure zu finden, von denen ich überzeugt bin, dass sie zu dem jeweiligen Stück etwas zu sagen haben. Zum Beispiel Barrie Kosky. Er hat die Begabung, eine Oper wie die „Meistersinger von Nürnberg“ lebendig zu inszenieren und dabei auch ein gewisses Augenzwinkern zuzulassen. Nicht jeder Regisseur ist gleich gut für jedes Stück geeignet. Aber auch Neo Rauch als Bühnenbildner und Regisseur Alvis Hermanis werden meiner Meinung nach den Lohengrin 2018 gut umsetzen können. Das Thema liegt den beiden sicher nahe.

Barrie Kosky wollte ja keine Wagner-Oper mehr inszenieren. Wie haben Sie ihn überzeugt, 2017 in Bayreuth zu inszenieren?
Ich wusste einfach, er ist der Mann für dieses Stück. Vielleicht konnte ich ihn mit meiner Euphorie überzeugen. Ich war schon vor dem Gespräch mit ihm sicher, dass es für diese Produktion der Meistersinger einfach keinen Besseren gibt. Das habe ich ihm gesagt.

Regisseure sollen zum jeweiligen Stück etwas zu sagen haben.“

Sie sind ja selbst gelernte Regisseurin und seit 2010 Honorarprofessorin im Fachgebiet Regie an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Wie groß ist die Gefahr für die Regisseure in Bayreuth, dass Sie sich in die Konzepte einmischen?
Gar nicht. Gerade weil ich Regisseurin bin, weiß ich, dass das nicht geht. Das heißt ja nicht, dass ich nicht auch Kollegen um ihre Meinung bitte. Wenn ich gefragt werde, sage ich natürlich meine Meinung. Aber es ist weiß Gott nicht so, dass ich nun auf den Proben sitze und dauernd sagen würde: Das müssen Sie anders machen! Auf dem Festspielhügel von Bayreuth gilt die Freiheit der Kunst. Sie ist eines der höchsten Güter.  Das erwarte ich übrigens auch, wenn ich anderswo inszeniere. Ein Intendant, der mich engagiert, bringt mir ja das Vertrauen entgegen. Und dasselbe mache ich bei Regisseuren in Bayreuth.

Wann inszenieren Sie wieder in Bayreuth?
Jetzt steht erst einmal der Tristan auf der Bühne. Dann wird man sehen. Eines kann ich definitiv sagen: Den Ring 2020 werde ich definitiv nicht inszenieren, denn dieses Gerücht ist mir schon zu Ohren gekommen.

Gibt es schon einen Regisseur?
Ich bin in Verhandlung, aber der Name wird grundsätzlich erst öffentlich gemacht, wenn die Verträge unterschrieben sind.

Spekuliert wird über Christian Thielemann als Ring-Dirigent 2020. Stimmt das?
Auch da bin ich in Verhandlung. Jedoch momentan nicht mit Christian Thielemann. Es ist noch nichts unterschrieben und so lange das so ist, wird offiziell nichts bekannt gegeben. Wenn in einer Besetzungsliste N.N. steht, heißt das ja nicht, dass wir mit niemanden verhandeln. Oft gibt es Terminschwierigkeiten, an denen ein Engagement scheitert, obwohl beiderseitiges Wollen vorhanden ist. Aus Fehlern haben wir gelernt. Wir veröffentlichen Namen erst, wenn der Vertrag unterschrieben ist.

Von Christian Thielemanns Erfahrung profitiert das ganze Haus.“

Um einen großen Dirigenten wie Christian Thielemann hier zu halten, war das der Grund, ihn zum Musikdirektor zu ernennen?
Nein. Der Grund war vor allem, dass er eine reichhaltige Erfahrung in Bayreuth hat, mit der speziellen Akustik des Hauses, mit dem Orchester und dessen Klang. Und von dieser Erfahrung profitiert das ganze Haus.

Über seine Aufgabe wurde aber auch viel diskutiert in diesem Sommer?
Seine Aufgabe wurde aber auch mehrmals öffentlich definiert. Er steht anderen Dirigenten bei Fragen zu dieser wirklich speziellen Akustik zur Seite. Natürlich steht er mir auch bei der Besetzung der Sänger und Dirigenten beratend zur Seite, jedoch unterschreibt er hier keine Verträge, die letzte Entscheidung liegt immer bei der Festspielleitung. Und dann wurde ja schon die absurde Frage gestellt, ob er große Dirigenten hier verhindern wird.

Und?
Nein, das tut er nicht — unabhängig davon, dass er es nicht tun würde. Es ginge auch nicht. Aber noch einmal: Er will es auch gar nicht. Christian ist kein Dirigent, der den Kollegen keinen Erfolg gönnen würde, im Gegenteil. Er ist froh, wenn hier auch andere Spitzendirigenten sind, denn das dient ja den Festspielen, die ihm am Herzen liegen.

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