Linda Watson lieh Isolde bei der Generalprobe die Stimme. Foto: Bayreuther Festspiele

Linda Watson — Isolde aus dem Off

Szene aus Tristan und Isolde in der Regie von Katharina Wagner bei den Bayreuther Festspielen 2015. ©Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Wodurch unterschiedet sich eine geschlossene Generalprobe bei den Bayreuther Festspielen von einer nicht geschlossenen? Für eine geschlossene Generalprobe gibt es definitiv keine Karten. Das heißt aber nicht, dass nicht massenhaft Publikum da ist, am Montag Abend, als als dritte Generalprobe der Bayreuther Festspiele auf dem Probenplan steht. Es ist die am meisten und mit größter Spannung erwartete Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ durch Katharina Wagner mit Christian Thielemann am Pult. Das Warten darauf hat sich gelohnt.

Nur Mitarbeiter und handverlesenes Publikum

Linda Watson lieh Isolde bei der Generalprobe die Stimme. Foto: Bayreuther Festspiele
Linda Watson. Foto: Bayreuther Festspiele

Die Mitarbeiter der Bayreuther Festspiele dürfen ins Festspielhaus, in dem auch die „Blauen Mädchen“ ihre Einlasstätigkeiten proben, handverlesenes Publikum bekommt Tagesausweise.  Am Ende sind die Reihen hinter den Arbeitstischen von Regie, Dirigent, Technik und Beleuchtung, also ab ca. Reihe 13, so gut gefüllt, dass es sich sogar fürs Steigenberger-Restaurant gegenüber rentiert, in den Pausen zu öffnen, und tatsächlich ist die Bratwürstl-Schlange beinahe so lang, wie an einem ganz normalen Festspieltag.

Eine gelungene Generalprobe gilt in Theaterkreisen ja nicht unbedingt als gutes Omen für die Premiere. Doch da können Regisseurin und Festspielleiterin Katharina Wagner und ihr Team völlig entspannt sein: Diese Generalprobe von Tristan und Isolde konnte überhaupt nicht gelingen, zumindest nicht im klassischen Sinne. Weil die Isolde nicht singt. Evelyn Herlitzius, vor vier Wochen erst bei den Bayreuther Festspielen engagiert, ist wieder auf der Bühne — wie übrigens in den vergangenen Probenwochen ebenfalls häufig. Das zeugt von enormer Arbeitslust, schließlich hat sie am Vorabend noch die Elektra bei den Münchner Opernfestspielen gegeben. Jetzt ist sie in die neue Rolle samt Maske und Kostüm geschlüpft. Sie spielt, sie singt stumm mit, um das Dirigat von Christian Thielemann zu verinnerlichen. Aber sie singt nicht, das wäre zu viel für die Stimme. Die Stimme der Generalprobe kommt vom Bühnenrand — von einer Edelbesetzung. Es ist Linda Watson. Die Grande Dame der Oper, ist am Sonntag nach Bayreuth gereist, um am Montag der Isolde die Stimme zu leihen. Beispielhaft dafür, welchen Stellenwert die Bayreuther Festspiele immer noch genießen. Denn von dieser Position aus hat Linda Watson Null Chance auf großen Sangesglanz, weil im akustisch perfekten Festspielhaus die Stimme von der Bühne kommen muss, nicht seitlich davon. Trotz Luxus-Ersatz, eine komplette Generalprobe kann’s halt deshalb nicht sein. Und die Zeichen bleiben auf positiv für die Premiere.

Publikum will applaudieren

Bei normalen Generalproben geht man nach dem Schlussakkord einfach mehr oder weniger, ohne noch größere Gefallensbekundungen  getan zu haben. Ist ja „nur“ eine Probe. Bei dieser Generalprobe wurde schon nach dem ersten Akt spontan und heftig geklatscht; nach dem zweiten wieder, bevor gnadenlos das Licht im Saal anging. Als nach dem beklemmenden Ende dann die Sänger vor den Vorhang traten — auch das muss geprobt werden —, warteten die Leute im Saal nur darauf. Es war ja außerdem voraussichtlich die einzige Gelegenheit für Linda Watson, sich — gemeinsam mit Evelyn Herlitzius — zu zeigen. Ein offensichtlich schönes Gefühl, das sie letztmals 2010 genossen hat. Als umjubelte Brünnhilde im Dorst-Ring unter Christian Thielemann.

Zum Leidwesen vieler kam Thielemann allerdings dann nicht zum Applaus — er weiß ja wie’s geht; ebensowenig wie sich Katharina Wagner zeigte. Die huschte stets kurz vor dem Ende des Akts im Dunkel nach draußen. Dass sie sich bei der Premiere am 25. Juli nicht im Jubelglanz des Publikums sonnen kann, ist ihr freilich klar. Man könne es schließlich nicht 2000 Menschen recht machen, zeigte sie sich dieser Tage in einem Interview abgeklärt.

Schwarz dominiert

Soviel lässt sich verraten: Wer auf eine Überraschung wartet, wird eine Überraschung erleben. Katharina Wagner zeigt einen tristen Tristan; ein zutiefst schwarzes Stück, das kein Happy End hat und in keinem Moment den Eindruck erweckt, es würde eine andere Wendung nehmen. Kein Spaß, kein Scherz, keine Ironie, nicht ein Ansatz frech zu sein. Pur, sparsam, mit großartigen Effekten ohne eine Show zu veranstalten. Ein Stück, in dem sich immer wieder Neues entdecken lässt, weil es durchdacht ist.

Wer’s nicht mögen sollte, kann sich an der brillanten Besetzung erfreuen. Ein einziger Genuss — außer Frau Herlitzius, da wissen wir’s noch nicht. Stephen Gould gibt einen Tristan zum Niederknien, der sich durch den dritten Akt fiebert und nicht einen Hauch von Angestrengtheit in der Stimme hat; weder in der Generalprobe und auch nicht in den vorherigen Proben, in denen er seine Partie grundsätzlich voll und aus sang. Und was Christian Thielemann im Graben zubereitet! Bahnbrechend, wohl dosierte Wucht, trotz der Hitze über Bayreuth und im Festspielhaus sorgt er dafür, dass dieser „Tristan“ nicht überhitzt. Auch das kann man schon verraten.

So verlässt man leicht erschlagen das Festspielhaus nach dem dritten Akt und nickt zustimmend, wenn der Sitznachbar meint: „Das hat Zeug zum Kult.“ Es wäre mal wieder an der Zeit für Bayreuth.

„Wenn’s jetzt nicht passt, wann dann?“

Sie hat lange über den Tristan nachgedacht, hat viel geprobt, nichts dem Zufall überlassen. Am Tag nach der Generalprobe sagt Katharina Wagner schließlich: „Ich bin sehr zufrieden.“ Dass schon so viel bekannt geworden ist über ihr Stück in den vergangenen Tagen, sieht sie gelassen. Denn Geheimnisse auf dem Hügel lassen sich ohnehin nicht hüten, weshalb sie erst gar nicht so tut, als dürfte vor dem 25. Juli, dem Premierentag, nichts, absolut nichts, bekannt werden. Sie gibt Interviews, lässt auch in die Proben schauen und hätte kein Problem gehabt, ganz normale Karten für die Generalprobe zu vergeben. Es war Dirigent Christian Thielemann, der die geschlossene Probe wollte, wodurch allerdings die Spannung nochmal angekurbelt wird. Für Katharina Wagner war es jedenfalls willkommene Gelegenheit, „ihr“ Stück anzuschauen. Korrigiert wird nicht mehr: „Wenn’s jetzt nicht passt, wann dann?“.

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