Die Nornen an Siegfrieds und Brünnhildes Heim. So beginnt die "Götterdämmerung" am Landestheater in Linz. Foto: Karl Forster/Landestheater.

Die „Götterdämmerung“ in Linz

Brünnhilde (Elena Nebera) am Ende. Schöner Regie-Gag: Das Riesenross Grane, das nicht ins Feuer reitet, sondern wegfliegt. (Foto: Karl Forster, Landestheater)

Regiegag: Grane, Brünnhildes Pferd, als Riese in der „Götterdämmerung“ am Landestheater Linz. Foto von Karl Forster


„Ana hat immer des Bummerl“, seufzt singend Horst Chmela im berühmten Wiener-Lied. Und daran denkt man angesichts von Brünnhilde in der Linzer „Götterdämmerung“ am Landestheater Linz. Verlassen, ausgenutzt, ausgetrickst, vergewaltigt, verraten. Deutlich zeigt Uwe Eric Laufenberg, Regisseur des ersten „Ring“ und 2016 bei den Bayreuther Festspielen verantwortlich für „Parsifal“ wo er sicher ein bisschen weniger konservativ daherkommen wird, dass die Göttertochter eine echte Verliererin ist, das Bummerl hat. Bewusstlos auf dem Boden liegend wird sie vom eigenen Ehemann in der Maske des Fremden vergewaltigt. So endet der erste Aufzug der „Götterdämmerung“, mit der am Samstagabend Laufenbergs Regiewerk für Linz zu Ende geschmiedet wurde. Es war ein Erfolg. Zurecht.  Unverständlich, warum der Herr, hinten im Rang, „So ein Schmarrn“ zum Schluss jenes bewegenden Aufzugs dem Applaus zuvorkommt. Noch unverständlicher: Die Premiere war nicht ausverkauft.

Verzicht auf Überfrachtung

Wer sich jemals in einer Götterdämmerung gelangweilt hat, weiß, wie lange der erste Akt dauern kann. Sehr lang. Die gut zwei Stunden, so lange wie eine normale Oper gesamt dauert, können sich ziehen.  In Linz vergehen sie wie im Fluge. Dabei verzichten Regisseur Laufenberg und Bühnenbildner Gisbert Jäkel auf großes Getue, gehen stringent voran, und unterlassen es dankenswerterweise, ständig das Geschehen mit Bildern zu überfrachten, mit deren Enträtselung der Zuschauer beschäftigt ist. Das gilt auch für die Videoprojektionen im superschmalen Format (Falko Sternberg). Ein eingestreuter Gag wie mit „Grane“ im Giga-Format funktioniert dann auch dank Übertitelung richtig gut. Kannst du dich mal ums Pferd kümmern („Wohl hüte mir Grane“), weist Siegfried Hagen an, der zu dem meterhohen Vieh aufschaut.

Die Nornen an Siegfrieds und Brünnhildes Heim. So beginnt die "Götterdämmerung" am Landestheater in Linz. Foto: Karl Forster/Landestheater.
Die Nornen Karen Robertson, Brit-Tone Müllertz, Bernadett Fodor am schicken Heim von Siegfried und Brünnhilde. So beginnt die „Götterdämmerung“ am Landestheater in Linz. Foto: Karl Forster/Landestheater.

Zu Beginn sehen wir Brünnhilde und Siegfried friedlich geeint im schicken Architekten-Bungalow. Sie sind zusammen, aber nahe sind sie sich nicht. Vielleicht ist Held Siegfried schon gelangweilt von seiner Eroberung, macht sich also auf zu neuen Taten, schwört der Gemahlin die Treue, kann aber gar nicht schnell genug weg kommen. Sie merkt es nicht; ist überzeugt, alles ist gut. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Nichts ist mehr gut. Erst recht nicht für Brünnhilde. Sie sieht Wotans Schatten (gelungener Regieeinfall, den Göttervater noch einmal auftreten zu lassen; bei der Premiere sogar dargestellt von Sänger Gerd Grochowski), mag aber mit dem Alten nichts mehr zu tun haben. Die nächste Fehlentscheidung: Sie lässt sich von Waltraute (großartig, Bernadett Fodor) nicht überzeugen, den Ring den Rheintöchtern zurückzugeben.

Wie oft hätte das Götterpersonal anders entscheiden können und alles wäre anders ausgegangen? Göttervater Wotan, Siegfried, Brünnhilde. Ein Fehler jagt den nächsten. Und so endet die Geschichte, wie sie vor den letzten Dur-Akkorden am Ende eben enden muss.  Mit infernalem Rums — in Linz mit Riesenwellen und Atompilz als Videoprojektion dargestellt. Doch es geht ja weiter und irgendwie doch gut aus.

Brünnhilde in unschuldigem Weiß

Das schlusszeitliche menschliche Drama spielt mehr oder weniger in der Zukunft. Als Requisiten genügen im Hof der Gibichungen zwei Ledersessel und ein sehr großer Verhandlungstisch, an dem aber selten verhandelt wird. Eingefasst ist die Szene durch einen Rahmen in dessen Hintergrund sich die große, schwarz-glänzende Fläche wie eine Leinwand ausmacht, auf der sich der fähnchenschwingende Chor wie ein historsches Schlachtengemälde widerspiegelt. Weil man ja nicht weiß, wie die Zukunft aussieht, sind die Kostüme ziemlich neutral gewählt: Hagen in einer grauen Uniform, Statisten und Chor in gedämpften Farben und Gewändern. Einzig Brünnhilde in unschuldigem Weiß sticht heraus.

 

Herausragend ist die Musik, nicht nur das, was Richard Wagner geschrieben hat, sondern, wie das Werk umgesetzt wird. Das Bruckner-Orchester Linz ist zwar renommiert, aber doch überschaubar besetzt. Und so ist es bestimmt Übertreibung, wenn  der  umsichtige Chef des Orchesters, Dennis Russell Davies, von einem „Festival der Tage der anstrengenden Musik“ für seine Musiker spricht. Davies führt bei der Marathon-Partie (reine Spielzeit ca. 4 Stunden, 45 Minuten) das Orchester mit angezogenen Zügeln durch den Sturm der Emotionen. Gerade im ersten, dem langen Akt, hört sich das, was aus dem Orchestergraben kommt, fast kammermusikalisch an. Davies lässt den Sängern Raum, was bei Wagner nicht ganz einfach ist – zu erleben beim Linzer Siegfried, als Zweitdirigent Takeshi Moriuchi im dritten Akt der Wagner völlig durchgeht.

Trotz günstiger Kartenpreise nicht ausverkauft

Davies ist freilich zu erfahren, als dass er sich von der Macht der Gefühle überrumpeln ließe. Selbst bei den großen Orchesterstücken der „Götterdämmerung“, Siegfrieds Rheinfahrt oder dem grandiosen Trauermarsch, lockert er nur langsam die Zügel. Das hört sich alles sehr wohl durchdacht an. Wenn dann mal in einer Piano- oder Pianissimo-Phrase ein Bläser-Ton verkiekst wird — sei’s drum.

Es ist bemerkenswert, dass ein Haus mittlerer Größenordnung wie Linz — mit den entsprechenden Kartenpreisen, die mit 60 Euro in der teuersten Kategorie weit von denen in München oder Wien entfernt sind —  sich an so ein Projekt heranwagt. Da ist alles, was nicht grundsätzlich schief geht, meisterlich. Natürlich ist die Brünnhilde von Elena Nebera ausbaufähig. Aber Chapeau, wer sich überhaupt an diesen stimmraubenden Kraftakt heranwagt. Nebera ist immerhin bis zum bitteren Ende wundervoll sicher in den Höhen, lediglich in den tiefen Lagen hört sich die Sopranistin zu gewollt dramatisch an. Textverständlichkeit sucht man (nicht nur) bei ihr vergebens. Gut, dass es Übertitel gibt.

Man möchte gerne wissen, wie Albert Pesendorfer singt, wenn er gesund ist. Intendant Rainer Mennicken kündigte jedenfalls den Bass zu Beginn noch als „unpässlich“ an. Überflüssig. Pesendorfers Hagen ist nicht nur optisch, sondern vor allem stimmlich omnipräsent. Großartig, wie auch der begeisterte Applaus am Schluss beweist.

Lars Cleveman als Siegfried und Albert Pesendorfer als Hagen in der "Götterdämmerung" in der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg am Landestheater Linz. - Foto von Karl Forster
Held Siegfried – Lars Cleveman – ist am Ende. Hagen – Albert Pesendorfer – meuchelt ihn in der „Götterdämmerung“. Foto von Karl Forster/Landestheater

Das Publikum in Linz ist diesbezüglich allerdings eher ein zurückhaltendes. Ein schwaches Buh gibt’s  am Ende für den Siegfried von Lars Cleveman, der die Partie des Siegfried aber ganz gut gestemmt hat, wenngleich er halt leider kein Schauspieler ist. Im Gegensatz zum Beispiel eben zu diesem Hagen. Durchwegs bejubelt werden neben den weiteren überzeugenden Sängern ebenfalls Regisseur Uwe Eric Laufenberg, Bühnenbildner Gisbert Jäkel und Antje Sternberg, die für die Kostüme verantwortlich zeichnet.

Der Ring in Linz ist also geschmiedet — und zum Ansehen dringend empfohlen: Karten und weitere Termine.

Mehr über die Vorgeschichte des Ring in Linz und über die Verpflichtung von Regisseur Laufenberg in Bayreuth, hier

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