32 Jahre müsste man statistisch gesehen warten, um in der Warteliste so weit nach vorn zu rücken und eine Premierenkarte für Bayreuther Festspiele (immer 25. Juli) zugeteilt zu bekommen, so man sich im Herbst 2014 auf dem Postweg darum bemüht hätte. Das ist natürlich eine sehr theoretische Zahl, aber ein Anhaltspunkt, wie groß der Ansturm auf die Karten der Festspiele, speziell auf diese eine Vorstellung, die Premiere, ist.
20 000 Karten für Formular-Besteller
Die Zahl der Besteller, die ab September bis Dezember per Post oder Onlineformular Karten für die Saison 2015 orderten, war hoch, „deutlich zu hoch“, sagt Peter Emmerich, Pressesprecher der Bayreuther Festspiele, auf Nachfrage von festspieleblog.de. 52 000 Karten waren hier schon bestellt, „60 Prozent per Post, 40 Prozent online“, schlüsselt Emmerich auf. Klar, dass viele Wünsche unerfüllt blieben: Für eine Saison stehen rund 59 000 Tickets zur Verfügung (30 Vorstellungen in sechs Wochen, 1972 Sitze im Festspielhaus), knapp 20 000 Karten standen zur Verfügung, die nun nach automatischem Prinzip vom Computer verteilt wurden. 4700 Menschen erhielten ihre Zusage mit Rechnung. Wer kein Glück hatte, bekam eine Absage-Mail; die Post-Antwort wurde vor drei Jahren abgeschafft. Doch es gibt ja die zweite Chance, den direkten Online-Verkauf. Start: 1. Februar, 14 Uhr.
Online-Karten am 1. Februar, 14 Uhr
Was der Renner unter den bisherigen Kartenwünschen ist? Natürlich „Tristan und Isolde“. Nach einem premierenlosen Stück 2014 endlich wieder eine Neuinszenierung. Wenn noch dazu Katharina Wagner, die Festspiel-Mitchefin und baldige Alleinherrscherin auf dem Grünen Hügel, zum zweiten Mal im heimischen Festspielhaus inszeniert („Meistersinger“ von 2007 bis 2011), will man das freilich sofort erleben, zumal wenn Publikums-Liebling Christian Thielemann am Pult steht, und seine elf-jährige Tristan-Abstinenz beendet (nach 2004 an der Wiener Staatsoper). Und obendrein ist die Besetzungsliste Besetzungsliste (Stephen Gould, Anja Kampe, Georg Zeppenfeld) vielversprechend. Insgesamt aber business as usual laut Peter Emmerich: „Die Premiere ist immer besonders gefragt, da gab es auch in diesem Jahr keine Auffälligkeit“. Alles also, wie immer.
Politik, Promis, Presse
Nun darf aber auch unterstellt werden, dass der Premieren-Besteller nicht allein der Kunst wegen gleich am 25. Juli im Festspielhaus einen Platz bekommen will. Es geht auch um Glanz und Gloria, allen voran mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Teilen des Kabinetts, daneben Promis, die man aus den bunten Blättern kennt, dazu Presse und Sponsoren. Da sind die Chancen auf eine Karte im freien Verkauf überschaubar. Es gibt ja aber auch noch fünf weitere Vorstellungen; die am 7. August soll aufgezeichnet und in die Kinos übertragen werden.
20 000 Karten sind also vergeben; 20 000 kommen in den Online-Verkauf am 1. Februar. „Sie werden sicher fragen, wo der Rest der Karten ist“, nimmt Pressesprecher Emmerich genau das vorweg und gibt die Antwort: Da sei das Kontingent für die „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“, Mitgesellschafter der Festspiele und finanzkräftiger Sponsor. Die GdF bekommt 14 000 Karten, nicht geschenkt, sondern darf sie zum regulären Kartenpreis (zwischen 30 und 320 Euro) erwerben und an ihre Mitglieder veräußern. Am Ende bleiben rund 5000 Karten, das sind Dienst- und Pressekarten, also für Mitwirkende und akkreditierte Journalisten aus Deutschland und der ganzen Welt. Werden aus diesem Kontingent Karten zurückgegeben, kommen die übrigens ebenfalls in den Verkauf.
Wer hat schon Zeit, auf Karten zu warten?
Es wird ja immer trefflich diskutiert, wie zeitgemäß die Festspiele mit ihrem selbst auferlegtem engen Spielkorsett (zehn Wagner-Stücke) sind, ihre Inszenierungen, ihr Konzept. Und keine Saison vergeht, in der nicht über einen Niedergang orakelt wird, weil die Kartennachfrage angeblich nachlässt. Durch den steigenden Onlineverkauf lässt sich jedoch nicht mehr so genau wie früher überschauen, auf wie viele Jahre hinweg das Festival ausgebucht ist. Zehn Jahre Wartezeit galten früher als Faustregel; mittlerweile sollen es angeblich „nur“ noch acht Jahre sein. Egal: „Ausverkauft ist ausverkauft“, kommentierte Festspielleiterin Katharina Wagner letztes Jahr solche Berechnungen.
Denn das Internet gewinnt an Bedeutung. In Zeiten von Spontanevents und sinkender Möglichkeit, die Urlaubsplanung im Büro so weit hinauszuzögern, bis vielleicht im Frühjahr einmal Karten aus Bayreuth eintrudeln, in solchen Zeiten ist das einstige Bestellsystem ein Relikt, das jedes Jahr weiter aufgeweicht wird: Tickets für zunächst eine, dann elf, schließlich nun für alle Vorstellungen können im Internet gekauft werden (festspieleblog berichtete schon im August 2014 darüber). Mit Rücksicht auf die Traditionalisten unter den Wagnerianern gibt es für die Saison 2015 den Kompromiss Halbe/Halbe.
Onlineverkauf startet 1. Februar
Die ersten 20 000 Karten sind weg, am 1. Februar geht es in die zweite Runde: unter www.bayreuther-festspiele.de kommen die nächsten 20 000 Karten unters Volk. 2013 verlief der Auftakt beim Onlineverkauf einigermaßen chaotisch. Der Server brach innerhalb von Minuten zusammen. Es konnte bestellt, aber nicht bezahlt werden, man flog aus der Leitung. Kurz: Es gab Ärger. Das soll in diesem Jahr nicht mehr so sein, „es werden alle Vorkehrungen getroffen, damit sich das nicht wiederholt und alles reibungslos klappt“, gelobt Festspiel-Sprecher Emmerich. Das System sei mit dem Online-Dienstleister TMT optimiert worden und zwar in folgenden Punkten:
- 2013 wurden die elf Vorstellungen schon im Oktober im Internet angeboten. Heißt: Alle stürzten sich gleichzeitig auf die Homepage der Festspiele. Unter der Last des Andrangs, man hörte von zwei Millionen Klicks, ging der Server in die Knie. Um den Ansturm 2015 zu entzerren, wurde die herkömmliche Bestellung nun vor den Online-Verkauf gelegt. Somit sind bereits einige Tausend Wünsche erfüllt. Was übrigens nicht heißt, dass die Leute, die schon Karteninhaber sind, nicht auch noch die zweite Chance nutzen dürfen. Kontrolliert wird das nicht.
- Selbst wenn am 1. Februar alle Interessenten gleichzeitig losklicken, soll der Server dem standhalten, es gibt eine Art Warteschleife. Peter Emmerich vergleicht das System mit einem Geschäft, in das nur eine bestimmte Anzahl an Kunden eingelassen wird. Sobald ein Platz frei ist, rückt der nächste nach, „und die Leute in der Warteschleife sehen, wie lange es noch dauert“.
- Ist man „im Geschäft“, bleibt eine halbe Stunde Zeit, den Wartenkorb noch zu verändern (2013 eine Stunde). Es ist also ratsam, sich nicht auf einen Termin, eine Bestellung zu fixieren, sondern auch Plan B oder C parat zu haben. Weil man zurzeit schon auf den Ticketshop geleitet wird, wenn man die Homepage der Festspiele aufruft, hier geht’s zum Spielplan 2015: https://www.bayreuther-festspiele.de/deutsch/spielplan_455.html
- Aufgegeben wurde auch die Bezahlung ausschließlich durch Paypal. Wer am 1. Februar ordert, „kann mit allen gängigen Möglichkeiten bezahlen“, sagt Peter Emmerich. Angenommen werden also Kreditkarten, Sofortüberweisungen und weiterhin Paypal.
- Die virtuellen Ladentüren öffnen am Sonntag, 1. Februar, um 14 Uhr.
- Es ist zu erwarten, dass die Aufführungen schnell ausverkauft sind, doch schon letztes Jahr zeigte sich, dass Rechnungen nicht bezahlt wurden oder Karten aus irgendwelchen anderen Gründen wieder in den Verkauf kamen; das passiert übrigens auch mit Dienst- und Pressekarten. Bei Absagen kommen diese an die Abendkasse bzw. in den Online-Verkauf. Peter Emmerich: „Es lohnt sich also, immer wieder im Online-Shop nachzuschauen.“
Die bisherige Hitliste
Das Ranking bisher: „Tristan und Isolde“ vor „Lohengrin“ (wird dann nach der sechsten Saison abgesetzt) und „Der fliegende Holländer“ (diesmal ohne Thielemann, es dirigiert Axel Kober). Der „Ring“ mit vier Vorstellungen, die nur gesamt bestellt werden können, taucht in diesem Ranking nicht auf.