Fast wäre die Sache eskaliert. Und das am letzten Abend, am Ende der letzten Pause: Als die Statisten eine Art Messe zelebrieren und „Apollon und Dionysos“ huldigen, dröhnen heftige „Aufhören“-Rufe durch den Zuschauerraum. Ein Herr und eine Dame in Reihe 26 fangen an, andere machen mit. Andere sind entsetzt, über so viel Ablehnung. Die Dame hinter mir äußert sich indes nur enttäuscht darüber, weil sie die Regie nicht kapiert: „Ich dachte, das ist selbsterklärend.“ Ja, ein Opernabend zumal in Bayreuth ist halt kein Smartphone. Ihre Vermutung, die Gruppe auf der Bühne habe wegen der Stimmung im Saal aufgegeben, stimmt allerdings nicht. Es sind schließlich Statisten-Profis, die sich nicht so schnell aus dem Konzept bringen lassen. Sie haben eingepackt, weil die Pause rum war.
Vielleicht wäre doch noch was geworden aus dem Tannhäuser. Irgendwie hat man sich daran gewöhnt und man möchte sagen: Liebe so eine schräge Inszenierung als die geballte Langeweile wie bei „Holländer“. Das ist freilich Geschmacksache, weshalb es wiederum gut ist, dass verschiedene Regiestile in Bayreuth gepflegt werden. Der Tannhäuser wird jedenfalls nach kurzmöglichster Zeit – vier Spielzeiten – abgesetzt. Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten konnte sich in dieser Rieseninstallation einfach nicht entfalten.
Camilla Nylund, wunderbare Elisabeth, wird die Inszenierung dennoch vermissen, wie sie auf Facebook noch am Abschiedsabend erklärte. Klar, sie wurde heftig umjubelt. Die Entdeckung der Saison: Markus Eiche, der neue „Wolfram“, lieferte bis zum Schluss eine so nicht erwartete Glanzleistung ab. Und jammerschade, dass „der junge Hirt“, Katja Stuber, nur so eine kurze Rolle hat. Von ihr möchte man mehr hören. Anzunehmen, dass diese Namen nicht zum letzten Mal in Bayreuth auf der Besetzungsliste standen.
Die Saison ist zu Ende. Was gibt es Neues in Bayreuth? Eine Vorschau:
Der Ring 2016?
Kaum ist der Vorhang für die Saison gefallen, werden erste Details für 2015 bekannt. Die Fachwelt machte sich bereits Sorgen, ob denn der gefeierte Ring-Dirigent Kirill Petrenko nächstes Jahr wieder da sein wird. Er ist, das ist sicher.
Aber wie geht es nach 2015 weiter? Die Staatsoper München will ihren GMD gern selbst bei ihren Opernfestspielen haben. Das ist verständlich. Andererseits: Wiewohl die Opernfestspiele eine schicke Sache sind, stünde es den Münchnern durchaus gut an, einmal im Jahr zur Kenntnis zu nehmen, dass sich Hochkultur auch einmal außerhalb der Landeshauptstadt abspielt; innerhalb Bayerns, in Bayreuth also. Und dass Petrenko hier derzeit unabkömmlich ist, könnte die Staatsoper zufrieden registrieren.
Eine Absage Petrenkos 2016 würde eine arge Lücke reißen. Denn wer sollte dieses Werk dann übernehmen? Christian Thielemann vielleicht? Könnte er sicher. Aber ob er als Nummer zwei in einen Ring einsteigen mag und sich in eine direkte Konkurrenzsituation nach dem gefeierten Petrenko begibt? Überdies hat er den Tristan (Premiere 2015). Würde er dann noch den Ring übernehmen, müsste man langsam über die Umbenennung der Wagner-Festspiele nachdenken…
Nicht mehr dabeisein werden nächstes Jahr übrigens Hagen und Gunter, Attila Jun und Alejandro Marco-Buhrmester. Wer nachfolgt, steht noch nicht fest. 2016 wird es zum großen Sängerwechsel kommen. Der Nachfolger von Lance Ryan als Siegfried steht schon fest. Und wer weiß, ob er nächstes Jahr noch kommen wird. Er konnte die Erwartungen des Publikums nicht erfüllen. Da wird der Verlust des Wotans schon schwerer wiegen. Doch wie zu hören ist, will Wolfgang Koch 2016 aussteigen – die Riesenpartie wird ihm zu viel.
Ortrud 2018
Festspieleblog hatte darüber berichtet, dass Christian Thielemann angemerkt hatte, Waltraud Meier werde auf den Grünen Hügel zurückkehren. Dieses Gerücht erhärtet sich. Aus dem sehr nahen Umfeld der Festspiele ist zu hören, dass sie 2018 die Ortrud in Lohengrin übernehmen wird. Am Pult – natürlich Thielemann. Es gilt auch ziemlich sicher, dass er den Ring 2020 dirigiert, noch ein Grund mehr, sich dieses Mammutwerks 2016 nicht anzunehmen. Für Waltraud Meier wäre das Engagement als Ortrud eine Versöhnung mit Bayreuth: Die gebürtige Würzburgerin hatte sich 2000 mit Wolfgang Wagner überworfen und war seither nicht mehr hier aufgetreten.
„Ich bin der Jonathan“
Gesichtet wurde in der vergangenen Woche übrigens Jonathan Meese, der Regisseur des „Parsifal“ 2016. Er hat sich die Götterdämmerung angesehen, auch den Lohengrin, den ja sein „Parsifal“ Klaus Florian Vogt singt. Wie zu hören ist, war Meese voller Ehrfurcht im Haus unterwegs; von wegen Skandalkünstler: Hinter den Kulissen gab er artig die Hand: „Hallo, ich bin der Jonathan“.
Dasch wieder Elsa
Andris Nelsons wird 2015 wegen anderer Verpflichtungen nicht in Bayreuth sein. Den „Lohengrin“ übernimmt Alain Altinoglu und gibt damit sein Debüt im Bayreuther Orchestergraben. Noch einmal Lohengrin, der nächstes Jahr in die letzte Saison geht: Anette Dasch, die in diesem Jahr erstklassig von Edith Haller als Elsa vertreten worden war, kehrt 2015 wieder zurück. Heuer hatte sie kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes abgesagt. Andris Nelsons dirigiert 2016 den neuen „Parsifal“. Als Elsa wird Anna Netrebko gesetzt. Angeblich gibt sie 2016 ihr Debut in dieser Rolle in Dresden – unter Thielemann. So laufen alle Fäden wieder zusammen.
2017 gibt es neue „Meistersinger“ unter der Regie von Barrie Kosky. Die Hauptpartien sind ebenfalls bereits bekannt: Michael Volle als Sachs, Johannes Martin Kränzle als Beckmesser, Klaus Florian Vogt als Stolzing und Krassimira Stoyanova als Eva. Es dirigert Philippe Jordan.
Eva und Katharina
Noch eine Geschichte aus der Gerüchteküche: In Bayreuth wurde kolportiert, das Verhältnis der Wagner-Schwestern sei so offensichtlich schlecht, dass man sie diese Saison nicht gemeinsam gesehen hätte. festspieleblog.de hat sich nicht nur gemeinsam gesehen, sondern sogar fotografiert. Bei der TAFF-Mitgliederversammlung traten die beiden sie wie eh und je zusammen auf, um von der Saison zu berichten. Sicher ist freilich: Katharina Wagner wird ab 2015 alleinige Chefin auf dem Hügel sein.
Tristan kommt ins Kino
Nach der Saison ist vor der Saison: Während am Donnerstagabend noch ein zwangloses Abschlussfest begangen wurde, war auf der Homepage der Bayreuther Festspiele schon der Spielplan 2015 eingewechselt: Premiere ist wie immer am 25. Juli – dann mit „Tristan und Isolde“ in der Neuinszenierung von Katharina Wagner. Der „Tristan“ wird nächstes Jahr auch in die Kinos übertragen. Termin: 7. August.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] Edelbesetzung: Waltraud Meier kehrt nach Jahren zurück nach Bayreuth, sie singt die Ortrud (hier der Beitrag), fix gesetzt sind Roberto Alagna als „Lohengrin“ und Georg Zeppenfeld als […]
Nachdem hier in unserem Ferienhaus in der Toscana nun der Internetanschluß funktioniert, rief ich mit etwas Wehmut die Seite festspieleblog auf und war freudig überrascht, welche Fülle an Informationen ich auch nach Abschluß der Festspiele hier erhalte.
All diese Nachrichten und Hintergrundsinformationen zeugen von einer hohen journalistischen Kompetenz! Für viele Leser ist es eine erfreuliche Information, daß es weitergeht.
Zu der angesprochenen Diskussion, ob eine Regie „selbsterklärend“ sein soll, kann man nur sagen, daß eine solche Inszenierung langweilig wäre.
Das ist eben das spannende,daß man beim wiederholten Erleben einer Aufführung immer wieder Neues entdeckt. Wie könnte es sonst sein, daß eine Inszenierung wie Lohengrin zur Premiere ausgebuht wurde und jetzt zur Kultaufführung mit langen „standing ovations“ wurde?
Gleiches kann mit dem gegenwärtigen Ring passieren, wie Dr.Friedrich in seinen von festspieleblog häufig zitierten Vorträgen erwähnt.
Diese informativen, gut verständlichen und auch recht amüsanten Vorträge sollten eigentlich eine „Pflichtveranstaltung“ für alle Alt-und Neuwagnerianer sein. Außerdem sind sied eine gute emotionale Einstimmung für die Aufführung dann am Nachmittag.
Noch einmal herzlichen Dank für die viele Arbeit bei der Erstellung dieser Seite. Sie ist bei mir auf dem Computer unter Favoriten abgespeichert…