Der damaligen Zeit nachempfunden ist dieses Parsifal-Kostüm: Monika Gora enthüllt die Dame. (Foto: ek)

Monika Gora: Die Herrin der Kostüme

So ist das mit den Lohengrin-Ratten: Monika Gora, Ausstattungsleiterin der Bayreuther Festspiele, erklärt's. (F: ek)

Blut ist eine Herausforderung: Tränt es zäh von der Wand? Tropft es aus dem Mund oder aus den Augen? Und die große Frage: Lässt es sich beseitigen, wenn es zum Beispiel auf changierende Seide trieft? Helle, changierende Seide, wie Elisabeths Prachtkleid im zweiten Akt des Tannhäuser? Nein. Monika Gora würde zu anderem Material raten. Und sie plaudert im wahrsten Sinne des Worte aus dem Nähkästchen, denn Monika Gora ist Leiterin der Abteilungen Kostüm, Maske und Requisite bei Bayreuther Festspielen und damit verantwortlich für sämtliche Stoffe, Schminken, Kopfbedeckungen und Bühnenzubehör.  Als sich das Blut-Seide-Problem stellte, war das Kostüm schon fertig. Monika Gora zieht in solchen Fällen häufig Franz Peter Wild, den Reinigungsfachmann, zu Rate. Und so wurde auch hier eine Lösung gefunden, wie auf viele, viele Fragen: „Das gehört zu meinem Beruf“, lacht Monika Gora dann.

Natürlich sind es die Ratten, die nicht nur das Publikum, sondern auch Monika Gora heute noch faszinieren. Lohengrin war ihre erste Produktion, die sie in ihrer neuen Aufgabe in Bayreuth verantwortete. Und dann Ratten – was für ein Aufwand! Während Schuhe oder andere Kleinteile durchaus in der örtlichen Geschäftswelt geordert werden, ist die Megaproduktion nichts von der Stange: Wie verwandelt man 76 Herren und 58 Damen, die hörbar und gut singen und sich dazu  noch bewegen müssen, in Labortiere? Die Lösung ist genial und kommt entsprechend gut an. Das geschmeidige Teil sieht nach Neopren aus, ist aber tatsächlich eine Sonderanfertigung aus Jersey. Neopren wäre nicht nur zu schwer, sondern für Sänger viel zu warm. Fieberglasstäbe im Kostüm sorgen für Stabilität und dafür, dass die Träger beweglich und die Bewegungen rattig bleiben. Und damit der Träger nicht allzusehr schwitzt, sind an den Armen Netzstoffe eingearbeitet. Der Rattenkopf  ist erstaunlich leicht. Und gut, dass es einen Autohersteller gibt, der die Bayreuther Festspiele sponsert. Audi entwickelte die blinkenden Augen der Ratten, die in China eigens hergestellt wurden.

Vor fünf Jahren wurde die studierte Masken- und Kostümbildnerin Monika Gora nach Bayreuth geholt. Da hatte die gebürtige Niederbayerin  bereits 15 Jahre freies Arbeiten an verschiedenen Bühnen hinter sich. Ihre „Wanderjahre“ nennt sie diese Zeit, die sie auch sehr genossen hat, wenngleich sie es nur selten schaffte, sich eines der Museen in der jeweiligen Stadt, in der sie gerade arbeitete, jemals anzuschauen. Am Theater herrscht immer Zeitdruck. Aber „ich liebe meinen Beruf“, schwärmt Monika Gora. Und dazu gehören auch die Herausforderungen, wie die Frage, wie ein Kaulquappenkostüm ausschaut (Tannhäuser) oder wie man auf die Schnelle Goldbarren (Rheingold) herzaubert.

Bayreuth ist freilich ein Gipfel deutscher Theaterkunst. Hier ist vieles möglich, worüber man anderswo nicht einmal nachdenken dürfte: „Aber alles geht auch nicht. Nicht einmal in Bayreuth“, sagt Monika Gora bestimmt und man glaubt es ihr sofort, dass sie auch das Nein-Sagen im Job beherrscht. Wenn’s aber das Budget – auch dafür ist sie in ihrem Bereich verantwortlich – hergibt, dann wird Atlasseide nachgeordert, damit der Auftritt der Chordamen der Idee von Lohengrin-Ausstatter Reinhard von der Thannen entspricht und die Seerosen von Monet nachempfunden werden. Monika Gora mag diese Kreativität, nennt es „ein schönes Beispiel, wie die Kunst von der Kunst lernt.“

Vier Gewandmeister, das sind Schneidermeister mit Ausbildung für historische Kostüme, und 30 Schneider sind zu Hochzeiten damit beschäftigt, den Sängerinnen und Sängern das passende Outfit zu verleihen – und zwar von der Unterwäsche über die Schuhe bis hin zum Prachtkleid. Vom Lumpen bis zum Frack. Nicht alle Kostüme können in den eigenen Werkstätten hergestellt werden, Aufträge werden weltweit vergeben, weshalb auch Bürokratie („drei Angebote einholen“) zur Aufgabe der Ausstattungsleiterin gehört.

Ruhe herrscht selten in den Abteilungen Kostüm, Maske, Requisite. Aber Spaß gehört auch dazu, wie Monika Gora wieder auf die Ratten zurückkommt. Freilich war es niemand gewohnt, in diesen Tatzen – Latex um Ballerinas – zu trippeln und die Finger in langen Glibberhandschuhen zu bewegen, weshalb halt die eigens aufgeklebten Fingernägel immer wieder abbrechen, „das ist der Praktikantenjob, Fingernägel ankleben“, plaudert die Ausstattungs-Chefin. Oder die Schwänze der Ratten, auf die natürlich immer wieder irgendjemand steigt, weshalb die Mahnung zum Running Gag hinter der Bühne wurde: „Schwänze in die Hand“ – ein Spruch, der auf T-Shirts verewigt wurde. Oder wer kann ahnen, dass ein Statist eine Sellerie-Allergie hat, wo doch exakt dieses Gemüse im Tannhäuser geschnippelt wird? Ein Mann kippte um, und war nicht seinen Job als Statist los. Es wurden stattdessen ellenbogenlange Schonhandschuhe gesucht und geordert – für alle Sellerie schneidenden Statisten.

Wer meint, jetzt, zum Ende der Festspiele, würde es ruhiger werden, in den Werkstätten über den Dächern des Festspielhauses, täuscht. „Nach der Saison ist vor der Saison“, sagt Monika Gora. Seit letztem Winter ist die Premiere 2015 in Vorbereitung, „Tristan und Isolde“. Wie die Kostüme aussehen – Staatsgeheimnis.

Erst kommen die Figurinen – das sind die Zeichnungen der jeweiligen Ausstatter des Stückes, dann macht sich Monika Gora Gedanken über die Realisierung. Woher die Stoffe, welche Stoffe? Wie sind sie zu verarbeiten? Und wie sind sie zu reinigen? Kann das die hauseigenen Wäscherei übernehmen oder muss die Reinigung ran. Zwei Waschproben sind obligatorisch. Dann ist aber auch der reibungslose Ablauf auf der Bühne gewährleistet. Beispiel Nornen in der Götterdämmerung: Ihre Kostüme werden im ersten Akt mit Blut verschmiert. Und das ist ziemlich unangenehm, weiß Monika Gora.In der Pause wird die Nornen-Ausstattung in Windeseile gewaschen und getrocknet und steht für den zweiten Akt wieder zur Verfügung, „im schlimmsten Fall noch etwas feucht, aber nicht mehr klebrig“, erzählt Monika Gora. Blut, „das ist wirklich ein unendliches Feld“, weiß sie.  Das Rot lässt sich am Ende auch aus Elisabeths Kleid aus changierender Seide entfernen. Aber: „Wer mit so einem Stoff zu tun hat, weiß, dass er bei jeder Wäsche leicht eingeht.“ Es ist das dritte Seidenkleid, das Elisabeth mittlerweile trägt.


 

Monika Gora hielt im Rahmen von „Freunde treffen Freunde“ der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth in der Klaviermanufaktur Steingraeber einen höchst unterhaltsamen und interessanten Vortrag mit praktischen Beispielen.

Monika Gora, Ausstattungsleiterin der Bayreuther Festspiele, und Ina Besser-Eichler, Geschäftsführerin der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth. (F: ek)
Der damaligen Zeit nachempfunden ist dieses Parsifal-Kostüm: Monika Gora enthüllt die Dame. (Foto: ek)

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