Und sie stellt die Frage doch: Edith Haller als Elsa mit Klaus Florian Vogt als Lohengrin. (Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele)

Lohengrin: Wenn’s läuft, dann läuft’s

Große Show bei Lohengrin: Prächtige Kostüme und überzeugende Sängerinnen mit Petra Lang (l.) als Ortrud und Edith Haller als Elsa. (F: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele)

Was macht man, wenn man um 14 Uhr eine Karte für den „Lohengrin“ – Beginn 16 Uhr –  angeboten bekommt? Alles stehen und liegen lassen, natürlich, und hingehen. Es ist das Lieblingsstück des Bayreuther Publikums, mit dem Lieblingssänger des Bayreuther Publikums. Obwohl man dieses Stück schon mehrmals gesehen hat, ist es immer wieder ein Ereignis. Daran hat sich auch im vierten Jahr nichts geändert.

Klaus Florian Vogt sieht aus, als könnte er selbst nicht fassen, dass er der Grund ist für ein tobendes Festspielhaus. Allein steht er vor dem Vorhang und blickt hinauf, verbeugt sich, strahlt, weil er hier eben nicht vor einem Stadttheater steht,  sondern im Bayreuther Festspielhaus, dem Himmel der Wagnerianer. Die Reihen stehen, klatschen. Vor allem seinetwegen. Wer die ersten drei Teile des „Ring des Nibelungen“, die bisher gespielt wurden, gesehen hat, weiß, dass Applaus verhaltener geht.

„Lohengrin“ läuft einfach rund. Und wenn’s läuft, dann läuft’s, was bedeutet, dass auch die relativ kurzfristig eingesprungene Elsa Edith Haller kein schlichter Ersatz ist, sondern ganz große Wucht. Annette Dasch, die bisherige Elsa, hat erst im Mai ihr zweites Kind bekommen und pausiert noch. Edith Haller, die Neue, brilliert nicht nur als Sängerin vor allem mit glasklaren Höhen. Sie spielt obendrein diese zweifelnde, naiv-tollpatischige junge Frau, die ihre Meinung schneller ändert als ihre Garderobe, ganz großartig: Schwanenritter anhimmeln, am Fremden zweifeln, Ortrud nicht mögen, aber deren Hetze glauben.

Dabei gibt sich Petra Lang als Ortrud alle Mühe, unbeliebt zu sein. Fabelhaft, wie sie ihr boshaftes Wesen über die ganze Partie hindurch hält. Noch wichtiger als das ist freilich Petra Langs Stimme. Ein Hammer, wie sie schmeicheln kann und schneidend ihr Gift verspritzt – ohne einen Hauch von Unsicherheit. Im Gegenteil. Emotional schleudert sie ihren Mezzo bis in die hinterste Ecke des großen Hauses, laut, natürlich, aber kein Pressen oder gar Schreien.

Christian Thielemann als musikalischer Berater der Bayreuther Festspiele meinte sicher nicht diese Besetzung, als er am Sonntag bei der Versammlung der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“  fand, bei der sängerischen Qualität in Bayreuth sei noch Luft nach oben.

Da ist ein wütender Telramund von Thomas J. Mayer, ein Wankel-König Heinrich von Wilhelm Schwinghammer; und der blitzsaubere Bariton von Samuel Youn als Heerrufer.

Dieses Stück macht einfach Spaß, woran natürlich die Inszenierung ihren Anteil hat. Die Geschichte vom Schwanenritter, der die des Brudermordes angeklagte Elsa von Brabant rettet, sieht Regisseur Hans Neuenfels als Versuch, weshalb er die Geschichte ins Labor verlegt. Hier spielen freilich Ratten eine tragende Rolle.

Bei der Premiere wurden die Tiere noch mit Entsetzen aufgenommen. Heute sind die Kostüme – insgesamt herrlich von Reinhard von der Thannen, der auch das Bühnenbild verantwortet –  Kult, der Liebling des Publikums, running Gag und beliebteste Rolle bei den Statisten. Wer die rosa Babyratte spielen darf, die aus der Reihe tanzt, wird in ganz Bayreuth beneidet.

Ja, es wird gelacht beim „Lohengrin“, obwohl’s kein Happy End gibt, das man der im dritten Akt so verzweifelten Elsa gönnen würde. Nichts wird’s: Sie stirbt, Ortrud stirbt, alle sterben, Lohengrin geht, und Elsas Bruder kommt als sehr merkwürdig frisch geschlüpftes Etwas zurück. Wenn  Klaus Florian Vogt einsam beleuchtet zu den letzten Takten aus dem Orchestergraben langsam aufs Publikum zuschreitet, bevor es schließlich ganz vorbei ist, ist das schlicht ein starker Moment in Bayreuth.

So auch bei der Premiere 2014. Und genau der wird jäh unterbrochen – und zwar noch bevor das Licht erlischt – von einem gegrölten Pfui, ein paar Buhs stimmen mit ein. Eine Frechheit von Herrschaften, sich das Recht nehmen, fast 2000 anderen im Publikum – darunter auch wieder Kanzlerin Angela Merkel, diesmal im brombeerfarbenen Abendkleid – dieses kurze, stille Austrudeln des Abends zu verwehren. Man kennt das mittlerweile, doch das macht die Sache nicht besser.

Die Unmutsbekundungen galten offensichtlich der Regie von einigen Wenigen, die finden dass früher alles besser war. Der Rest des Abends ist Jubel, frenetischer Jubel. Für die Sänger, für den feinen Festspielchor mit seinem Leiter Prof. Eberhard Friedrich und Dirigent Andris Nelsons mit dem großartigen Festspielorchester.

Selbst jubelt man mit, auch für den eigenen Entschluss, das Kartenangebot angenommen zu haben. Das war übrigens reine Glückssache. Denn „Lohengrin“-Karten gibt’s nur noch für teures Geld auf dem Schwarzmarkt, während man beim „Ring“ und beim „Tannhäuser“ durchaus noch Karten bekommen kann (je kurzfristiger, desto günstiger!). So schimpft ein Händler am Mittwoch („Siegfried“): „Das will doch keiner sehen!“ Das stimmt so freilich auch nicht. Denn das Haus ist immer voll. Und wenn einmal ein Platz frei bleibt, liegt’s nicht daran, dass die Karte nicht verkauft wurde, sondern, dass ihr Eigentümer nicht in der glücklichen Lage war, alles stehen und liegen lassen zu können. – ek


Eine ausführliche Regiebesprechung von Dr. Sven Friedrich zu diesem „Lohengrin“ folgt demnächst.

Ein Interview mit Lohengrin Klaus Florian Vogt lesen Sie hier https://www.festspieleblog.de/2014/07/klaus-florian-vogt-keine-angst-vor-meese/

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