Klaus Florian Vogt in Lohengrin (Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele)

Klaus Florian Vogt: Keine Angst vor Meese

Traumpaar Lohengrin und Elsa: Klaus Florian Vogt und Edith Haller. (Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele)

Klaus Florian Vogt ist zweifelsohne der Publikumsliebling bei den Bayreuther Festspielen: Den „Lohengrin“ hat er zwar auch schon an anderen großen Häusern gesungen. Doch den Durchbruch beim großen Publikum schaffte er hier, als er 2011 kurzfristig für Jonas Kaufmann einsprang, der nur ein kurzes Bayreuther Gastspiel gegeben hatte.

Vogt, der mit Frau und vier Söhnen in holsteinischen Dithmarschen lebt, bleibt Dauergast in Bayreuth: Für 2016 ist er als Parsifal engagiert; 2017 als Stolzing in „Die Meistersinger von Nürnberg“. Während die Fachwelt nervös der Regiearbeit von Jonathan Meese, der den „Parsifal“ inszeniert, entgegensieht, bleibt Vogt gelassen. Gespräche hat es noch nicht gegeben, sagt er. „Und ich glaube auch nicht, dass von den Leuten etwas verlangt wird, was die dann nicht wollen“, so Vogt im Interview mit festspieleblog.de für das er sich an einem schönen Bayreuther Samstagnachmittag Zeit nimmt.


festspieleblog: Wie fühlen Sie sich hier, in Bayreuth?
Klaus Florian Vogt: Super. Ich kann nichts anders sagen. Es ist immer wieder toll hier. Ich finde es eher traurig, dass die Probenzeit vorbei ist.

Was ist das Besondere an der Probenzeit?
Man trifft mehr die Kollegen, es geht ein bisschen ruhiger zu. Die meisten haben zu der Zeit noch den Kopf frei, im Gegensatz zur Festspielzeit, wo alles schon sehr, sehr konzentriert ist. Insofern ist die Probenzeit eigentlich die schönste Zeit.

Die Proben beginnen Ende Juni. Bleiben Sie die ganze Zeit in Bayreuth?
Wenn es geht, schon. Nachdem wir den Lohengrin ja schon ein paar Mal gemacht haben, hatten wir in diesem Jahr nicht so viele Proben. Dadurch hält man sich weniger im Festspielhaus auf und das ist schade. Denn es ist eine Zeit, auf die ich mich das ganze Jahr über sehr freue – und die geht so schnell vorbei.

„Da musste ich mich erst mal hinsetzen.“
Klaus Florian Vogt über den ersten Anruf aus Bayreuth

Sind Sie wieder mit Ihrem Wohmobil hier?
Das Wohnmobil ist mit, aber ich wohne da im Augenblick nicht drin. Ich bin ja jetzt für längere Zeit hier und meine Familie kommt. Wir haben jetzt ein Haus gemietet.

Funktioniert das überhaupt noch, sich als Startenor auf einem Campingsplatz aufzuhalten. Werden Sie da nicht ständig angesprochen?
Doch, das geht schon noch. Es kommt schon vor, dass man angesprochen wird, aber das hält sich noch in Grenzen.

Sie waren 2007 erstmals bei den Festspielen engagiert. Wie war das, als der Anruf aus Bayreuth kam?
Da musste ich mich doch erst mal hinsetzen… Als der erste Anruf kam, war ich in Mailand. Und als der ganz kurzfristige Einsatz kam, war ich gerade in Wien. Das war sehr aufregend. Vor allem wenn man hört: Kannst du in zwei Tagen hier sein und anfangen?

Haben Sie alles stehen- und liegengelassen?
Ja, mehr oder weniger. Zu dieser Zeit war mein Terminkalender ja schon fertig. Ich musste einiges hin- und herschieben – in Nürnberg, dann Wien, noch ein Engagement in Berlin. Da war viel zu koordinieren.

Wo liegt Ihrer Meinung nach die Faszination Bayreuth?
Ich komme wegen der einzigartigen Atmosphäre hier im Festspielhaus, der wunderbaren Akustik, den großartigen Kollegen, der herrlichen fränkischen Landschaft und wegen Wagners Musik. Wagner ist nun mal mein „favorite composer“. Das war schon als Hornist so. Ich bin ja familiär vorbelastet: Meine Schwiegereltern waren hier viele, viele, viele Jahre engagiert. Darum war ich, als ich mit Singen noch gar nichts zu tun hatte, schon im Sommer in Bayreuth, um meine Freundin zu besuchen. Ich konnte damals Proben besuchen, war auch mal im Orchestergraben, denn mein Hornlehrer spielte hier im Orchester. Ich kannte also das Festspielhaus und auch die legendäre Kantine. Damals war das natürlich noch sehr, sehr groß und ehrfürchtig für mich. Trotzdem habe ich da auch schon viel mitbekommen. Durch meinen Schwiegervater war  ich in die Kontrabasstruppe integriert. Meine Schwiegermutter hat unter anderem die Bassfeste organisiert. Da habe ich eben dieses Spiel  zwischen Arbeit und Freizeitgestaltung mit den Kollegen mitgekriegt. Und das fand ich faszinierend und toll.

„Es ist so ein Arbeiten mit Feriengefühl.“
Klaus Florian Vogt über den Sommer in Bayreuth

Im Vergleich zwischen damals und heute. Hat sich die Atmosphäre verändert?
Finde ich nicht. Es ist so ein Arbeiten mit Feriengefühl. Und es ist ja auch so, dass jeder Mitwirkende, der hierher kommt – egal aus welcher Sparte – ganz freiwillig hier ist. Keiner muss das machen. Dadurch entsteht ein an-einem-Strang-Ziehen und Spaß haben. Und alle begeistern sich für Wagner. Wer das nicht mag, ist vielleicht einmal hier. Aber man sieht, dass die, die wiederkommen, lange Jahre hier sind und immer wiederkommen wollen. Das macht die Atmosphäre in so einem Haus zu etwas Besonderem.

Sie selbst haben ja auch Ihren Durchbruch hier geschafft, zuerst als Stolzing in den „Meistersingern“, vor allem aber als Lohengrin.
Es hat zumindest mitgeholfen.

„Ich bin jemand, der etwas auf sich zukommen lässt.“
Klaus Florian Vogt über die bevorstehende Arbeit mit Jonathan Meese

Im ersten Lohengrin-Jahr wurde die Regie noch völlig verrissen. Im Jahr darauf übernahmen Sie die Titelpartie – und plötzlich mochte das Publikum den Bayreuther Lohengrin mit seinen Ratten. Waren Sie der Held des Lohengrin?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß ich nicht. Aber es  strahlt natürlich auf das ganze Ensemble ab, wenn man weiß, die Inszenierung wird gemocht. Das motiviert und macht ja dann auch großen Spaß.

Hat Ihnen der Lohengrin in der Inszenierung gefallen?
Ja, ich habe ihn mir im ersten Jahr angeschaut. Als ich dann einsprang, hatte ich nur eine einzige Probe, und ich habe gleich gemerkt: Ja, damit kann ich etwas anfangen. Man merkt das schon, ob einen die Anlage der Figur anspricht oder eben nicht. Und bei Neuenfels ist die Figur sehr menschlich gezeichnet, was mir sehr gut gefällt. Auch das Verhältnis zwischen Elsa und dem Lohengrin ist sehr intensiv, was bei der Szene im Brautgemach wirklich extrem kulminiert. Das gefiel mir von Anfang an. Der Lohengrin ist einerseits sehr menschlich gezeichnet und behält aber andererseits seinen Zauber. Obwohl er ja nicht zaubert. Dieses Spannungsverhältnis, das fand ich von Anfang an faszinierend. Und offensichtlich konnte ich das dann auch gut ausfüllen.

In diesem Jahr haben Sie ja eine neue Partnerin mit Edith Haller als Elsa. Bleibt die Intensität im Brautgemacht erhalten?
Ja, natürlich. Ich habe bereits früher mit Edith zusammen gearbeitet und wir kommen auch jetzt wunderbar miteinander klar.

Lohengrin geht ja statt Tannhäuser 2015 in die Verlängerung. 2016 heißt der Bayreuther Parsifal Klaus Florian Vogt in der Inszenierung von Jonathan Meese, einem Künstler, der durchaus Skandale provoziert (Diktatur der Kunst). Wissen Sie schon, was Sie erwartet?
Es wird sicherlich spannend. Aber ich weiß noch überhaupt nichts von der Regie.

Ein Sprung ins kalte Wasser?
Ich bin jemand, der etwas auf sich zukommen lässt. Was bringt mir das, wenn ich mir vorher schon das oder jenes zurechtlege und dann kommt doch alles ganz anders.

Jonathan Meese ist als Regisseur in Bayreuth schon höchst umstritten. Beunruhigt Sie das nicht?
Also ich muss sagen, ich habe keine Bedenken. Wir haben eine super Besetzung, wir haben einen feinen Dirigenten (Andris Nelsons, Anm. der Red.). Das ist ja schon einmal eine Bank. Bevor ich bei der Regie etwas ablehne, von dem ich ja nicht einmal weiß, ob es etwas gibt, was ich ablehnen müsste, gucke ich mir das lieber erst einmal an. Ich glaube auch nicht, dass von den Leuten etwas verlangt wird, was die dann nicht wollen.

„Nackig würde ich nicht über die Bühne laufen.“
Klaus Florian Vogt über Regie-Grenzen

Haben Sie sich schon einmal von einem Regisseur überzeugen lassen, gegen Ihre Einstellung zu handeln?
Ja natürlich. Ich probiere wenigstens mal etwas aus und stelle vielleicht auch fest, dass das dann doch ganz gut wird.

Sind Sie offen für Regieideen?
Na klar. Wenn ich jetzt bei einer Lohengrin-Neuinszenierung sagen würde, so, das ist mein Lohengrin, und so stelle ich den jetzt auf die Bühne, dann wird das ja total langweilig. Man muss sich schon den Gegebenheiten anpassen. Ich glaube, nur so kann man so eine Figur und sich selber weiterentwickeln.

Haben Sie eine Grenze, bis zu der Sie mitmachen? Oder warten Sie ab, bis eine Grenze erreicht ist?
Beides. Ich lote gerne Grenzen aus, aber es gibt auch Sachen, bei denen ich nicht mitmachen würde.

Zum Beispiel?
Ich würde zum Beispiel nicht nackig über die Bühne laufen.

Als Sie für Parsifal engagiert wurden, haben Sie da einmal überlegt, den Sommer auch einmal anderswo zu verbringen?
Eigentlich nicht. Nein. Ich bin zwar ein Freizeitmensch und mache gerne auch etwas anderes als singen. Aber das lässt sich hier gut vereinbaren, und das genieße ich sehr. Mir gefällt’s hier wirklich gut, also warum sollte ich das ändern? Nirgendwo anders kann man meiner Meinung nach Wagner so machen und verwirklichen und so für sich singen wie in Bayreuth.

Wollten Sie eigentlich schon immer Musiker werden?
Ich habe das für mich tatsächlich relativ früh beschlossen. Mit 16 oder so war das für mich klar. Und ich habe diesen Weg auch sehr geradlinig verfolgt. Es war mein Traum, ins Orchester zu gehen – und zwar in ein richtig gutes.

Es heißt immer, die Bläser in den Orchestern seien die Geselligsten unter den Musikern, weil die alle Erfahrungen in Blaskapelle hatten. Trifft das bei Ihnen auch zu?
Nein. In der Gegend, aus der ich komme, gibt es diese Blaskapellenkultur nicht.

„Da geht es mir genauso wie manchem Zuhörer. Da kommen mir an manchen Stellen einfach die Tränen.“
Klaus Florian Vogt über Emotionen

Also keine Musikantentour durch die Bierzelte?
Da hätte ich nichts dagegen gehabt und wäre sicher dabei gewesen (lacht). Ich hatte auch Kollegen, die das mitgemacht haben. Ich fand das faszinierend.

Aus Interviews ist zu erfahren, dass Sie bei einem Familienfest Rossinis „Katzenduett“ mitgesungen haben und von Ihrer Schwiegermutter quasi als Sänger entdeckt wurden. Haben Sie vorher nie gesungen?
Nein. Wenn, dann nur gezwungenermaßen. An der Hochschule Hannover, wo ich Horn studiert habe, musste man auch vier Semester Chor singen, was ich sehr gut finde. Aber sonst …

Hat das Musikinstrument, das Sie studiert haben, das Horn, auch mit Singen zu tun?
Ja. Man braucht Luftführung, Klangvorstellung, eine Tonvorstellung. Gerade auf dem Horn muss man sich den Ton, den man treffen möchte, vorher vorstellen können, ihn eigentlich innerlich singen, weil beim Horn die Gefahr da ist, dass man ihn verfehlt. Die Töne liegen sehr dicht zusammen.

Wie kam es dann zur Begeisterung für Wagner?
Meine ersten Erfahrungen mit Wagner waren eigentlich hier, in Bayreuth, das hat mich sehr fasziniert. Ich hatte damals keine Ahnung. Dann durften wir in Generalproben gehen. Und dann weiß ich noch, ich habe Rheingold gesehen und das hat mir unheimlich imponiert.

Was ist dran an der Theorie: Entweder man liebt Wagner oder man hasst ihn?
Es gibt auch Leute, die einfach eine gewisse Zeit brauchen. Ich kenne Leute, die sagen, mit Wagner konnte ich nie etwas anfangen, aber jetzt… Wagner spricht einen in der Seele und im Herzen an.

Was findet der Berufsmusiker an Wagner?
Wagner ist vielseitig, vielschichtig, unglaublich farbig. Die Stücke sind durchkomponiert. Mich faszinieren gerade im Ring immer die Übergänge, wenn plötzlich ganz Neues entsteht, wie Melodien verwoben werden. Faszinierend. Da geht es mir genauso wie manchem Zuhörer. Da kommen mir an manchen Stellen einfach die Tränen.

Wie gehen Sie damit um? Im Publikum kann man heulen – Ihnen dürfte das auf der Bühne schwerer fallen.
Da muss ich mich manchmal wirklich sehr zusammenreißen und aufpassen, dass ich wieder eine gewisse Distanz herstelle.

Geht es Ihnen dann wie uns im Publikum, wo man Elsa schütteln möchte, weil sie den Zauber zerstört und die verhängnisvolle Frage nach Lohengrins Identität stellt?
Ja, natürlich. Ich glaube, nur dann wird es auch authentisch, wenn der Aufführende genau das in dem Moment auch so empfindet, was er singt.

Wie werden Sie diese Empfindung dann wieder los?
Es macht ja auch Spaß. Aber das dauert, eine sehr intensive Vorstellung abzulegen. Ich kann nicht Schnipp machen und die Vorstellung ist zu Ende. Das wirkt schon noch nach.

Wieviel Regenerationszeit brauchen Sie dann?
Im Grunde genommen hält dieses Gefühl auch noch den nächsten Tag an.

Klaus Florian Vogt in Lohengrin (Foto: Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele)

Schauen Sie sich die anderen Bayreuther Produktionen an?

Ab und zu, ja. Ich bin bei den Bühnenorchesterproben, manchmal auch bei den Generalproben.

„Es gibt Sachen, die mag ich, es gibt Sachen, die mag ich nicht.“
Klaus Florian Vogt über seine Favoriten in Bayreuth

Ihr Favorit?
Nun habe ich ja den Lohengrin nicht von außen gesehen. Ich kann also nicht sagen, ob mir das am besten gefallen würde. Und die anderen Vorstellungen: Es gibt Sachen, die mag ich, es gibt Sachen, die mag ich nicht.

Nun machen Sie ja nicht nur Wagner, also deutschsprachige Oper. Sie haben auf tschechisch gesungen, russisch, französisch. Sprechen Sie all diese Sprachen?
Oh, nein. Das ist immer ein Haufen Arbeit. Dazu brauche ich schon einen Sprachkurs. Selbst wenn es eine deutsche Übersetzung des Stückes gibt, nutzt die überhaupt nichts, weil es ja keine wörtliche Übersetzung ist, sondern eine, die auf die Musik passt. Deshalb muss ich da immer jemanden haben, der mir das Wort für Wort beibringt. Und das dauert manchmal lange, richtig lange.

Wo liegt der Reiz, in einer anderen Sprache zu singen?
Naja, das sind ja meist sehr interessante Figuren. Und dann mag ich auch die slawische Musik, zum Beispiel Rusalka.

Dennoch sind Sie sind ja sehr aufs Wagner Fach festgelegt. Bleiben Sie da gerne?
Ja, klar (lacht), es gibt schlimmeres als auf Wagner festgelegt zu sein. Trotzdem gibt es noch einiges, das ich gerne ausbauen möchte. Zum Beispiel  habe ich den Liedgesang für mich entdeckt. Und dann stehe ich wirklich sehr gerne auf dem Konzertpodium, zum Beispiel mit  Messen. Ich hoffe, dass das auch weitergeht.

Haben Sie hier einen „Favorite Composer“?
Ich mag Felix Mendelssohn-Bartholdi sehr gerne. Aber auch Antonín Dvořák.

„Mehr Lampenfieber, weil der Anspruch inzwischen gestiegen ist.“
Klaus Florian Vogt über Nervosität vor dem Auftritt

Ist es ein großer Unterschied, bei einer Oper zu singen oder alleine einen Liederabend mit Pianist zu bestreiten?
Als Liedsänger sehe ich mich noch viel stärker als Vermittler zwischen der Musik und dem Zuhörer. Es ist eine besondere Faszination, alleine dazustehen und dadurch natürlich auch sehr eigenverantwortlich zu sein. Beim Konzert oder einem Liederabend hat man nicht den Schutz einer Rolle. Das ist noch mal unmittelbarer. Aber es ist auch eine Faszination.

Sind Sie vor Auftritten nervös?
Ja klar, immer.

Wird es besser?
Es wird, würde ich sagen, eher schlimmer, weil eben der eigene Anspruch inzwischen sehr hoch ist.

Interessieren Sie sich für Kritiken oder sind Sie sich Kritiker genug?
Es gibt Leute, die mich kritisieren dürfen, und auf die höre ich auch – ganz klar. Und ansonsten bin ich schon sehr selbstkritisch. Insofern halte ich mir die Kritiken fern. Ich lese das gar nicht.

Und Sie lassen sich nicht informieren?
Doch. Ich lasse das filtern. Es wäre ja auch schade, wenn ich dann auch die guten Kritiken nicht mehr kriege (lacht herzlich). Ich habe das Lesen aller Kritiken aber eingestellt, weil ich bemerkt habe, dass ich mich dann selbst  blockiere. Man ist natürlich sehr empfindlich, weil man ja auch gezwungenermaßen auf der Bühne die innerlichen Hüllen fallen lassen muss. Und wenn dann jemand kommt und da einfach reinpiekst, tut das weh. Manchmal reicht  ein Adjektiv, ein kleines Wort, das vielleicht nicht einmal böse gemeint ist, das mich irritiert. Und das möchte ich einfach fernhalten von mir. Denn das fängt an, im Kopf zu arbeiten und  beeinträchtigt mich bei der nächsten Vorstellung. Und das ist schlecht.

Es gibt ja in Deutschland zwei berühmte Tenöre: Klaus Florian Vogt und Jonas Kaufmann. Sie werden gern miteinander verglichen. Interessiert Sie das?
Nee, überhaupt nicht. Und damit will ich auch überhaupt nichts zu tun haben.

Kennen Sie und Jonas Kaufmann sich persönlich?
Nein, wir sind uns bisher erst einmal begegnet.

Wären Sie nicht Sänger geworden, würden Sie heute vielleicht als Hornist im Orchestergraben des Bayreuther Festspielhauses sitzen. Wie ist es dort?
Laut, sehr laut.

Und wie ist die Akustik auf der Bühne?
Bei uns auf der Bühne kommt ein Klang an, der sehr Streicher-lastig ist – und auch nicht leise. Davon darf man sich nicht irritieren lassen und  muss sich darauf einstellen. Damals, bei den Meistersingern, hat das ein bisschen gedauert bei mir. Es ist eine Herausforderung, aber das macht sehr viel Spaß.

Wie geht es nach der Festspielsaison in Bayreuth weiter? Gehen Sie dann in Urlaub?
Leider nicht. Es geht weiter nach Zürich für eine Neuinszenierung des Lohengrin, dann kommen einige Konzerte, und dann geht es nach Mailand, wo ich bei der Saisoneröffnung der Scala im Dezember den Fidelio singe.

„Ich habe das einfach ausprobiert, und es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht.“
Klaus Florian Vogt über seinen Einsatz als Moderator beim Kino-Pausenprogramm am 14. August

Sie sind ja auch als Entertainer tätig, indem Sie zusammen mit Katharina Wagner bei der Liveübertragung in die Kinos schon im letzten Jahr und auch diesmal wieder – beim Tannhäuser am 12. August – das Pausenprogramm bestreiten. Wie kam’s dazu?
Katharina Wagner fragte mich, ob ich dazu Lust hätte. Ich habe das einfach ausprobiert, und es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht.

Wäre Entertainment eine Option für Sie?
Ja, könnte mir durchaus vorstellen. Warum nicht? Showmaster vielleicht jetzt nicht, aber Moderation und Leute mithilfe der Kamera mit zu nehmen und ihnen etwas zu zeigen, das hat was.

Aber das Pausenprogramm mit Ihnen und Katharina Wagner können die Leute, die die Vorstellung im Festspielhaus besuchen, nicht sehen.
Nein, die haben ja ihre Pause und ihre Würstchen (lacht).

Wie erleben Sie die Pausen als Darsteller?
Ja, das ist echt ein Problem. Diese langen Pausen. Wenn man den Lohengrin singt, hat man ja diese lange Aktpause: Vom Abgehen im ersten Akt bis zum wieder Auftreten im zweiten Akt vergehen in Bayreuth wegen der langen Pause über zwei Stunden – und das ist echt lang. Das ist zu viel, um die Spannung zu halten. Also muss man versuchen, sich zu entspannen, aber nicht zu sehr.

Was machen Sie in dieser Zeit?
Ich versuche mich zu entspannen, trinke einen Kaffee, lese und singe mich dann erneut ein.

Bekommen Sie als Hauptdarsteller eigentlich noch etwas mit vom Trubel rund ums Festspielhaus, zum Beispiel vom Picknick während der Pausen?
Ich würde ehrlich gesagt gerne mehr mitkriegen. Aber sobald ich da irgendwo auftauche, entsteht gleich so eine Art Autogrammstunde. Und das möchte ich doch vermeiden. Ich versuche, so weit wie möglich von Ferne zuzuschauen. Die Rituale hier wie das Picknick im Park oder auch die Balkonbläser finde ich einfach toll.

Stört Sie der Starrummel um Sie?
Das gehört einfach dazu. Es wäre nicht richtig, das zu verteufeln, weshalb es mich auch nicht stört, wenn mich Leute ansprechen. Denn in den aller-, aller-, allermeisten Fällen sind sie ja sehr nett. Ich bin eben sehr, sehr dankbar für das, was ich machen darf, und dass ich das machen darf. Darum gibt es für mich überhaupt keinen Grund, irgendwie abzuheben.

Außer, im wahrsten Sinne des Wortes. Sind Sie noch begeisterter Flieger?
Ja, klar. Das ist ja etwas anderes. Ich hatte gerade einen Liederabend an der Mosel, und da bin ich hingeflogen. Jetzt bleibe ich aber vorläufig hier.

Wann werden Sie in Bayreuth als Siegfried oder Tristan zu hören sein?
Nächstes Jahr ja nicht.

Stehen die Partien auf Ihrer Wunschliste?
Sie stehen durchaus auf der Wunschliste. Aber das ist noch zu weit weg.

Weil die Stimme noch nicht so weit ist? Wann weiß man dass es soweit ist?
Das spürt man einfach. Das spüre ich jetzt an dem Lohengrin, ob sich die Stimme weiterentwickelt. Und man spürt auch, wenn man sich mit den weiteren großen Partien beschäftigt, ob man sich eigentlich dagegen wehrt oder ob das kommt.

„Ein Lehrbeispiel war die Fußball-WM. Die, die sich ihre Energie eingeteilt haben, hatten am Schluss noch Reserven.“
Klaus Florian Vogt über Regeneration

Haben Sie Ihre Stimme schon einmal überstrapaziert?
Ja, aber nicht durch eine Partie, sondern eher durch zu viele Auftritte hintereinander. Man muss sehr auf die Stimme aufpassen. Man kann schon sehr viel hintereinander machen. Wenn dann aber zum Beispiel ein kleiner Infekt hinzukommt, muss man leider auch mal die Notbremse ziehen.

Wie viel Regeneration gönnen Sie Ihrer Stimme?
In der Regel reichen zwei Tage, schöner sind drei. Ich kann auch am nächsten Tag singen. Natürlich. Aber das würde ich nicht machen, weil man doch noch innerlich mit dem Vorabend beschäftigt ist. Und es ist schade, wenn keine Zeit bleibt, das zu verarbeiten.

Haben Sie Angst um Ihre Stimme?
Ich nehme schon darauf Rücksicht. Aber richtig Angst darum habe ich nicht. Das ist wie bei einem Sportler, der muss auch zwischendurch regenerieren, sonst kann er nicht mehr. Ein Lehrbeispiel war die Fußball-WM. Die, die sich ihre Energie eingeteilt haben, hatten am Schluss noch Reserven.

Haben Sie die WM verfolgt? Findet also außerhalb des Opernbetriebes ein Leben statt?
Na klar. Die deutschen Spiele habe ich alle gesehen, natürlich, aber ich habe mir auch viele andere Spiele angeschaut.

Welche Musik hören Sie privat? Zum Beispiel beim Autofahren?
Im Auto weniger Klassik. Da höre ich durchaus mal Pop oder so, oder Swing mit einer Bigband. Es kommt aber schon auch vor, dass beim Sonntagsfrühstück eine Gran partita oder eine Brahms-Symphonie läuft. MeineFrau erarbeitet gerade mit Schülern das Musical Grease, also läuft momentan diese Musik. Gefällt mir auch.

Ihre Frau ist ja Sopranistin, hat aber in ihrem Beruf zurückgesteckt.
Das ist ein heldenhaftes Unterfangen. Sie hat ja ihren Beruf mindestens so geliebt wie ich meinen – und da zu sagen, ich geb‘ das jetzt für die Familie auf – da zieh ich dreimal den Hut vor.


Interview: Regina Ehm-Klier

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