Sie gehört zu den derzeit besten und gefragtesten Brünnhilden auf der Welt: die Sopranistin Catherine Foster. Eine Operndiva im klassischen Sinne ist sie aber nicht, zumindest verzichtet sie auf derlei Allüren. Sie gibt (noch) Interviews und kommt gut gelaunt den Besprechungsraum im Festspielhaus, wo sie erst einmal fragt, wieviel Zeit wir denn hätten. Denn, lacht sie: „Ich kann lange plaudern.“ Locker, in brillantem Deutsch, erzählt die Britin von ihrer Paraderolle der Brünnhilde, wie sie als gelernte Krankenschwester und Hebamme zum Gesang und schließlich zu Wagner kam und welche Partie sie noch gern singen würde.
festspieleblog.de: Frau Foster, wie geht es Ihnen hier, in Bayreuth?
Catherine Foster: Es ist wunderbar hier. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man besser einen Sommer verbringen könnte. Bayreuth hat einen so ausgezeichneten Ruf; es geht nur um Wagner, und ich liebe Wagner. Es ist so eine wunderbare Stadt. Die andere Welt existiert eigentlich gar nicht.
Verbringen Sie den ganzen Sommer in Bayreuth?
Ja. Als Brünnhilde lässt sich nichts anderes machen. Ich singe ja in drei der vier Ring-Opern, und ich weiß, jeden Tag wird gearbeitet: Wenn ich nicht in einer szenischen Probe bin, bin ich in einer musikalischen. Außerdem ist Bayreuth ja etwas entfernt von anderen Zentren. Nein, nein. Die Leute, die hierher kommen, um den Ring zu sehen, verdienen auch von mir meine ganze Konzentration. Dafür fühle ich mich verantwortlich.
Proben Sie jeden Tag?
Letztes Jahr waren natürlich mehr Proben angesetzt, und wir haben bereits im April angefangen. Dieses Jahr haben wir im Juni mit den Proben mit Regie und Bühnenbild begonnen und ein bisschen getweakt, also ein bisschen nachgearbeitet – Bewegung und so. Bei einer Wiederaufnahme ist natürlich weniger Zeit gegeben.
Frank Castorf will eine starke Brünnhilde – von Anfang an
Wie kommen Sie mit der Regie zurecht?
Ich gehe jede Regie mit offenen Augen an. Ich habe ja oft den Ring gemacht: Über 70 Mal die Walküre, über 30 ganze Zyklen auf der ganzen Welt insgesamt. Es waren ganz verschiedene Arbeiten. Meine Meinung zu jeder Regie lautet: Ich komme mit offenen Augen, schaue, was will der Regisseur haben, und ich konzentriere mich darauf, was meine Rolle ist. Ich komme mit Frank und seinem Standpunkt und dem wunderschönen Bühnenbild wunderbar zurecht. Es ist sehr interessant für mich, dass von jedem Regisseur ein anderer Blick auf die Rolle, ein anderer Blick auf den ganzen Ring kommt. Damit kann ich auch Neues entdecken – eine neue Seite von Brünnhilde zum Beispiel. Frank Castorf will von Brünnhilde noch mehr Kämpferisches haben. Er will die streitbare Seite von ihr mit Wotan haben. Keine weiche Seite – er will eine starke Frau von Anfang an.
Fällt Ihnen das Kämpferische leicht?
Ich würde sagen, es ist anders. Aber ja, es ist nicht schwer für sie: Sie ist eine „Warrior“-Prinzessin und Göttin. Dieses Leben geht in der Walküre zu Ende. Aber natürlich kann sie die Persönlichkeit nicht wie ein Licht ausschalten. In der Götterdämmerung muss sie mit ihrer menschlichen Seite umgehen. Sie ist auch körperlich schwach. Sie hat nicht mehr diese Magie und das verursacht Furcht in ihr. Aber trotzdem steht sie da. Sehr stark.
Aber sie reitet in diesem Ring nicht mit ihrem Pferd Grane in den Weltenbrand, sondern bleibt einfach zurück.
Ja, es gibt nur ein kleines Feuer um sie. Frank mag diese Einsamkeit von Brünnhilde, dass ich den Ring den Rheintöchtern wieder gebe und dass sie dann weggeht. Sie ist komplett einsam. Total allein. Das Publikum muss vielleicht ein bisschen mehr darüber nachdenken, was dann wohl passieren wird. Es bleibt ein Fragezeichen am Ende.
Haben Sie verstanden, dass im vergangenen Jahr das Publikum mit der Regie nicht klargekommen ist?
Ich finde es sehr interessant. Es ist wie mit Wagner. Man mag das oder hasst das. Auf der einen Seite gibt es so wunderbare Emotionen, und auf der anderen Seite diskutieren alle, wieso dieses gut ist und dieses schlecht. Das ist toll. Denn dann ist die Oper lebendig.
Sie haben 2013 in Bayreuth debütiert…
… ja – und gleich als Brünnhilde (lacht), die größte Frauenprotagonistin Wagners war mein Debüt hier. Das war Wahnsinn! Es war eine Riesenchance für mich, hierher zu kommen.
„Ich wusste es: Ich werde eine Krankenschwester und eine Sängerin sein.“
Haben Sie zuvor schon einmal eine Bayreuther Vorstellung erlebt?
Nein. Ich kam gleich hierher auf die Bühne – herrlich. Ich fühle mich sehr wohl hier.
Sie haben ja auch noch einen anderen erlernten Beruf, nämlich Hebamme und Krankenschwester. Wie kam es zum Wechsel auf die Bühne?
Mit viel Glück. Aber seit ich drei Jahre alt bin, wusste ich, ich werde einmal Krankenschwester und Sängerin.
Sie wollten beides sein?
Nicht wollte – ich wusste es: Ich werde eine Krankenschwester und eine Sängerin sein. Während meiner Hebammen-Jahre habe ich eine ganz tolle Lehrerin gefunden, das war 1993 (die renommierte britische Gesangslehrerin Pamela Cook, Anm.). Sie war hervorragend. Sie hat mich zwei Jahre lang unterrichtet und sie hat zu mir gesagt, wenn du wirklich Sängerin werden willst, musst du den richtigen Weg gehen. Also ein Studium beginnen. Ich habe einen Studienplatz 1995 bekommen und ich habe mit ihr 20 Jahre lang studiert. Leider starb sie letztes Jahr – gerade, als ich bei der Siegfried-Generalprobe in Bayreuth war. Ich konnte nicht mehr bei ihr sein. Das war sehr traurig. Aber ich weiß: Ich bin hier, durch sie. Sie hat mir für meinen Beruf alles gegeben, und ich glaube, sie ist stolz auf mich.
Nehmen Sie nach wie vor Unterricht?
Jetzt habe ich wieder eine Lehrerin, sie über 80 Jahre alt, und sie spricht genau wie meine frühere Lehrerin. Und sie wohnt gegenüber von mir in Weimar. Was für ein Zufall! Ich habe sie 2002 kennengelernt, als ich in Weimar die Senta gesungen habe. Sie hat mir die deutsche Sprache beigebracht, wie ich sie singen muss, wie die Aussprache ist. Wir haben sehr viel gearbeitet bevor ich herkam. Denn natürlich ist es auch eine Technik, in deutscher Sprache zu singen, mit der richtigen Aussprache, und dass der Text verständlich ist. Ich hoffe, dass das dieses Jahr noch besser geworden ist. Ich hatte dieses Glück, diese zwei Lehrerinnen zu haben.
Ist es erforderlich als Profi-Sänger weiterhin unterrichtet zu werden?
Ich für mich sage, Ja. Der Körper verändert sich, man ist seelisch einmal betroffen, die Stimme ist eine Balance. Wenn man sich nur selbst kontrolliert, ist das gefährlich. Ich brauche ein paar andere Ohren auf der anderen Seite.
Wie haben Sie es geschafft, sich die Riesenpartie der Brünnhilde zu erarbeiten?
Das ist ja noch nicht zu Ende und geht immer noch weiter. Ich finde immer noch Neues. Zum Beispiel wenn ich vor der „Götterdämmerung“ wieder den Text lese, entdecke ich wieder etwas Anderes. Das kommt auch darauf an, wie ich mich fühle – ob gut oder schlecht, böse oder glücklich. Es kann sein, dass ich wieder Neues in diesem Text entdecke. Ganz am Anfang steht „Zu neuen Taten“: Es ist interessant, ob das nun mit Siegfried oder mit Brünnhilde zu tun hat. Und das ist es, was man im Gespräch mit dem Regisseur herausfindet, was er im Vordergrund haben will. Das ist von Regisseur zu Regisseur unterschiedlich, was er aus diesem Text herausarbeiten will.
„Kaum ein Problem mit der Regie“
Passiert es, dass Sie anderer Meinung sind als der Regisseur oder sagen, dieses oder jenes mache ich nicht?
Nein, nur wenn etwas zu tun ist, bei dem man nicht gut singen kann oder das gefährlich für mich werden könnte. Aber ich habe sonst kaum ein Problem. Vorausgesetzt, der Regisseur kann mir erklären, warum ich etwas tun soll. Man muss es mir sozusagen verkaufen. Denn dann kann ich das auch dem Publikum verkaufen. Aber wenn jemand sagt, du musst das einfach machen und ich verstehe es nicht, dann kann ich das auch nicht dem Publikum geben. Es gibt immer verschiedene Sichtweisen.
Wie entdeckten Sie als Britin das deutsche Fach mit Wagner?
Ich habe das entwickeln lassen. Ich habe mit „Königin der Nacht“ in der Zauberflöte angefangen und ich habe Bellini- und Donizetti gemacht. Ich singe immer noch Koloratur wie die Abigaille (Nabucco) in Stuttgart. Ich hatte mit Pam gesprochen, welche Rollen ich singen kann. Und sie war sehr klug und hat gesagt, man soll die Persönlichkeit der Frauen, die man singt, anschauen, ob sie passen. Ich wäre keine Adele in der Fledermaus, das ist eine kleine, brave Frau. Ich könnte das nicht. Ich habe die Rosalinde gemacht, die passt besser zu mir.
Und wie kamen Sie dann zu Wagner?
Ich war bei George Albrecht in Weimar engagiert. Und er war auf der Suche nach einer Elisabeth in Tannhäuser. Es war sein letztes Stück in Weimar. Anschließend kam 2003 Senta und so entwickelte ich mich im deutschen Fach. Es kamen Fideleo, die Kaiserin in „Frau ohne Schatten“ in Dresden, aber auch „Il trovatore“ und „Don Carlos“, Abigaille und Turandot. Und so konnte ich mich entwickeln.
„Lady Macbeth würde ich noch sehr gerne machen“
Sie sind noch in Weimar?
Ich lebe noch dort, bin aber seit 2011 freischaffend tätig. Ich war zehn Jahre am Deutschen Nationaltheater in Weimar.
Gibt es noch Traumpartien für Sie?
Die Lady Macbeth würde ich noch sehr gerne machen.
Ist die Brünnhilde für eine Sängerin so etwas wie ein Marathon für einen Läufer?
Ich liebe Brünnhilde. Ich liebe die großen, starken Frauen wie Elektra oder Brünnhilde, Isolde oder Abigaille in Nabucco. Die kann ich spielen und singen. Es ist natürlich ein Marathon, für den ich fit sein muss. Wenn ich ein bisschen ‚unfit‘ bin, dann merke ich, wie viel körperliche Kraft das kostet.
Wie bereiten Sie sich auf eine Marathon-Partie wie die Brünnhilde vor?
Ich brauche viel Ruhe. Ich mache vor dem Beginn eines Ring so gut wie keine Termine mehr. Darum war ich auch nicht beim Staatsempfang. Ich war zuhause, bin in die Therme gegangen. Ich trete zurück von der Welt. Die Rolle verlangt einem wirklich ganz große Konzentration ab.
„Ich verschwinde innerlich“
Darstellerisch oder weil so viel Text abzurufen ist?
Es ist sehr schwer, das in Worte zu fassen. Ich kann nur so sagen, dass ich ein Gefühl brauche, innerlich zu verschwinden. Der Text mit der Musik geht mir dann intensiv durch den Kopf. Es passiert, dass ich einsam für mich bin und auf der Straße Leute nicht sehe, weil ich innerlich verschwinde.
Pflegen Sie im Vorfeld spezielle Rituale?
Nein. Das wechselt.
Leiden Sie eigentlich unter Lampenfieber?
Ich glaube, jeder hat Lampenfieber. Ich hasse es, wenn ich kein Lampenfieber habe, weil man leichtsinnig wird. Darum habe ich lieber Lampenfieber vorher und gehe konzentriert auf die Bühne. Ein französischer Schauspieler hat mir so eine schöne SMS geschrieben, was er einer Studentin gesagt hat, die kein Lampenfieber hatte. Und er sagte: Mach dir keine Sorgen, mit dem Talent kommt das… Ich hab’ so gelacht darüber.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] wir ein ausführliches Interview mit der Bayreuther Brünnhilde, Catherine Foster. Sie können es hier lesen. (function($){ var options = […]
Ein sehr informatives Interview, das mit viel Kenntnis und Sensibilität geführt wurde. So waren auch die Antworten klar und ungekünstelt. Gleiches gilt im übrigen auch für das Gespräch mit Klaus Florian Vogt, der in seiner uneitlen offenen Art auf die Fragen eingeht.
Toll,weiter so!