Sebastian Baumgarten beim Regiegespräch mit Regina Ehm-Klier

Baumgarten und seine Sicht auf Tannhäuser

Sebastian Baumgarten, Regisseur des „Tannhäuser“ in Bayreuth, hat in dieser Saison den letzten Auftritt bei den Festspielen. Sein Stück, das beim Publikum nie recht ankam, geht in die letzte Saison, wird aber  am 12. August aufgezeichnet und live in die Kinos übertragen. Die DVD von dieser Produktion kommt nächstes Jahr in den Handel.

Baumgarten war nur zur Premiere vor Ort und natürlich erschrocken über die Panne bei der Premiere. In der ersten regulären Pause nahm er dennoch am Regiegespräch von TAFF (Team aktiver Festspielförderer) teil. Auch festspieleblog.de war dabei und moderierte das Gespräch mit rund 30 Zuhörern. Thema war natürlich nicht nur der Moment, als nach 20 Minuten Spielzeit die Unterbodenmaschinerie streikte, der „Venusberg“ steckenblieb und für diesen Abend auch nicht mehr benutzt werden konnte. „Es fehlt natürlich der Inszenierung eine wesentliche Aussage“, bedauerte Baumgarten. Er sprach aber den Sängern ein großes Kompliment aus, da sie den anstrengenden Anfang nicht nur zweimal an einem Abend bewältigen, sondern auch als Darsteller improvisieren mussten: „Das war a la bonheur“, lobte er.

Von einem „relativ dichten Theaterabend“ spricht Sebastian Baumgarten mittlerweile bei seinem „Tannhäuser“, der sich auf bestimmte Mittel berufe, „die umstritten sind“. Aber, sagt er ehrlich, das Gefallen stehe für ihn nicht im Zentrum. „Wir haben eine Konzeption und die ist erkennbar“, sagt der Regisseur selbstbewusst, gibt aber zu, dass das Stück im ersten Jahr, also 2011, „noch unscharf war“.

Häufig wurde kritisiert, dass das Regiekonzept in dieser Rieseninstallation von Joep van Lieshout nicht aufgehen kann. „Das stimmt so nicht“, schränkt Sebastian Baumgarten im Gespräch ein. Es seien nur Teile der Installation wie der Alkoholator und die Doppelstockbetten vorhanden gewesen. „Der Kreislauf, den wir zeigen, das ist in der Kombination neu.“ Es handle sich eben nicht um ein Bühnenbild im klassischen Sinne, sondern um eine Installation. Baumgarten zeigt den „Tannhäuser“ als einen in sich geschlossenen Kreislauf. Darum ist der Vorhang auf, wenn das Publikum ins Festspielhaus kommt, und bleibt das auch während der Pause so. Es wird immer weiter gespielt. Die Leute, die schon zu Beginn auf der Bühne zugange sind, sind „Teil dieser Konstruktion und schlüpfen in die Figuren“, erklärt der Regisseur, weshalb er über den Anfang  die Schrift „Gründungsmythos“ gesetzt hat. „Es ist der Beginn, dass sich eine Gemeinschaft mit einem solchen Thema beschäftigt: zwischen Exzess und dem Apollinischen, dem Kontrollierten, dem Gedachten, dem Visionierten, auch Geträumten, sozusagen das Wechselverhältnis dieser beiden Pole untersucht wird. Das ist eine lebensexistenzielle Frage“, führt Baumgarten aus. Das scheine nun in einer Oper erst einmal  unterbelichtet zu sein, „ist es aber nicht – von Wagner ganz gezielt nicht. Er komponiert das auch so“, weiß der Regisseur.

„Eine Grundproblematik, an der sich jede Inszenierung abarbeitet, ist am Anfang das Chaotische, Formlose. Aber Theater hat etwas mit einer Formgebung zu tun, das heißt, man kommt in den Konflikt, wie macht man mit Ordnung Unordnung“, erklärt Baumgarten.  Dazu müsse man also Bilder und Vorgänge erfinden. Für ihn gehören Venusberg und die Wartburg-Welt zusammen, weshalb er diese chaotische Lustwelt im Keller ansiedelt. Tannhäuser wechselt zwischen diesen Welten, „der Venusberg ist sozusagen Triebabfuhr, die angesichts dieser strikten Verhältnisse, die oben herrschen, einen Gegenpol hat“, erklärt Baumgarten.

Sebastian Baumgarten beim Regiegespräch mit Regina Ehm-Klier

Sebastian Baumgarten wollte als Vertreter der „epischen Theatertradition“ eigentlich einen Steg über den Orchestergraben ins Publikum bauen, um die Verbindung zwischen Bühne und Zuschauer zu schaffen. Das ging aus akustischen Gründen nicht. Kompromiss: Es befinden sich bei jeder „Tannhäuser“-Aufführung rund 40 Zuschauer auf der Bühne. Die erleben dann auch stets mit, wie der Regisseur bei der Premiere von der rechten Seite aus auf die Bühne tritt – und ausgebuht wird. Freilich, das macht keinen Spaß, andererseits:  „Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Erfahrung mache. Aber es geht nicht darum, im Theater auf der gefälligen Ebene zu kommunizieren. Ich muss mein Konzept machen, und das macht mir Spaß. Dafür gab es, seit ich diesen Beruf mache, Schwierigkeiten. Es ist immer wieder ein Moment, dem man sich aussetzt – und der ist nicht immer angenehm.“ Ob er provozieren möchte? „Nicht mehr“, lacht der 45-Jährige, der seit diesem Studienjahr Professor an der Hochschule für Musik und Theater München ist, wo er den Studiengang Regie leitet.

Die „Werkstatt Bayreuth“  mit der Möglichkeit der Weiterentwicklung des Stückes empfand Baumgarten „schon als toll“. Im ersten Jahr seien die Zeiten für Proben und Stellen relativ knapp, positiv waren die Möglichkeiten, im  zweiten, dritten und vierten Jahr weiter zu arbeiten. Einzig, dass zwischen Bühnenorchesterprobe, Generalprobe und Premiere relativ viel Zeit bleibt, sei problematisch, andererseits wegen der Koordinierung der anderen Bayreuther Stücke eben notwendig.

Die  Laufzeit von vier Vorstellungs-Jahren sei übrigens üblich, erklärt Baumgarten, der Tannhäuser sei nicht früher abgesetzt worden. Es gab aber auch keine Verlängerung. In die geht „Lohengrin“, der bereits 2010 Premiere feierte. Sebastian Baumgarten hat dafür Verständnis, dass sich die Festspielleitung für eine weitere Saison mit der Produktion von Hans Neuenfels’ entschieden hat: „Dass wir umstritten waren, leugnet niemand, das kann auch niemand leugnen.“ Er sieht sein Stück so weit fertig entwickelt. Alles weitere würde nun viel Organisations- und Probenaufwand erfordern. Und Baumgarten gibt zu: „Nichts gegen die Bayreuther Festspiele, aber ich bin jetzt froh, dass ich auch mal wieder einen Sommer für mich habe.“ Dass sein Stück nach dieser Saison abgesetzt wird, „ist in Ordnung für mich – wirklich“.  – ek


Foto: Regiegespräch von TAFF im Chorsaal des Festspielhauses: Regisseur Sebastian Baumgarten mit Moderatorin Regina Ehm-Klier

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